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(c) Johannes Kernmayer

Immoprojekt »Grünblick« in Wien

Bauwirtschaft
Immobilien
Wien

Direkt neben der U2-Strecke, zwischen den Stationen Stadion und Krieau, wächst gerade das 25-stöckige Wohnhochhaus Grünblick in die Höhe. Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen und befragen Auftraggeber und Auftragnehmer nach der Qualität der Zusammenarbeit. Ein Gespräch mit Architekt Christoph Zechner und Bauherr Walter Hammertinger.   

Titelbild: Architekt Christoph Zechner (links), Partner bei Zechner & Zechner, und Bauherr Walter Hammertinger, CDO der Value One Holding, haben in der Vergangenheit schon öfter zusammengearbeitet. Nun bauen sie gemeinsam das Wohnhochhaus Grünblick.

LIVING Den Wettbewerb für den Wohnturm Grünblick hat die Value One 2017 ausgeschrieben. Gewonnen hat der Entwurf des italienischen Architekten Mario Cucinella. Warum gerade sein Projekt?

Hammertinger Das war eine lange Diskussion damals. Ausschlaggebend war, dass die Nutzung sehr gut ablesbar war und dass das Gebäude schon auf den ersten Blick ein schönes, hochwertiges Wohnen mit einer fantastischen Aussicht kommuniziert hat.

Wie war das Qualitätsniveau des Wettbewerbs?

Hammertinger Das war ein geladener Wettbewerb, zu dem wir insgesamt zehn Büros eingeladen haben, österreichische wie auch internationale. Das Niveau der eingereichten Arbeiten war durchwegs sehr hoch.

Herr Zechner, Sie waren eines der zehn geladenen Büros, haben den Wettbewerb aber nicht gewonnen.

Zechner Das stimmt, schade! Wir haben mit der Value One schon öfter zusammengearbeitet. Hier im Viertel Zwei durften wir vor einigen Jahren bereits ein Hotel und den Wohnbau Stella Zwei realisieren. Ich glaube, wir haben ein wirklich klug durchgearbeitetes Projekt eingereicht, aber im Nachhinein kann ich gut nachvollziehen, dass der Entwurf von Cucinella gewonnen hat. Er hat eine schöne, stimmige Lösung vorgelegt.

Sie wurden daraufhin gebeten, als österreichischer Partner- und Ausführungsarchitekt einzuspringen und das Projekt bis zur Realisierung zu begleiten.

Hammertinger Da muss ich kurz ein-haken. Ich schätze Zechner & Zechner sehr, und es war zunächst schon mal keine leichte Aufgabe, euch, lieber Christoph, abzusagen. Und noch viel schwieriger war es dann für mich, dich anzurufen und dich zu fragen, ob du dir vorstellen kannst, hier als Ausführungsarchitekt mitzumachen.

Zechner Ja, das war schon ein eigenartiger Moment. Reine Ausführungsarchitektur ohne Entwurfsleistungen, das machen wir nicht oft und in der Regel auch nicht gerne. Dazu gibt es berufenere Büros, die einzig und allein auf das spezialisiert sind. Wir haben eh lange überlegt, ob wir das machen sollen oder nicht.

Hammertinger Ich hatte mir sehr gewünscht, dass ihr unsere Einladung annehmen werdet, aber ich war bis zuletzt skeptisch. Eigentlich hatte ich mit einer Absage gerechnet.

Zechner Und nun sitzen wir da, und das Ding ist in Bau.

Warum gerade Zechner & Zechner?

Hammertinger Gutes Büro, wunderbare Erfahrungen in der bisherigen Zusammenaarbeit, außerdem ist Zechner & Zechner für Großprojekte in dieser Maßstäblichkeit bestens gewappnet.

Zechner Danke schön! Und, nicht zu vergessen: Die Chemie passt einfach.

Wie genau haben Sie sich mit Cucinella die Arbeit aufgeteilt?

Zechner Eigentlich ganz klassisch, wie das in solchen Projektpartnerschaften gang und gäbe ist: Vorentwurf, Entwurf und Einreichung haben wir gemeinsam gemacht. Und danach haben wir das Projekt übernommen und die technische Detail- und Ausführungsplanung gemacht. Cucinella hatte bis zuletzt die künstlerische Oberleitung inne.

Der Auftragnehmer: Christoph Zechner hat seit vielen Jahren eine Expertise in Großprojekten. Beim 25-stöckigen Grünblick kooperiert Zechner & Zechner mit dem italienischen Studio Mario Cucinella und ist für die Detail- und Ausführungsplanung zuständig.

(c) Johannes Kernmayer

Der Auftraggeber: Die Value One hat das Viertel Zwei entwickelt. Grünblick ist nicht das erste Hochhaus in diesem Quartier, aber das grünste. Bauherr Walter Hammertinger hat sich für Bauökologie und nachhaltiges Materialmanagement stark gemacht.

(c) Johannes Kernmayer

Wie planen Sie? Wie kommunizieren Sie?

Zechner Rein sprachlich haben wir mit dem Büro Cucinella in Bologna teils auf Englisch und teils auf Deutsch kommuniziert. Was die Planungssprache betrifft, so ist der gesamte Planungsprozess als Closed-BIM-Modell aufgesetzt. Das heißt: Alle Architekt:innen, alle Fachplaner:innen, alle ausführenden Gewerke arbeiten in eine gemeinsame 3D-Datei hinein.

Hammertinger Eine Planung mittels BIM – also Building Information Modeling – war eine unserer Forderungen. Ein gut aufgesetzter Planungsprozess mit guten, langfristig verwend­baren Datensätzen ist ein digitaler Beitrag zur Nachhaltigkeit.

Ich würde mit Ihnen gerne etwas weiter in den Planungsprozess eintauchen. Jede Partnerschaft zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ist immer auch ein Geben und Nehmen. Wer von Ihnen beiden hat sich womit in den Planungsprozess eingebracht?

Zechner Das Erste, was mir einfällt: Die Value One ist ein Bauherr mit sehr klaren Wünschen und Vorstellungen, was die ökologische Nachhaltigkeit betrifft. Dazu zählen etwa Bauökologie, nachhaltiges Materialmanagement und Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen. Sehr hohe Qualitätsvorgaben gibt es auch in puncto Freiraumplanung. Das kenne ich von keinem anderen Auftraggeber.

Hammertinger Ja, wir haben konkrete Vorstellungen. Aber wir scheuen es dennoch nicht, in den Dialog zu treten und uns da und dort eines Besseren belehren zu lassen.

Wo beispielsweise wurden Sie eines Besseren belehrt?

Hammertinger Na ja, wir sind Projektentwickler, und als solche leben wir in einer Welt der Zahlen. Wenn wir von Optimierung sprechen, dann meinen wir damit meist eine ökonomische Optimierung. Und dann werden die verwertbaren Wohnungen größer, die nicht verwertbaren Gänge kleiner, und dann beginnt man, über Einsparungen zu sprechen. Sowohl Mario Cucinella als auch Zechner & Zechner waren gute Sparringspartner, die irgendwann einmal meinten: »Kritischer Punkt erreicht! Wenn wir jetzt noch weiter optimieren, dann ist das Projekt kaputt.«

Zechner War ja tatsächlich auch so!

Wie viel beträgt denn die Flächeneffizienz beim Grünblick?

Zechner Flächeneffizienz ist das Verhältnis der Bruttogeschoßfläche zur verwertbaren Nutzfläche, und diese beträgt beim Grünblick 0,73. Das ist viel, aber okay. Mehr darf es nicht sein.

Sind Sie mit dem Optimierungsmaß zufrieden?

Zechner Ich denke, wir haben die Kurve gekratzt, der Grünblick hat sich seine wunderbaren Qualitäten und USPs, die er hat, absolut erhalten können. Dazu zählen beispielsweise auch die großen, zweigeschoßig verglasten Panorama-Ecken.

Hammertinger Die sind definitiv nicht billig, aber es war von Anfang an klar, dass diese Elemente erhalten bleiben müssen. Sie verleihen dem 25-stöckigen Grünblick eine unglaubliche Leichtigkeit und Transparenz.

Eine Projektpartnerschaft, die so viele Jahre dauert, besteht nicht nur aus Friede, Freude, Eierkuchen. Wo gab es Diversitäten oder Missverständnisse?

Zechner Als wir die ersten Projekte für die Value One gemacht haben, war das Unternehmen noch kleiner, die Planungsprozesse noch näher an der Geschäftsführung. Ich kann mich erinnern, dass du, Walter, damals noch mehr oder weniger bei jeder Planungsbesprechung dabei warst. Das ist heute anders. Beim Grünblick hatten wir das konkrete Pech, dass es auf eurer Seite schon drei unter­schiedliche Projektleiter:innen gab. Das macht die Kommunikation nicht gerade leichter.

Was war sonst noch schwierig?

Hammertinger Wenn man mit zwei so starken Büros und Persönlichkeiten zusammen­arbeitet wie Mario Cucinella und Zechner & Zechner, dann muss man manchmal diplomatisch sein. Gerade in der Übergangsphase – bei Übergabe des Projekts von einem Büro ans andere – mussten wir als Bauherr immer wieder moderierend eingreifen.

Hat es zwischen Ihnen beiden irgendwann einmal gekracht?

Zechner Eigentlich nie, oder?

Hammertinger Nein, ich glaube, wir sind ein gut eingespieltes Team.

Zechner Ich denke, hier arbeiten zwei professionelle Teams miteinander. Wir sind in der Lage, auch schwierige Entscheidungen in schwierigen Zeiten gut, konstruktiv und stets wertschätzend zu diskutieren.

Weil Sie die schwierigen Zeiten ansprechen: Der Grünblick war ja nie als Einzelprojekt geplant, sondern immer Teil einer Hochhaus Doppelpartnerschaft. Der Grünblick ist bereits in Bau, doch was ist mit dem Büroturm Weitblick?

Zechner Beide Türme hat Mario Cucinella gewonnen, und für beide Türme sind auch wir als Zechner & Zechner zuständig. Im Untergrund haben wir bereits alle wichtigen Vorkehrungen getroffen, was etwa Fundament, Erschließung, Tiefgarage und auch die energe­tische Versorgung des zweiten Hochhauses betrifft.

Hammertinger Aber nachdem der Büromarkt eingebrochen ist und sich die Krisen in Europa geradezu überlagern, ist das Projekt derzeit on hold. Ohne wirtschaftlichen Partner an der Seite sind wir als Value One derzeit nicht imstande, das Projekt zu realisieren. In ein paar Jahren wissen wir mehr.

Ich würde mit Ihnen gerne noch über Zahlen sprechen. Wieviel beträgt das Investitions­volumen für den Grünblick?

Hammertinger 200 Millionen Euro.

Wie weit ist das Projekt derzeit?

Zechner Der Rohbau ist gerade im 16. Stock. Im November werden wir den 25. Stock erreicht haben und feiern dann Dachgleiche.

Hammertinger Die Fertigstellung ist für Juli 2025 geplant. Im September werden wir die Wohnungen dann an die Eigentümer:innen übergeben können.

Wie ist der aktuelle Verwertungsstand?

Hammertinger Wir haben insgesamt 340 Wohnungen, und davon konnten wir bereits 212 Wohnungen verkaufen. Das sind fast zwei Drittel.

Gibt es irgendwelche Tendenzen?

Hammertinger Die teuerste Wohnung um 16.000 Euro pro Quadratmeter ist schon lange weg, die billigste um 6.000 Euro pro Quadratmeter ebenso, und auch alles andere dazwischen. Ein so guter Verkaufsstand zu diesem Zeitpunkt zeigt mir, dass wir gut gearbeitet haben.

Haben auch institutionelle Käufer zugeschlagen?

Hammertinger Nein, wir haben ab und zu mal ein Paket mit fünf oder sechs Wohnungen an einen Käufer auf einmal veräußert, aber ich bin sehr froh, dass wir einen generell geringen Anteil an Anlegerwohnungen haben. Der Eigennutzungsanteil beträgt an die 90 Prozent.

Herr Zechner, würden Sie sich eine Wohnung im Grünblick zulegen?

Zechner Ich brauche die Frage gar nicht im Konjunktiv zu beantworten. Meine Frau hat schon zugeschlagen. Eine Wohnung mit Blick Richtung Stadion.

Wie denn das?

Zechner Das Projekt hat ihr gut gefallen. Und die Lage im grünen Prater. Und natürlich auch der Wohnungsgrundriss. Das ist doch ein schönes Kompliment an den Ehemann!

Und Sie, Herr Hammertinger?

Hammertinger Ich würde gerne, aber ich darf nicht. Viel zu nah am Arbeitsplatz. Meine Frau hat von ihrem Vetorecht Gebrauch gemacht.

Kommen wir zum Abschluss: Welches Kompliment möchten Sie einander aussprechen?

Zechner Danke für eure gute, freundliche, ja fast schon freundschaftliche Gesprächsbasis!

Hammertinger Ich schätze deine unglaubliche Ruhe, die du an den Tag legst, auch in Krisenzeiten.

Welches konstruktive Feedback möchten Sie dem anderen auf den Weg mitgeben?

Hammertinger Bitte früher zu mir kommen, wenn’s was zu klären gibt!

Zechner Bitte weniger Projektleiter-Wechsel!

Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Die Value One ist für mich …

Zechner … einer der besten Auftraggeber, was das Zwischenmenschliche betrifft.

Zechner & Zechner ist für mich …

Hammertinger … eine Kombination aus Qualität, Menschlichkeit und Um­setzungsstärke.

Zu den Personen

Walter Hammertinger (44) studierte Bauingenieurwesen und Projektmanagement an der FH Technikum Kärnten und war zu Beginn in diversen Unternehmen als technischer Projektleiter tätig. Seit 2009 ist er bei der Value One (vormals IC Projektentwicklung GmbH), die sich u. a. mit der Entwicklung und Errichtung des Viertel Zwei beschäftigt. Seit 2011 ist er Gesellschafter, seit 2023 zudem Chief Development Officer der Value One Holding, zuständig für Entwicklung innerhalb der Unternehmensgruppe sowie für die Expansion von Milestone. value-one.com

Christoph Zechner (63) studierte Architektur an der TU Graz, u. a. bei Günther Domenig, und arbeitete zu Beginn in unterschiedlichen Architekturbüros in Graz und Düsseldorf. 1988 gründete er gemeinsam mit seinem Bruder Martin Zechner das Büro Zechner & Zechner Architekten mit Sitz in Wien. Zu den bisher realisierten Projekten zählen u. a. der Flughafen-Tower Wien-Schwechat, der Marina-Tower, die ÖBB-Konzernzentrale sowie eine ganze Reihe von Bahnhöfen für die ÖBB. zechner.com

 

Erschienen in
RESIDENCES 01/2024

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Wojciech Czaja
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