Wer sie zu sehr unter Druck setzt oder von ihr verlangt, auf Knopfdruck zu ­funktionieren, ist bei Regina Fritsch schnell abgemeldet. „Das hat sich dahin entwickelt, war aber tendenziell auch schon in meiner Schulzeit so“, erklärt die Schauspielerin, die wir an einem nebelverhangenen Nachmittag im Burgtheater treffen. „Ich erinnere mich zum Beispiel daran, dass wir in der Maturaklasse in Deutsch eine Interpretationsarbeit schreiben mussten und ich die Arbeit mit dem Vermerk, dass ich auf Knopfdruck keine Interpretationsarbeit schreiben will, wieder ­abgegeben habe.“ Sie sei damals eine Rebellin und ziemlich konfrontativ gewesen, fügt sie schmunzelnd hinzu. 

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Künstlerische Begegnungen auf Augenhöhe

Wenn Druck, egal welcher Art, den künstlerischen Prozess infiltriert, wird die gemeinsame Reise durch ein Stück schnell zur auf Effizienz getrimmten Pendelstrecke zwischen Probe und Premiere. Eine Herangehensweise, mit der sich die seit 1985 am Burgtheater engagierte Schauspielerin ganz und gar nicht identifizieren will. Regina Fritsch denkt deshalb gerne an ihre Rolle in Stefan Bachmanns Inszenierung des ­Stückes „Verbrennungen“ zurück, das 2007 am Burgtheater aufgeführt wurde.

Es hat ihr gezeigt, wie viel Potenzial in gemeinsamen künstlerischen Reisen stecken kann: „Ich weiß noch genau, dass ich damals zu Stefan Bachmann gesagt habe, dass das Stück aufgrund der allzu blumigen Sprache, des Umfangs und der aufwühlenden Thematik unspielbar sei. Und er meinte nur, dass es ihm damit genauso gehe und wir nun irgendetwas daraus machen müssten. So sind wir gemeinsam auf eine Reise gegangen, die vollkommen frei von Druck und Angst war, weil wir ohne Erwartung waren. Scheitern war Ausgangspunkt und nicht befürchtete Möglichkeit.“

In „Verbrennungen“ stand Regina Fritsch unter anderem mit Markus Hering auf der Bühne.

Foto: Reinhard Werner

Dieses gegenseitige Vertrauen, das künstlerische Begegnungen auf Augenhöhe erst möglich macht, prägte nicht nur ihre Arbeit mit Stefan Bachmann, sondern unter anderem auch jene mit Achim Benning und David Bösch. „Da gab es Inszenierungen, bei denen es mir teilweise sogar egal war, wie das Ergebnis wird, weil einfach die Arbeit so schön war“, erklärt Regina Fritsch in einem Tonfall, in dem Begeisterung und Klarheit die perfekte Synthese eingehen. Mit Antonio Latella, in dessen Inszenierung von „Bunbury“ die Schauspielerin hoffentlich bald wieder zu sehen ist, hat sie zum ersten Mal gearbeitet. „Wir sind mit ihm gemeinsam so richtig in Oscar Wildes Welt eingetaucht und haben unter der Oberfläche dieses Stückes sehr viel Schmerz und Dunkelheit gefunden.“

Innere Zerrissenheit 

Insgesamt ist es der Schauspielerin und Trägerin des Alma-Seidler-Rings heute oft wichtiger, mit wem sie an einer Inszenierung arbeitet, als das Stück selbst oder ihre Rolle darin. „Mir würde es nie einfallen zu sagen, dass ich mit jemandem nicht spielen will, aber es gibt natürlich Kollegen und Kolleginnen, bei denen die Sympathie einfach größer ist und es einen Gleichklang gibt. Mein Wunsch ist immer, dass ich das Herz meines Partners zu Gesicht bekomme und ihm hoffentlich auch meines schenken kann.“ Eine Herzensangelegenheit ist das Theater für die Schauspielerin also eindeutig. Trotzdem würde sie, wie sie schon mehrfach in Interviews betonte, ihr Leben nicht dafür hingeben. 

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Ich finde noch so vieles in der Welt interessant."

Regina Fritsch, Kammerschauspielerin

„Es ist ein Beruf, der wahnsinnig zehrend ist, der einen gefangen nimmt und sehr viel Disziplin und Konzentration erfordert. Viele andere Dinge werden unwichtig, weil man ständig den Kopf voll hat. Dabei finde ich noch so vieles in der Welt interessant.“ Was sie am Anfang ihrer Karriere gar nicht so sehr gestört hat, wurde später ein immer größerer Faktor, der sie auch immer wieder darüber nachdenken ließ, das Theaterspielen einfach bleiben zu lassen. Außerdem fehlen ihr, wie sie offen erklärt, das Haptische und Handwerkliche: „Ich bin mit beiden Beinen fest in der Erde verankert, aber mein Kopf ist auch sehr weit oben in den Wolken, und dazwischen zerreißt es mich immer. Diese Synthese zu schaffen, darum bemühe ich mich schon mein ganzes Leben.“ 

Bunbury Regina Fritsch
Mavie Hörbiger, Tim Werths, Nils Strunk und Regina Fritsch in „Bunbury“.

Foto: Susanne Hassler-Smith

Nicht gefällig werden

Was sie in solchen Momenten davon abgehalten hat, das Theaterspielen ganz aufzugeben? „Das regelmäßige Einkommen“, bringt sie es unverblümt auf den Punkt, während auf der anderen Seite des Babyelefanten, also bei der Interviewerin, das überromantisierte Bild der absoluten Aufopferung für die Kunst einen neuen, realitätsgetreueren Rahmen erhält. Gut so. Für die Zukunft des Theaters wünscht sich Regina Fritsch, „dass es niemals nach der Mode geht, wir nicht gefällig werden und die Kunst frei bleibt“. Dass Freiheit in diesem Zusammenhang auch bedeutet, nicht auf Knopfdruck funktionieren zu müssen, sollte an diesem Punkt wohl bereits klar sein. Wenn nicht, ist es der immer noch rebellischen Regina Fritsch bestimmt den ein oder anderen kritischen Vermerk wert.

Zur Person: Regina Fritsch

Regina Fritsch, 1964 in Niederösterreich geboren, absolvierte ihre Schauspielausbildung an der Schauspielschule Krauss in Wien. Die Kammerschauspielerin ist seit 1985 fixes Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters und seit 2015 auch Trägerin des Alma-Seidler Ringes, dem weiblichen Gegenstück zum Iffland-Ring. Neben ihrer Bühnentätigkeit wirkt Regina Fritsch in zahlreichen Kino- und Fernsehproduktionen mit. Sie erhielt für ihre Arbeit zahlreiche Auszeichnungen, u. a. 2008 den Nestroy-Theaterpreis in der Kategorie „Beste Schauspielerin“. Für das Theater wünscht sie sich, dass es unangepasst bleibt und nie nach der Mode geht. 

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