BÜHNE: Es ist kaum zu glauben, dass Tom Stoppards „Separatfrieden“ noch nie in Österreich aufgeführt wurde. Können Sie sich erklären, warum dieser Text so lange übersehen wurde?

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Ingrid Lang: Der Text entstand Mitte der 1960er Jahre und wurde zu dieser Zeit von der BBC als Fernsehspiel ausgestrahlt. Es ist ein kurzer Text. Beim erstmaligen Lesen benötigten die Schauspieler*innen 35 Minuten. Der Theaterabend ist im Laufe der Arbeit nun bei einer Stunde zwanzig Minuten angekommen. Außerdem ist die Übersetzung herausfordernd. Ob diese Dinge der Grund dafür sind, dass das Stück in Österreich noch nicht aufgeführt wurde, kann ich natürlich nicht sagen.

 Wie sind Sie auf den Text gekommen?

Unser ehemaliger Dramaturg Patrick Rothkegel hat mich vor ein paar Jahren darauf gebracht. Ich mochte den Text beziehungsweise das, was darin verhandelt wird, gleich, hatte aber damals keine inszenatorische Vision dazu. Ich fand auch, das Stück sei viel zu kurz. Vor einem Jahr habe ich ihn wieder gelesen, da hat er mich dann nicht mehr losgelassen und ich dachte: Ja, jetzt muss ich das machen.

 Wieso passt das Stück gut in die heutige Zeit?

John Brown, der Protagonist des Stücks, möchte nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Er checkt trotz bester Gesundheit in eine Klinik ein und sagt, dass er dringend gepflegt werden muss. Er sucht nach Stabilität, Pflege, Sicherheit und möchte in Ruhe gelassen werden. Das sind ja durchaus nachvollziehbare Bedürfnisse. Gleichzeitig entzieht er sich jeglicher Verantwortung. Ich denke, dass viele Menschen in unserer instabilen Zeit dieses Bedürfnis teilen. Zumindest kenne ich einige, die sich aus Überforderung gerne aus allem raushalten würden und sich nach Ruhe sehnen.

Ich glaube auch, dass die die im Stück geschilderte Ausstiegsutopie vielen Menschen gerade sehr nahe ist ...

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Ja. Es ist viel gerade. Ich würde manchmal auch gerne davonlaufen. Aber wohin? Also bleibt man da, atmet, denkt und hofft.

Ingrid Lang
Seit 2018 ist Ingrid Lang künstlerische Leiterin des Theater Nestroyhof Hamakom und seit 2020 für die Gesamtleitung des Hauses verantwortlich.

Foto: Marcel Köhler

Liegt in der Resignation eine subversive Kraft?

Ich glaube nicht. Im Nichtstun aber schon.

Kann das Theater eine Antithese zu Resignation und Negation sein? Sowohl als Macher*in wie auch als Besucher*in entscheidet man sich ja bewusst zur gemeinschaftlichen Auseinandersetzung mit Gegenwart …

Beim Proben habe ich mir wieder gedacht, wie schön verrückt das ist, dass wir Menschen überhaupt Theater spielen. Dass wir uns in Gruppen zusammentun und monatelang überlegen, wie man anderen Menschen eine Geschichte vorspielen kann, was wir dabei anhaben, wie wir sprechen, wie wir uns bewegen, was wir dazuerfinden oder weglassen und das alles immer aus den Umständen heraus, in denen wir uns gerade miteinander befinden. Wach und kritisch gegenüber der jeweiligen Zeit, in der wir gerade leben, suchend und lebensbejahend und – im Idealfall – frei. Also ich würde diese Frage mit einem klaren „Ja“ beantworten.

Was erwartet das Publikum bei Ihrer Inszenierung?

Ein tolles Ensemble, Stille, Raum für Fragen, Pink Floyd und ein haariger Affe.

Zu den Spielterminen von „Separatfrieden“ im Hamakom!