In Wien kann man kaum einen Stein werfen, ohne einen interessanten Menschen zum Krüppel zu machen“, sagte Mark Twain. Von 28. September 1897 bis 27. Mai 1899 lebte der amerikanische Autor, der eigentlich Samuel Langhorne Clemens hieß, in Wien. 

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Gustav Mahler war damals Opern­direktor, Bertha von Suttner hatte weni­ge Jahre zuvor „Die Waffen nieder!“ veröffentlicht, Sigmund Freud erforschte die menschliche Psyche, und Kaiser Franz Joseph regierte ein Weltreich.

Offiziell war Twain wegen seiner Tochter Clara nach Wien gekommen, die beim Wiener Klavierlehrer Theodor Leschetizky Unterricht nehmen wollte. Der wahre Grund freilich war ein anderer: Twain war pleite. In Europa und vor allem in Wien konnte er billiger leben und sich auch aufgrund seiner Prominenz leichter durch den Tag schnorren – und die Wiener Society empfing den berühmten Gast mit offenen Armen. Twain eine frühe Ausgabe von Richard Lugner? Der damals 25-jährige Karl Kraus kommentierte diesen Umstand im April 1899 in der „Fackel“ gewohnt sarkastisch: Mark Twain ist nach Wien geeilt und hat sich mutig und entschlossen in die Reihen derer gestellt, die ein ­Dasein „unter anderen“ führen.

Dokument aus dem Jahr 1952: Die Marionettenbühne des Kosmos-Theaters brachte den Klassiker „Die Abenteuer des Tom Sawyer“ als Puppenstück auf die Bühne – eine Hommage an den Besuch Mark Twains in Wien.

Foto: ÖNB/Wien

Mark Twain: „Stirring Times in Austria"

Mitsamt Familie lebte Twain zuerst im Hotel Métropole am Franz-Josefs-Kai, dann in Kaltenleutgeben, zuletzt im Hotel Krantz am Neuen Markt. Und das alles zu moderaten Preisen: So freute sich Mark Twain, dass er im Métropole sieben große Räume um nur 460 Dollar im Monat mieten konnte.

In seinem Essay „Stirring Times in Austria“ ist auch wunderbar erschreckend nachzu­lesen, wie der Autor eine Sitzung des Wiener Parlaments erlebte: Zuerst eskalierte die Sitzung, die insgesamt 33 (!) Stunden dauert, verbal. Dann wurden Messer gezückt, und letztendlich stürmten bewaffnete Polizisten das Parlament und trugen tobende Politiker in Richtung Gefängnis.

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Mark Twain notierte: Und so ging dieser Krieg der Beleidigungen über mehrere Stunden weiter, mit nie erlahmender Energie. Die Damen auf der Galerie lernten etwas dazu. Das war gut so, denn nach und nach werden Frauen in allen Regierungen der Welt vertreten sein.

Am 27. Mai 1899 verließ Mark Twain Wien und bestieg – begleitet vom Winken einer Menschenmenge – einen Zug am Franz-Josefs-Bahnhof. 

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