Ohne Trompeten, dafür mit unzählbar vielen Paukenschlägen, startete Martin Kušej im September 2019 in seine neue Aufgabe als Direktor des Wiener Burgtheaters. Die Rede ist natürlich von Ulrich Rasches wuchtiger Inszenierung des Stückes „Die Bakchen“, das vor etwa eineinhalb Jahren nicht nur eine neue Spielzeit, sondern gleichzeitig auch eine neue Episode in der Geschichte des Theaters einläutete. Wobei mit dem Verb „läuten“ hier definitiv ein falsches (Klang-)Bild gezeichnet wird, denn in dieser Inszenierung geht es um Töne, die ordentlich nachhallen. Also so richtig.

Anzeige
Anzeige

Wendung um 180 Grad

Die Bakchen ist das letzte Stück des griechischen Dramatikers Euripides und gleichzeitig auch sein düsterstes Werk. Zur Uraufführung kam es erst kurz nach seinem Tod. Die Handlung der Tragödie ist schnell zusammengefasst. Dionysos, Gott des Weines und des Rausches, kehrt in Menschengestalt nach Theben zurück, um eine Anhängerschaft um sich zu scharen, die von Wahnsinn und Wollust angetrieben werden.

Dionysos ist aber nicht nur der Gott der Sinnlichkeit und der Berauschung, sondern auch des Theaters. Auch dadurch ergibt sich eine zusätzliche, spannende Bedeutungsebene, die immer wieder mitschwingt. Wie Regisseur und Bühnenbildner Ulrich Rasche in der Videoreihe „Probeneinblicke“ des Burgtheaters erklärt, hat er für seine Inszenierung die Figur des Dionysos uminterpretiert. Zwar wird er auch in seiner Inszenierung als Verführer dargestellt, allerdings als Verführer der destruktivsten Sorte.

Maschinentheater

Auch der Chor – ein für die Arbeit Ulrich Rasches wesentliches Element – wird als destruktive Kraft ins Stück eingeführt. Und die Brutalität des antiken Stoffes dadurch als chorisches Erlebnis spürbar. Wie Rasche erklärt, „war die Gefahr des Mobs im Theater zu zeigen, eines der wichtigsten Anliegen dieser Inszenierung“. Unterstrichen wird das durch Ulrich Rasches wuchtige Bühnenmaschinerie. So wurden für diese Inszenierung sechs riesige Laufbänder auf der Bühne des Burgtheaters aufgebaut. Dionysos (Franz Pätzold) und sein Gegenspieler Pentheus (Felix Rech), der als säkularer Herrscher für die Kraft der Vernunft steht, bewegen sich auf den monströsen Bändern, ohne dabei auch nur einen Schritt vorwärts zu kommen. Sie treten buchstäblich auf der Stelle. Die Bezeichnung „Maschinentheater“, die häufig in einem Atemzug mit dem Namen des Regisseurs erwähnt wird, trifft auch bei dieser Inszenierung zu hundert Prozent zu.

Für seine Darstellung des Dionysos in Ulrich Rasches Inszenierung am Burgtheater, wurde Franz Pätzold mit dem Nestroy 2020 ausgezeichnet.

Foto: Andreas Pohlmann

Anzeige
Anzeige

Nestroypreis für Pätzold

Franz Pätzold wurde für seine Darstellung des Dionysos im vergangenen Jahr mit dem Nestroypreis ausgezeichnet. Seine charakterstarke Stimme konnte er bei dieser wort- und rhythmusgetriebenen Inszenierung gut einsetzen. Mit jedem Paukenschlag brüllt er in diesem Stück eine andere Silbe heraus, manche davon etwas gequälter als andere. Je nachdem, ob es im Rennen um die Macht gerade für die Vernunft oder für die Sinnlichkeit besser bestellt ist.

Die Bakchen im Fernsehen

Im Rahmen von „Wir spielen für Österreich" zeigt das Burgtheater in Kooperation mit ORF III am 23. April um 22:50 Ulrich Rasches aufwendiges Maschinentheater im Fernsehen. „Ich sehe die Aufzeichnung als eine Art Fenster, durch das das Publikum in den Theaterraum hineinschauen kann", erklärt der Regisseur anlässlich der Aufzeichnung.

Weiterlesen

Ein Stück in einer Minute: Die Bakchen

Probeneinblicke zu Die Bakchen auf der Seite des Burgtheaters