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WAS MACHT PAULA NAVONE EIGENTLICH?

Design-Piece
Design

Konventionen brechen, Kulturen verbinden, Kreativität neu denken. Die Design-Nomadin Paola Navone schließt seit über vier Jahrzehnten mühelos West und Ost kurz. Ein kleiner Einblick in ihr unverwechselbares Werk. 

In diesem Jahr feiert die Designerin Paola Navone einen halbrunden Geburtstag. Sie wird 75. Hat man es, so wie die Italienerin, die in Turin geboren wurde und dort auch Architektur studiert hat, geschafft, zu einer internationalen Design-Ikone zu werden, wird man ab diesem Alter als Grande Dame bezeichnet. Da schwingt zwar immer eine kleine despektierliche Note mit, aber im stillen Einverständnis geht eine Grande Dame über derartiges hinweg. Im Gegenzug müssen dafür die ganz großen Meilensteine einer Karriere aufgezählt werden. Bei Paola Navone zum Beispiel, dass sie bereits in den 1970er-Jahren zur legendären Designgruppe Studio Alchimia gehörte und später dann auch hautnah bei der Memphis-Bewegung dabei war. Navone zählte also zur italienischen und internationalen Design-Avantgarde und arbeitete u. a. mit Alessandro Mendini, Ettore Sottsass und Andrea Branzi zusammen. Das brachte ihr bereits 1983 den International Design Award ein, der ihr im japanischen Osaka verliehen wurde.

1980
Kante zeigen. Von der Kommode »Gadames« mit ihren verspiegelten Schubladen wurden nur wenige Stücke gefertigt. Zuletzt ging ein Exemplar um 6.000 Euro weg.

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2002
Frischer Fang. Navone liebt das Meer und Fische. In einer Karaffen- und Glasserie für Serax würdigt sie diese Liebe.
serax.com

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1995
Komfortabel
. Die legendäre Lounge-Chair-Serie »Otto« für Gervasoni kombiniert Walnussholz mit einer aus natürlichem Rohleder geflochtenen Rückenlehne und asiatischer Formensprache.

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2009
Versinken. Der Lounge Chair »Nuvola« überzeugt mit großzügigem Volumen und maximalem Komfort. gervasoni1882.com

 

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Kreative Kosmopolitin

Überhaupt sind Asien und Navone ein perfektes Match. Als Kosmopolitin pendelte sie zwischen den Kontinenten. Sie lebte lange (aber nicht nur) in Hongkong, tauchte in die Kulturen von Thailand, Indien und China ein. Mühelos schafft es Navone (fern)östliche und westliche Designreferenzen und Ideen zu verbinden. Das schätzen ihre Kund:innen, zu denen Topunternehmen wie Gervasoni, Driade und Baxter ebenso zählen wie der Leuchtenhersteller Lodes oder das belgische Label Serax. Aber auch Kritiker:innen lieben den verträumten, eklektischen Stil der kreativen Kosmopolitin. Navone selbst beschreibt sich dabei als eine Sammlerin von Eindrücken, Farben und Materialien. »Ich fühle mich als Nomadin. Meine unstillbare Neugier nach Menschen, Kulturen und Orten ist die Triebkraft meiner Kreativität. Das treibt mich dazu an, immer Neues auszuprobieren.« So ist im Laufe der Jahre eine beeindruckende Bandbreite an Output zustande gekommen, die von Möbeln und Wohnaccessoires über Inneneinrichtungen bis hin zu groß angelegten Architekturprojekten reicht. Leder, Metall und Holz finden dabei nicht selten zu beinahe schon skulpturalen Objekten zusammen. Und nicht minder selten reichen sich in Navones Entwürfen mediterrane Leichtigkeit und asiatische Sinnlichkeit die Hände. »Die Arbeit des Designers«, so sagte sie einmal, »besteht darin, aus dem, was uns umgibt, die Elemente auszuwählen, die miteinander in einen Dialog gebracht werden sollen.«

2010
Nicht auf Linie. Navone beherrscht auch das Spiel mit der Asymmetrie. Der Spiegel »Sweet 97 98« beweist es. architonic.com

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2011
Zottelmonster.
»Nepal« nennt sich dieser Stuhl. Dort kann es mitunter auch sehr frostig werden. Grund genug für Navone, dem Sessel ein Fell überzuziehen.
baxter.it

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Haltungsnoten

Heute führt Paola Navone diese Dialoge in dem von ihr gegründeten Studio OTTO in Mailand. Das multidisziplinäre Designbüro hat sich auf Innenarchitektur, Produktdesign, Styling und kreative Beratung spezialisiert. Gemeinsam mit ihrem Team, zu dem Cristina Pettenuzzo, Domenico Diego und Gian Paolo Venier gehören, entwickelt Navone nun Konzepte, die zwischen Tradition und Moderne oszillieren. Das können luxuriöse Hotel-Interiors ebenso sein wie Möbelkollektionen oder einzigartige handgefertigte Stücke für renommierte Marken. Wichtig ist dabei vor allem der Treueschwur auf die eigene humanistische Designphilosophie: »Design muss sich der Frage der Nachhaltigkeit und des gesellschaftlichen Wohlbefindens stellen. Heutzutage ist es wichtig für uns, dass wir uns in den Räumen, in denen wir leben, wohlfühlen. Es muss Spaß machen, gemeinsame Räume auf unkomplizierte Weise zu teilen, sodass jeder Mensch seinen Platz darin findet.« Gutes Design hat also immer auch mit Haltung zu tun. Die Grande Dame Paola Navone erinnert uns mit ihrer Arbeit daran. 

2017
West-östlicher Diwan. Navone weiß, wie gemütlich geht, und tritt mit de Sofa »Marrakech«, das auf einem massiven, handgesägten Rahmen aus Eichenholz steht, den Beweis an.
madeinlando.it

2025
Elegant abhängen. Die Hängeleuchte »Oblò« ist verspielt, dekorativ und zitiert sanft die maritime Welt der Nautik. Ein Rettungsanker für gutes Design via
lodes.com

Erschienen in
LIVING 02/2025

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Manfred Gram
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