Victoria, in der Inszenierung von „Tom & Huck“ im Theater der Jugend ist Huckleberry Finn eine junge Frau. Kannst Du uns vielleicht ein bisschen etwas darüber erzählen, wie es zu dieser Setzung kam?

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Victoria Hauer: Die Autoren des Stücks wollten von den alten Geschlechterrollen weg, in der die weiblichen Charaktere eine eher passive Rolle einnehmen. Außerdem ist die Rolle des Huckleberry Finn,
der abenteuerlustig und gleichzeitig sensibel ist, genauso gut als junge Frau bzw. Mädchen
vorstellbar.

Inwiefern unterscheidet sich die Inszenierung darüber hinaus von Mark Twains bekannter Erzählung?

Stefan Rosenthal: Wir haben das Stück in eine andere Zeit versetzt und das Thema Atomkraft, das in den Sechzigern aktuell war, hinzugefügt. Das Lausbubige, das Abenteuer und die Botschaft für Freundschaft und Zusammenhalt haben wir aber versucht beizubehalten.

Ich liebe es einfach, Geschichten über Freundschaft zu erzählen."

Stefan Rosenthal

Was macht für euch den besonderen Reiz der Geschichte von Tom und Huck aus? 

Victoria Hauer: Dass es uns gelungen ist, aus dem eingespielten Duo Tom und Huck ein starkes Trio zu entwickeln, das nichts mehr auseinander bringen kann. Der Grund dafür sind extreme äußere Umstände und interne Konflikte, denen sie sich stellen müssen. Aber auch die zwischenmenschliche Beziehung von Huck und Becky ist für mich eine sehr berührende. Als Huck ist Becky für mich die erste weibliche Person, der ich mich öffnen und anvertrauen kann. Natürlich erst nachdem ein paar Stolpersteine aus dem Weg geräumt wurden. Aber was wäre denn Theater ohne Drama. 

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Stefan Rosenthal: Ich liebe es einfach, Geschichten über Freundschaft zu erzählen. Zwei oder in unserem Fall drei junge Menschen, die sich zusammenraufen und dann durch dick und dünn gehen. Das alles mit Lagerfeuer, was gibt es Besseres?

Aus dem Duo wurde im Theater der Jugend ein Trio.

Foto: Rita Newman

Beginnt man mit gewisser Nostalgie über die eigene Kindheit nachzudenken, wenn man sich mit der Geschichte der beiden beschäftigt? Ich denke da vor allem an das Thema Freiheit …

Stefan Rosenthal: Ach, die eigene Kindheit war schon schön. Ich wünsche jedem Kind möglichst viele Abenteuer in Baumhäusern, im Wald oder zumindest unter dem Wohnzimmertisch, der mit Decken zur Höhle wird. Ich habe selbst zwei kleine Mädels und gebe mein Bestes dafür. Die Spielplätze in meinem Bezirk kennen wir immerhin schon mal in und auswendig. Die Freiheit von früher gibt es so natürlich nicht mehr, aber Spaß bringt Kindern Zufriedenheit und vielleicht auch ein bisschen Freiheit.

Victoria Hauer: Da ich ohnehin ein sehr nostalgischer Mensch bin und das Gefühl der kindlichen Freiheit mein ständiger Begleiter ist, hat diese Stückfassung nicht viel Neues in mir hochgeholt. Nichtsdestotrotz kann man sich spielerisch wieder richtig austoben, ganz besonders in der ersten Szene zwischen Tom und Huck. Das schätze ich sehr. Der Fantasie freien Lauf zu lassen, ohne zu befürchten, wie es ankommt, ist für mich sehr wertvoll und zu selten machbar.

Heutzutage gibt es mehr Richtlinien, Maßnahmen, strengere Konsequenzen und Regeln. In vielen Dingen kann man sicher nicht mehr so frei und furchtlos agieren wie damals."

Victoria Hauer

Christine Nöstlinger schreibt „Mit einem Kind, das nie Quatsch macht, sollte man schleunigst zum Psychologen gehen“. Ist Kindheit heute überhaupt noch mit Kindheit zur Zeit von Tom Sawyer und Huckleberry Finn vergleichbar?

Stefan Rosenthal: Das hoffe ich schon. Natürlich leben wir in anderen Zeiten, aber zumindest am Quatsch machen sollte es nicht liegen. Meine Kinder müssen einfach viel Quatsch machen. Vor allem gemeinsam mit mir. Dann können wir zusammen ihre Mami ärgern. Hätten wir einen Gartenzaun, müssten wir den wahrscheinlich ständig streichen, genau wie Tom Sawyer ...

Victoria Hauer: Heutzutage gibt es mehr Richtlinien, Maßnahmen, strengere Konsequenzen und Regeln. In vielen Dingen kann man sicher nicht mehr so frei und furchtlos agieren wie damals. Aber auch die inneren Umstände und Bedürfnisse haben sich durch die moderne Technologie verändert. Es ist sicher manchmal  schwierig, ein Kind davon zu überzeugen nicht im Zimmer zu sitzen und auf das Smartphone zu starren, sondern raus in den Wald zu gehen und ein Baumhaus zu bauen, wenn das denn überhaupt noch gestattet ist …

Was macht die Geschichte von Tom und Huck für unsere heutige Zeit relevant?

Victoria Hauer: Es ist und bleibt wichtig, ein Kind ernst zu nehmen und ihm Liebe und Glauben zu schenken. Ein Kind, das sich fürchten muss nach Hause zu gehen, egal, ob der Grund dafür eine zerbrochene Fensterscheibe oder ein versoffener Vater ist, ist ein schrecklicher Missbrauch. Ich finde es wichtig, beides zu zeigen. Außerdem sind Themenbereiche wie Zusammenhalt und Freundschaft, aber auch das Überwinden von Ängsten und Eifersucht, die bei unserem Trio eine große Rolle spielen, immer aktuell.

Stefan Rosenthal: Ich hoffe, wir erwecken in den Kindern das Gefühl für Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft und Vertrauen. Kurz Freundschaft. Nicht andere ausgrenzen, sondern mit anderen glücklich sein, Spaß haben. Das ist doch viel schöner!

Das Stück ist für Kinder ab sechs Jahren. Was zeichnet diese Altersgruppe als Publikum aus?

Stefan Rosenthal: Ich liebe es für Kinder zu spielen. Sie sind so schön ehrlich und direkt. Es ist einfach super, wenn sie richtig mitfiebern und es sie nicht mehr auf den Sitzen hält.

Zu den Personen:

Foto: Maria Traar

Victoria Hauer: Die 24-Jährige ist in Wien aufgewachsen. Vor der Matura bricht sie die Schule ab, absolviert die Schauspielschule Krauss und wird von dort direkt ans Theater der Jugend ­engagiert. Ihr Ziel: Fernsehen, Kino, Theater. 

Foto: Barbara Wirl

Stefan Rosenthal: Wurde in Berlin geboren, lebt in Wien und gehört zum Ensemble des Theater der Jugend. Für die Rolle des Sam McQueen in „Wie man unsterblich wird“ von Sally Nicholls wurde ihm 2013 der Nestroypreis als bester Nachwuchsschauspieler verliehen.

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