Im Alter von etwa zehn Jahren fragte Ernest Allan Hausmann seine Mutter zum ersten Mal, was er denn dafür tun müsse, Schauspieler zu werden. „Sie hat mir damals eine ziemlich gute Antwort gegeben“, erinnert sich der mittlerweile 54-Jährige schmunzelnd. Diese lautete: „Du musst sehr viel verstehen im Leben.“ Ob sich das in der Zeit, die seither vergangen ist, bewahrheitet hat? „Sehr oft“, antwortet Hausmann ohne jeden Anflug eines Zögerns. Wir treffen den gebürtigen Hamburger, dessen ebenso ein- dringlichem wie offenem Blick man sich kaum entziehen kann, in der Kantine des Burgtheaters. Bevor es mit dem Theater losging, verstand der Teenager mit Schauspielambitionen aber erst einmal, seinen Körper zu Hip-Hop-Beats zu bewegen.

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„Breakdance hat mich damals aus der kompletten Verblödung und Langeweile gerettet“, resümiert er lachend. Ein Freund und späterer Kollege erzählte ihm schließlich, dass das Thalia Theater für ein Stück noch einen Schauspieler suche. „Einen Schwarzen Schauspieler“, fügt Hausmann hinzu. Damals zeichnete sich bereits ab, was später darin gipfeln würde, dass ihm die Rolle des Gbatokai, eines Afrikaners in Thomas Vinterbergs „Das Fest“, insgesamt dreimal angeboten wurde.

Gerade am Anfang meiner Karriere wurde mir oft die Frage gestellt, was ich denn spielen wolle. Es gebe ja keine Rollen für Schwarze Schauspieler*innen.

Ernest Allen Hausmann

„Beim dritten Mal habe ich höflich abgelehnt und das Theater gebeten, mich wieder anzurufen, wenn es eine andere Rolle für mich gibt“, erzählt Hausmann und nimmt einen Schluck von seinem Soda Zitron. Nach einer kurzen Pause ist er wieder auf den Spuren seiner ersten Theaterjahre unterwegs: „Nach der kleinen Rolle am Thalia Theater habe ich mich fürs Vorsprechen an Schauspielschulen vorbereitet und meinen Lebensunterhalt mit Kochen, meiner zweiten großen Leidenschaft, verdient. Als eine Einladung des Kölner Schauspielhauses für ein Vorsprechen kam, bin ich quasi direkt aus der Küche nach Köln gefahren. Es ging damals um eine Inszenierung von Werner Schroeter.“ Er bekam die Rolle und mit Schroeter gleich einen wichtigen Mentor obendrauf.

Ernest Allan Hausmann
Offene Türen. Ernest Allan Hausmann, der vor seinem Engagement fast 30 Jahre als freier Schauspieler gearbeitet hat, spricht sich immer wieder dafür aus, dass die Ensembles allen Menschen, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe und Sexualität, offenstehen sollten.

Foto: Marko Mestrovic

Offene, diverse Ensembles

Nach fast 30 Jahren als freier Schauspieler, nicht nur am Theater, sondern auch in vielen Film-und Fernsehproduktionen, ist das Burgtheater Ernest Allan Hausmanns erste Station als festes Ensemblemitglied. „Gerade am Anfang meiner Karriere wurde mir oft die Frage gestellt, was ich denn
spielen wolle. Es gebe ja keine Rollen für Schwarze Schauspieler*innen. Was natürlich kompletter Schwachsinn ist“, so Hausmann. Umso wichtiger findet er, dass die Theater ihre Türen aufmachen und daran arbeiten, die gesamte Gesellschaft in ihren Ensembles abzubilden.

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„Als ich begonnen habe, gab es viele junge Menschen, die sich gar nicht erst an Schauspielschulen beworben haben, weil sie immer wieder damit konfrontiert wurden, dass es für sie ohnehin keine Rollen gebe. Diese Menschen fehlen jetzt“ analysiert der Schauspieler. Aber auch die Aussage, dass „man einfach keine*n Schwarze*n Schauspieler*in für ein Stück gefunden hat“, dürfe man auf keinen Fall mehr durchgehen lassen, fügt er rasch hinzu. „Es gibt sie – und die Ensembles sollten ihnen genauso offenstehen wie allen anderen.“ Ein Stück, das sich auf sehr einprägsame Weise wie auch auf mehreren Ebenen mit den Themen Repräsentation, Sichtbarkeit und Diskriminierung beschäftigt, ist Robert Ickes „Die Ärztin“, eine (sehr freie) Bearbeitung des Schnitzler-Stücks „Professor Bernhardi“. Ernest Allan Hausmann spielt darin den Weißen
Arzt Brian Cyprian. Mit Ausnahme der titelgebenden Figur ist es in dieser Inszenierung bei allen Rollen so, dass Schwarze Schauspieler*innen als Weiß beschriebene Charaktere spielen – und umgekehrt.

Auf diese Weise werden Sehgewohnheiten aufgebrochen, man beginnt, über internalisierte Denk- und Handlungsmuster nachzudenken, erklärt Hausmann mit der für ihn typischen Klarheit. Eine für ihn mit vielen Emotionen behaftete Erfahrung: „Die Premiere hat sich für mich fast wie ein Rausch angefühlt. Dazu hat aber auch das Stück selbst beigetragen, das einem im ersten Teil so viel Tempo abverlangt, dass man hin und wieder Angst hat, aus der Kurve zu fliegen.“ Dass ihm das aber eigentlich sehr gefallen hat, glaubt man ihm aufs Wort.

Hausmanns neue Hausaufgaben
Mit Nicholas Ofczarek in „Dämonen“ im Burgtheater.

Foto: Matthias Horn

Dostojewskis „Dämonen“

Ab 25. November steht Ernest Allan Hausmann in einer Theaterfassung von Dostojewskis „Dämonen“ auf der Bühne. Regie führt Johan Simons. Hausmann spielt den Ingenieur Alexej Kirillow, der zum revolutionären Kreis Pjotr Stepanowitsch Werchowenskijs gehört. „Er wird zum Gefangenen seiner eigenen Ideen“, bringt er seine Rolle auf den Punkt. Darin, dass in Dostojewskis Roman eine kleine Gruppe an Menschen in einem Hinterzimmer beschließt, was künftig für den Rest der Menschen gelten soll, erkennt er viele Parallelen zur Gegenwart.

Er wird zum Gefangenen seiner eigenen Ideen.

Ernest Allan Hausmann über seine Rolle in Dostojewskis „Dämonen“

„Heute sieht man diesen Allmachtsanspruch vor allem in Zusammenhang mit der Digitalisierung“, so der Schauspieler. Neuen Begegnungen, wie er sie momentan in der Probenarbeit im Burgtheater erlebt, steht Hausmann sehr offen gegenüber. „In der Zeit, die ich nun schon am Theater arbeite, habe ich zwar eine gewisse Sicherheit erlangt, aber mit dem Stoff selbst erlaube ich mir dennoch, sehr unsicher zu sein. Denn ich erfahre ja auch immer erst in der Arbeit, wohin die gemeinsame Reise geht.“ Aussagen wie diese zeigen: Auch wenn das eigene Leben zwischendurch kurz einmal kopfsteht, bleibt Ernest Allan Hausmann mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Ein bisschen wie beim Breakdance – nur dass sich anders als in seiner Jugend nun alles ums Theater dreht.

Zur Person: Ernest Allan Hausmann

1968 in Hamburg geboren, startete Ernest Allan Hausmann seine Schauspielkarriere am Thalia Theater. Nach Engagements an den Schauspielhäusern Köln und Düsseldorf spielte er 1993 in der deutschen Uraufführung von „Engel in Amerika“ am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Es folgten Engagements am Berliner Ensemble, am Deutschen Theater Berlin und am Schauspielhaus Zürich. Seit der Spielzeit 2022/23 gehört er zum Ensemble des Burgtheaters, wo er schon im Stück „Die Ärztin“ zu sehen war.

Zu den Spielterminen von „Dämonen“ im Burgtheater!