Zum Inhalt springen
© Fahim Kassam / Bocci

Von der Leuchte zur Lichtskulptur

Licht
Design

Eine Lampe kann viel mehr sein als nur ein praktisches Accessoire. In der zeitgenössischen Einrichtung rückt sie ins Zentrum. Skulpturale Lampen zeichnen sich durch ungewöhnliche Formen, mutige Materialien und einen Auftritt aus, der fast museal wirkt. Wir zeigen spannende Klassiker und Neuinterpretationen.

Aktuell zeichnen sich mehrere Strömungen ab, die das Thema Licht neu definieren. Besonders beliebt ist die organische Eleganz: Designer:innen lassen sich von der Natur inspirieren und entwerfen amorphe Glasblasen, papierartige Schirme oder verästelte Strukturen, die wie gewachsene Gebilde wirken. Diese Leuchten verleihen selbst strengen Architekturen eine gewisse Weichheit und setzen poetische Kontrapunkte zu klaren Linien. Dem gegenüber steht die geometrische Klarheit. Kugeln, Quader oder ineinander verschachtelte Elemente werden hier zu architektonischen Statements, die Räumen eine grafische Strahlkraft geben. Solche Modelle betonen die Strenge der Form und spielen mit Reduktion, ohne dabei an Ausdruckskraft zu verlieren. Einen weiteren Trend markieren oversized Leuchten, die sich als zentrale Kunstobjekte inszenieren. Großformatige Pendelleuchten über dem Esstisch oder monumentale Stehlampen im Loft verwandeln Räume in kleine Bühnenbilder und wirken zugleich repräsentativ wie wohnlich. Schließlich gewinnen Material-Experimente an Bedeutung. Glas trifft auf Marmor, Metall auf Textil, mundgeblasenes Kristall auf ultraleichte LED-Strukturen. Hier entsteht ein Dialog zwischen Handwerk und Hightech, zwischen Tradition und Innovation – und Licht wird zur vielleicht spannendsten Skulptur des modernen Interieurs.

Ikonen und ihre Schöpfer

Isamu Noguchi – Akari Light Sculptures
Der japanisch-amerikanische Künstler Isamu Noguchi entwarf ab den 1950er-Jahren seine berühmten Akari Light Sculptures. Aus feinem Washi-Papier gefertigt und auf Bambusgestellen gespannt, sind sie von einer fast poetischen Leichtigkeit. Noguchi verstand Licht als »Skulptur der Atmosphäre« – seine Akari-Leuchten verbreiten ein sanftes, warmes Licht, das Räume in eine meditative Stimmung taucht. Bis heute gelten sie als Paradebeispiel dafür, wie Handwerkskunst und modernes Design verschmelzen können.

Ingo Maurer – Lucellino
Ingo Maurer, der als »Poet des Lichts« bezeichnet wurde, hat die Leuchtenwelt mit Humor und Fantasie bereichert. Seine berühmte Lucellino ist ein Paradebeispiel: eine Glühbirne mit kleinen Engelsflügeln aus Gänsefedern. Spielerisch, überraschend und dennoch funktional – so definierte Maurer Licht neu. Seine Arbeiten sind weniger Lampen als vielmehr Geschichten, die leuchten, und haben längst Kultstatus erreicht.

Michael Anastassiades – IC Lights
Der zypriotische Designer Michael Anastassiades ist bekannt für seine poetische Reduktion. Mit der IC Lights-Serie für Flos schuf er 2014 ein modernes Icon: eine leuchtende Glaskugel, die auf filigranen Metallstangen scheinbar im Balanceakt verharrt. Inspiriert von Jongleuren, die Kugeln auf den Armen rollen lassen, verbinden die Leuchten perfekte Geometrie mit schwebender Leichtigkeit – und sind heute in vielen Varianten vom Tisch- bis zur Stehleuchte erhältlich.

Poul Henningsen – Artichoke
Die Artichoke-Leuchte, die Poul Henningsen 1958 für Louis Poulsen entwarf, gilt als eines der Meisterwerke der Lichtgestaltung. Die Konstruktion aus 72 Metallblättern verteilt das Licht blendfrei und gleichmäßig – und erzeugt zugleich eine ikonische, skulpturale Form. Die Lampe, die an eine Artischocke erinnert, ist heute ein Designklassiker, der weltweit in Hotels, Restaurants und eleganten Interieurs eingesetzt wird.

Design-Highlights 2025

Bocci – 28 Series
Die 28 Series ist mehr als eine Leuchte – sie ist eine Installation. Jede Glaskugel wird mundgeblasen und trägt durch kleine Luftblasen und Unregelmäßigkeiten ihre eigene Handschrift. In Clustern arrangiert, entsteht ein schwebendes Geflecht aus Licht und Glas, das Räume dramatisch in Szene setzt. Bocci zeigt damit, wie nah sich Handwerkskunst und zeitgenössische Kunstinstallation sein können.

Moooi – Raimond II
Die niederländische Marke Moooi interpretiert mit Raimond II das Thema Sternenhimmel neu. Die kugelförmige Leuchte besteht aus einem Netz filigraner Edelstahlverbindungen, in das winzige LED-Lichter eingearbeitet sind. Im Raum wirkt sie wie ein leuchtendes Universum – technisch innovativ, gleichzeitig poetisch und unendlich faszinierend.

Apparatus Studio – Tassel
Das New Yorker Apparatus Studio ist bekannt für seine dramatischen Inszenierungen, und die Tassel-Kollektion bildet da keine Ausnahme. Lange, opulente Fransen hängen von einer schlichten Metallstruktur herab und verwandeln die Lampe in ein textiles Kunstwerk. Inspiriert von Mode, Theater und Glamour, setzt Tassel auf eine ungewöhnliche Mischung aus Strenge und Sinnlichkeit.

Petite Friture – Vertigo Nova
Die französische Designerin Constance Guisset schuf mit Vertigo bereits einen modernen Klassiker. Die Weiterentwicklung Vertigo Nova fügt dem ikonischen, schwebenden Ring aus Glasfaser und Metall nun ein diffuses LED-Licht hinzu. Die Leuchte wirkt leicht und fast tänzerisch, schwebt wie eine grafische Skulptur im Raum und fängt jede Bewegung der Luft auf – ein Spiel aus Schatten, Linien und Eleganz.

Redaktion
Mehr zum Thema
1 / 11