Die Art und Weise, wie der große griechische Dichter Aischylos im Jahr 456 v. Chr. – der Legende nach – ums Leben kam, liest sich wie eine etwas abgespeckte Version seiner monumentalen Dramentexte. Nachdem ihm ein Orakel vorhergesagt hatte, dass er beim Einsturz eines Hauses sterben würde, lebte der griechische Dichter konsequent unter freiem Himmel – auf den Feldern Siziliens, wo er zu dieser Zeit weilte. Eines Tages fegte ein Adler über ihn hinweg, der eine Schildkröte auf einem Felsen zerschellen lassen wollte, um so an ihr schmackhaftes Inneres zu gelangen. Der Raubvogel, auf den die Glatze des Dichters wie ein Felsbrocken wirkte, warf seine Beute jedoch genau über dem Haupt des Aischylos ab und tötete ihn.

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Ob der Verfasser der ältesten griechischen Tragödie („Die Perser“) tatsächlich auf diese Weise ums Leben kam, ist fraglich. Möglicherweise liegt ihr Ursprung in einer missverstandenen Ikonografie auf dem Grabstein des Dichters. Auf diesem war der tote Körper des Aischylos zu erkennen, wie auch ein Adler (der Vogel des Apollon), der gerade dabei war, die Seele des Dichters in den Himmel zu tragen. Diese wiederum ähnelte einer Leier, deren verschiedene Ausprägungen in der griechischen Antike unter anderem aus mit Saiten bespannten Schildkrötenpanzern bestanden oder diesen zumindest sehr ähnlich sahen. Möglicherweise hat sich hier also jemand interpretatorisch verausgabt und auf Basis dieser Darstellungen auch gleich eine spektakuläre Story zusammengezimmert.

Noch mehr skurrile Tode

Aischylos war jedoch nicht der einzige griechische Dichter, der, wenn man all den Legenden Glauben schenken möchte, auf absurde Weise aus dem Leben schied. So soll Sophokles an einer Weintraube erstickt sein. Der Sage nach starb sein Dichterkollege Homer aus Gram darüber, dass er eine Denkaufgabe nicht lösen konnte. Der Dichter der „Odyssee“ und der „Ilias“ soll auf einem der Strände der griechischen Insel Ios eine Kindergruppe getroffen haben, die ihm folgende Scherzfrage stellte: „Was wir sahen und fingen, lassen wir zurück. Was wir nicht sahen und fingen, nehmen wir mit uns.“ Obwohl Homer sich den Kopf über die Lösung des Rätsels zerbrach, kam er nicht dahinter und starb aus Scham darüber. Die richtige Antwort wäre im Übrigen „Läuse“ gewesen.

Ulrich Rasche

Ulrich Rasche: Ein Lichtblick in düsteren Zeiten

Seine formstrengen Arbeiten haben Ulrich Rasche den Ruf eines Theatermaschinisten eingebracht. Tatsächlich ist der ­deutsche Regisseur jedoch vor allem ein präziser Spracharbeiter, der mit seiner „Iphigenie“ ein Zeichen für Menschlichkeit und Dialog setzen möchte. Weiterlesen...

Das zu Aischylos' „Orestie“ gehörende Stück „Agamemnon“ ist in einer Inszenierung von Ulrich Rasche derzeit am Münchner Residenztheater zu sehen. Rasche legt in seiner Inszenierung die grausame, sich immer selbst antreibende Spirale der Gewalt offen, die sowohl dem Atridenfluch als auch dem Trojanischen Krieg zugrunde liegt, und zeigt eindrücklich das Mahlwerk dieser fatalen Maschinerie.

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