„Kreationen“: Dance Goodbye
Die letzte Premiere des Wiener Staatsballetts unter Direktor Martin Schläpfer findet in der Volksoper statt. Ein Abend in drei Teilen. Allesamt Uraufführungen. Mit programmatischem Titel: „Kreationen“.

Foto: Florian Moshammer
Starker Abgang. Als Choreograf hat sich Martin Schläpfer bereits im April mit der gefeierten Kreation „Pathétique“ von seinem Publikum verabschiedet. Für Schnellentschlossene: in dieser Spielzeit noch bis 10. Juni in der Wiener Staatsoper zu sehen. Seine Tätigkeit als Direktor des Wiener Staatsballetts schließt er nun in der Volksoper ab. Noch einmal sind bei dieser Premiere beide Teile der Kompanie des Wiener Staatsballetts zu sehen.
Dass sich Martin Schläpfer mit einem der für seine Ära stilprägenden Triple- Abende zurückzieht und dabei Tanzschaffende der jüngeren Generation in den Fokus rückt, verwundert Ballettbeobachter kaum. Einen „Lasso-Wurf in die Zukunft der so lebendigen Tanzkunst“ nennt das Wiener Staatsballett diese Produktion, deren schlichter Werkname „Kreationen“ richtungsweisend ist.
Mit diesen Uraufführungen geben die Choreograf *innen Alessandra Corti, Louis Stiens und Martin Chaix zugleich auch ihre Wien-Debüts, wobei sich der musikalische Bogen von Max Bruch über Michael Gordon bis hin zu einer Weltpremiere der zeitgenössischen Komponistin Lisa Streich erstreckt.
Luftig, humorvoll, verstörend
Den Anfang macht die in Deutschland lebende Italienerin Alessandra Corti, die sich in ihrer mehr als 20-jährigen Karriere sowohl als Tänzerin als auch als Choreografin einen Namen gemacht hat. Ausgebildet an der Turiner Ballettakademie, arbeitete sie mit renommierten Choreograf*innen wie Sharon Eyal, Guy Weizman, Roni Haver, Ann Van den Broek oder Rosalba Torres zusammen und kreierte selber in der freien Szene und für Ensembles wie tanzmainz.
„Aerea“ – der Titel verweist bereits auf das Ungreifbare und Luftige – nennt sie ihre Arbeit, in der sie sich mit dem ewigen Thema menschlicher Identität beschäftigt. Die musikalische Basis dafür liefert Michael Gordons ebenso humorvoller wie verstörender Blick auf einen Klassiker: „Rewriting Beethoven’s Seventh Symphony“.

Foto: Andreas Jetter
Göttlich, alltäglich, ironisch
Die zweite Tanzschöpfung des Abends trägt den substanziellen Titel „High“ und stammt vom Münchner Choreografen Louis Stiens. Dieser war – an der Heinz- Bosl-Stiftung München und der John Cranko Schule Stuttgart zum Tänzer ausgebildet – elf Jahre lang Mitglied des Stuttgarter Balletts, für das er auch seine ersten Arbeiten schuf. Als Inspiration für die aktuelle Kreation diente ihm der Gedanke an einen überwältigenden Blick in den frühmorgendlichen Sommerhimmel nach einer durchfeierten Nacht. Das nicht enden wollende Fest symbolisiert in seiner Polarität von „High“ und „Low“ sowie Göttlichem und Alltäglichem unser gegenwärtiges Leben und erlaubt einen ironischen Blick auf das Kontinuum.
Die zeitgenössische schwedische Komponistin Lisa Streich liefert Louis Stiens den aufregenden Soundtrack – eine Partitur für großes Orchester – dazu.
„Für mich war es immer ein Traum, für Tanz zu schreiben – eine Kunst, in der sich Körper und Musik im besten Fall umarmen oder sogar lieben“, äußerte sich die mit zahlreichen internationalen Preisen und Stipendien bedachte Tondichterin zu ihrem ersten Werk für Tanz.

Foto: Lorenzo Galdeman
Wo, woher, wohin
„Ein kraftvoller Beleg der menschlichen Lebenslust“ – so wird Max Bruchs spätromantisches 1.Violinkonzert beschrieben, das dem Choreografen Martin Chaix als Grundlage für seine Arbeit „MtoM“, die er als räumlichen und körperlichen Ausdruck gesellschaftlicher Impulse begreift, dient: eine tänzerische Bestandsaufnahme des Daseins, die Fragen wie „Woher kommen wir?“,„Wo stehen wir?“, „Wohin gehen wir?“ aufwirft.
Der gebürtige Franzose machte vom Ballet de l’Opéra de Paris über das Leipziger Ballett bis hin zum Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg als Tänzer Karriere, die von einem breiten Spektrum unterschiedlicher Stile und Handschriften geprägt war, konnte sich aber auch von Anfang an als Choreograf etablieren. Neben seinen tänzerischen Projekten dreht er Kurzfilme und fotografiert.
Ein spannend-diverses Tanzerlebnis dürfte also vorprogrammiert sein.

Foto: Emil Zander