Royales Borstenvieh
Was tun, wenn sich der Verlobte als rosa Rüsseltier entpuppt? Flora findet allmählich Gefallen am animalischen Gespons. Mit Witz, Mut, Magie und Liebe steuert die Opernstudio-Produktion „Das verzauberte Schwein“ rasant dem Glück entgegen.

Foto: Marco Sommer
Zwischen Studium und Beruf – wenn man also schon viel kann, aber für den Künstleralltag noch das letzte Rüstzeug braucht – ist das Opernstudio der Volksoper Wien angesiedelt. Zwei Jahre lang haben sieben Sänger*innen und ein Pianist hier die einmalige Chance, eine rege kollektive Auseinandersetzung mit Musiktheater zu erleben und sich anhand von Coachings, Meisterkursen, Schauspiel-, Tanz- und Sprachunterricht sowie praxisorientierten Workshops auf die Herausforderungen ihrer Profession vorzubereiten. Zudem treten sie in Stücken der Volksoper auf und bringen einmal jährlich eine eigene Produktion heraus.
Die aktuellen Talente des Opernstudios proben gerade für Jonathan Doves magisches Märchen „Das verzauberte Schwein“, das Anfang Mai Premiere feiern wird. Der Inhalt in aller Kürze: Als König Hildebrand auszieht, um sein Reich zu verteidigen, bleiben seine drei Töchter zurück. Hinter der Tür eines ihnen eigentlich verbotenen Zimmers entdecken sie das Buch des Schicksals. Zwei Schwestern prophezeit das Buch die ersehnten Prinzen, der jüngsten, Flora, hingegen die Ehe mit einem Schwein. Anfänglich ein Schock, freundet sie sich langsam mit dem grunzenden und schlammaffinen Vieh an. Selbstbewusst und tapfer macht sich die Prinzessin auf die Reise um die Welt und scheut keine Gefahr, um ihren Liebsten, der natürlich in Wahrheit ein Prinz ist, von seinem Fluch zu erlösen.
Mezzosopran Hannah Fheodoroff schlüpft in die Rolle der kühnen Flora, Bassbariton Smelo Mahlangu gibt das blaublütige Schwein. Regie bei diesem ebenso lustigen wie poetischen Singspiel für Kinder ab sechs Jahren führt der Leiter des Opernstudios, Maurice Lenhard.

Foto: Marco Sommer
Cooles Schwein
„Am Anfang hatte ich Angst, dass es sich beim Schwein um ein brachiales Tier handeln könnte, das rücksichtslos für großes Durcheinander sorgen würde. In England, wo ich das Stück bereits gesehen habe, wurde es als komische Figur dargestellt. Aber Maurice Lenhard porträtiert es viel sanfter. Das Schwein ist ein ganz normaler Typ, der Flora gegenüber schüchtern auftritt, die sich als Ehemann natürlich etwas anderes erwartet hätte. Aber hinter der Maske blitzt auch vor seiner Verwandlung bereits Prince Charming hervor. Vielleicht ist er als Schwein nicht ganz so elegant, aber ziemlich cool“, erklärt Smelo Mahlangu mit viel Humor seine Rolle.
„Auch Flora ist zu Beginn nicht selbstsicher, sondern eher scheu und zurückhaltend“, gibt Hannah Fheodoroff Einblick in die Psychologie ihrer Figur. „Erst im Verlauf des Stücks, nachdem sie den ersten Schock überwunden hat und bereit ist, um und für das Schwein zu kämpfen, entwickelt sie sich zur selbstbewussten Frau, die auf ihr Herz hört und zu ihren Entscheidungen steht.“

Foto: Marco Sommer
Klagenfurt meets Kapstadt
Die Proben gingen, so betonen beide, zügig voran und machten vor allem Spaß, was möglicherweise auch an der juvenilen Energie liege. Denn, inklusive des Dirigenten, bei dieser Produktion ist kaum jemand über dreißig. „Wir kennen einander im Opernstudio nun seit einem halben Jahr, und die Gruppe ist sehr harmonisch“, so Hannah Fheodoroff. „Das macht viel aus, weil wir einander vertrauen und uns deshalb auch etwas trauen. Jeder bringt Ideen ein, und Maurice Lenhard kann diese auch annehmen.“
Smelo Mahlangu wuchs im südafrikanischen Kapstadt auf, wo, wie er sagt, Oper etwas ziemlich Elitäres gewesen sei. „Aber ich habe im Schulchor und vor allem in der Kirche gesungen, sodass ich früh mit klassischer Musik in Berührung kam. Für mich war meine Entwicklung etwas ganz Natürliches. Hätte ich Popmusik singen müssen, weiß ich nicht, ob ich Sänger geworden wäre.“ An etwaige Jobalternativen habe er nicht allzu viel Energie verschwendet. „Ich habe eine Woche lang Jus studiert“, sagt er und lacht. „Aber nur aus Respekt vor meiner Familie, denn mein Plan B, die Musik, war schon längst Plan A geworden. Ich wusste, dass ich ohne Musik nicht glücklich werden könnte.“
Selbiges gilt auch für Hannah Fheodoroff. Aufgewachsen in Klagenfurt, entstammt sie einem Musikerhaushalt, spielte Klavier und Hackbrett, kam aber erst mit sechzehn Jahren zum Sologesang. „Ich hatte eine tolle Lehrerin, die mein Talent erkannt und gefördert hat. Das hat sich langsam entwickelt, ich dachte lange gar nicht, dass ich Opernsängerin werden könnte.“
Was empfinden die beiden, wenn sie vor Publikum singen? „Ich fühle mich wie im Himmel“, schwärmt Smelo Mahlangu. „Die Bühne ist mein ‚happy place‘, selbst wenn niemand applaudieren würde, wüsste ich, dass ich exakt das mache, was ich liebe. Und dass ich es auch morgen und übermorgen machen kann. Das macht mich richtig glücklich.“ Hannah Fheodoroff findet, dass es nicht nur darum geht, fürs Publikum zu singen, sondern dass ihr der Beruf auch viel zurückgibt. „Weil ich durch das Singen auch als Mensch derart gewachsen bin. Ich habe Selbstbewusstsein gewonnen und bin mit mir ins Reine gekommen. Jede Erfahrung, jede Rolle, formt einen. Dazu kommt das gemeinsame Entwickeln, denn man arbeitet als Sängerin immer im Team.“
Wiewohl noch in ihren Zwanzigern, fühlen sich beide nicht nur an der Volksoper, sondern auch in Wien angekommen. „Ich lebe schon länger hier und genieße die Stadt sehr. Vom kulturellen Angebot bis hin zur Natur, die ich als Kärntnerin zu brauchen scheine“, so Hannah Fheodoroff. „Wien ist wirklich schön, und ich freue mich schon auf den Sommer“, ergänzt Smelo Mahlangu. „Ich liebe die Küche hier und könnte den ganzen Tag essen.“ Was ihm nach drei Jahren in London kaum zu verdenken ist.