BÜHNE: Was fandest du an Laura Naumanns Text besonders reizvoll? Was hat dich am meisten überrascht?

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Paul Spittler: Lauras Text ist auf vielen Ebenen reizvoll – die Textstruktur, sein Inhalt, Lauras Sprache … Am meisten überrascht hat mich beim ersten Lesen wahrscheinlich, wie sympathisch mir die grundlegende Stückidee war, Männer einfach abzuschaffen. Und wie gut es Laura dann schaffte, mich aufs Glatteis zu führen – weil die fünf Frauen* des Stücks eben nicht nur hehre Ziele haben und sie auch auf fragwürdige Weise verfolgen – sich also teils auch unsympathisch machen, so gar nicht PC sind. Sondern weil sie viel komplexer sind. Weil sie Angst haben, stur sind, verletzt wurden, Hoffnungen verloren haben und sich neue Hoffnungen machen müssen. Und wie undidaktisch am Ende eine gesamtgesellschaftliche Utopie in den (Theater)Raum gestellt wird – die alle Menschen mitdenkt. Das ist eine schöne Überraschung.

Wie würdest Du deine Herangehensweise an den Text beschreiben? Gibt es einzelne Aspekte, die Du besonders betonen möchtest?

Lauras Text gibt einen wunderbaren Rhythmus und eine gewisse Poppigkeit vor. Und natürlich einen feministischen Anspruch. Entsprechend musikalisch, bunt und agitativ sind wir an die Umsetzung herangegangen. Wir binden einerseits musikalische, (mehr oder weniger) einschlägige pop-feministische Zitate in die Handlung ein und schlagen optisch einen Bogen von „weiblicher” Mode durch die Jahrhunderte. Uns war die Komplexität der Beleuchtung der Geschichte von Frauen* durch die Jahrzehnte, Jahrhunderte, Jahrtausende in Lauras Text besonders wichtig. Klar zu machen, dass der Kampf gegen das Patriarchat bereits ewig dauert. Aber wir wollen auch zeigen, dass Befreiungsschläge ja bereits geschehen.

Vorabfoto zu „Mit freundlichen Grüßen eure Pandora" im Kosmos Theater.

Foto: Bettina Isabella Zehetner

Gebrauchsanweisung zur Abschaffung des Patriarchats

Geht das Publikum nach der Aufführung mit einer Gebrauchsanweisung zur Abschaffung des Patriarchats nach Hause?

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Schön wär’s! Wenn irgendwer zufällig so eine Gebrauchsanweisung in der Schublade hat – her damit!

Letztendlich sollte das Streben nach Gleichberechtigung eine gemeinsame Anstrengung von Frauen und Männern sein. Wie könnte es gelingen, die Idee des gemeinsamen Weges noch stärker zu verankern?

Ich frage mich wirklich immer wieder, wo diese Angst des weißen, heterosexuellen Cis-Mannes vor der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herkommt. Diese Verlustangst, die Scham, der Minderwertigkeitskomplex – im Grunde doch alles behebbare Makel. Ich bin selber weiß und Penisträger und ich kann nur empfehlen, häufiger mal die Klappe zu halten, wenn ein*e Gegenüber spricht, die*der nicht zu dieser Gruppe gehört. Und zuzuhören. Dann stellt sich die oben gestellte Frage gar nicht. Mindblowing! Im Ernst.

Theater für's Theater ist langweilig. Theater ist Lust und aktive Politik. Es strahlt aus der Gesellschaft in sie hinein."

Paul Spittler

Wie sieht es Deiner Meinung nach mit gelebter Gleichberechtigung am Theater aus?

Ich habe das Glück, an tollen Theatern zu arbeiten. Wie zum Beispiel jetzt am Kosmos Theater. Oder als nächstes am Schauspiel Dortmund. Wo Gleichberechtigung auf vielen Ebenen gelebt wird. Aber ich weiß, dass es an zu vielen Häusern noch viel zu viele Missstände gibt – da liegt noch ein längerer Weg vor uns.

Gemeinsames Entwickeln und Ergründen

Was ist Dir in der gemeinsamen Arbeit an einer Inszenierung besonders wichtig?

Ich lege großen Wert auf eine konsensbasierte, diversitäre und empowernde, gleichberechtigte Atmosphäre innerhalb meiner Produktionsteams. Spaß soll es allen machen. Gemeinsames Entwickeln und Ergründen sind die Grundlage für meine inszenatorische Arbeit. Theater für's Theater ist langweilig. Theater ist Lust und aktive Politik. Es strahlt aus der Gesellschaft in sie hinein.

Wie geht es bei Dir weiter? Welche Projekte kommen in nächster Zeit auf Dich zu?

Am Schauspiel Dortmund habe ich am 10. März mit „Die Tonight, Live Forever oder Das Prinzip Nosferatu" von Sivan Ben Yishai Premiere. Einem Text, in dem es um modernen Vampirismus geht: Was saugt uns aus, was macht uns (un)tot, wie können wir uns gegen selbstzerstörerische Prozesse wehren? In weiterer Folge bin ich dann im Frühjahr in meiner Heimatstadt Strausberg bei Berlin an „Effi Briest” dran – geiler Stoff, oft leider völlig unterschätzt. Und dann ist Sommer und ich mach erstmal Urlaub. Und verdaue das Patriarchat.

Foto: Bettina Isabella Zehetner

Zur Person: Paul Spittler

Paul Spittler wurde 1987 geboren und wuchs in Strausberg bei Berlin auf. Während und nach seinem Studium der Literatur-, Kultur- und Theaterwissenschaft in Dresden und Wien assistierte er u.a. am Staatsschauspiel Dresden, dem Burgtheater Wien, dem brut Wien und als fester Regieassistent am Volkstheater Wien. Seit 2018 ist er freier Regisseur.

Zu den Aufführungsterminen von „Mit freundlichen Grüßen eure Pandora"