Design unter 100 Euro: Wie der »Heima 4« von Francis Cayouette der skandinavischen Lichtkultur Tribut zollt
Kerzen erhellen die Dunkelheit, doch wahre Strahlkraft entfalten sie erst mit dem passenden Kerzenständer. Ein perfektes Beispiel dafür ist der »Heima 4« des frankokanadischen Designers Francis Cayouette, der damit die skandinavische Tradition des Lichts und Feuers meisterhaft würdigt.
Auf den ersten Blick sind Kerzenständer eine simple Angelegenheit und zunächst einmal ein Gegenstand, der dazu da ist, um eine oder mehrere Kerzen zu halten. Wichtigste Voraussetzung dabei ist Stabilität, niemand will eine Feuersbrunst riskieren und so die unangenehmen Seiten des Elements kennenlernen, das in kontrollierter Form, Energie als Licht bzw. Wärme an die Umgebung abgibt. In den dunklen Zeiten vor der Elektrizität sorgte ein Kerzenständer für helle Momente. Heute ist er allerdings mehr ein Dekorationsobjekt, das in Räumen für Atmosphäre und Stimmung sorgen soll. Spirituelle Komponenten inklusive, denn so ein Kerzenständer spielt in religiösen Kreisen eine zentrale Rolle. Das Licht der Kerze steht dann oft für das Göttliche, die Hoffnung, das ewige Leben oder auch die Vergänglichkeit des Daseins.
Aus der Mythologie
Auf den zweiten Blick ist so ein Kerzenständer also ein an Bedeutungen aufgeladenes Ding und semiotischer Träger von Symbolen und Werten. Der frankokanadische Designer Francis Cayouette berücksichtigte diese natürlich, als er für die dänische Marke Normann Copenhagen die Serie »Heima« kreierte, deren zentrales Stück der vierarmige Kerzenständer »Heima 4« ist. »Heima« bedeutet in Skandinavien übrigens so viel wie »zu Hause«, der Wortstamm kommt aber auch in der nordischen Mythologie nicht zu knapp vor, beschreibt dann aber eher Welten. Zum Beispiel in Alfheim, dem Reich der Lichtelfen, oder in Helheim, dem Reich der Toten, oder in Muspelheim, dem Reich des Feuers und des Chaos.
Cayouette spielt aber nicht nur mit Worten, sondern beherrscht auch das Spiel mit Form und Material. Sein stark reduzierter, minimalistischer Kerzenhalter wird in Handarbeit aus Gusseisen gefertigt. Eine Hommage an die Kunstgewerbebewegung der 1950er-Jahre in Skandinavien, die damals häufig mit Gusseisen arbeitete. Die Materialwahl entpuppt sich als perfekte Überlegung, denn die kalte, raue, gusseiserne Oberfläche verleiht dem Entwurf ordentlich Charakter und Kontur. Damit das nicht zu brachial wird, wurde an den Ecken und Kanten viel abgerundet und auf eine schlanke, zarte Linienführung gesetzt. Das sorgt für Modernität, aber auch dafür, dass sich der Kerzenständer nicht in den Vordergrund spielt und das Hauptaugenmerk auf das offene Feuer lenkt. Dass der »Heima 4« gerade deswegen erst so richtig präsent wird, darf getrost als gestalterisches Kunststück bewertet werden.
Über Cayouette
Geboren 1969 in Kanada studierte er Industriedesign an der University of Montreal sowie in Paris an Les Ateliers und ist Mitglied der Danish Designers Society. Sein Designansatz stellt stets die Bedürfnisse der Benutzer:innen in den Mittelpunkt, wobei er moderne Materialien und Technologien nutzt, um funktionale und benutzerfreundliche Produkte zu schaffen. 1999 gründete er in Kopenhagen sein eigenes Designstudio »Unit 10«. Dort entwirft er eine breite Palette von Produkten, von Wohnaccessoires bis hin zu cleveren Aufbewahrungssystemen und Lifestyle-Objekten. Seine Entwürfe verbinden eine starke Alltagsnähe mit einer pragmatischen, industriellen Designphilosophie.