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Design-Piece unter 100 Euro: »Dish Doctor« von Marc Newson

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Marc Newson gelang Ende der 1990er-Jahre das Kunststück, ein Abtropfgestell für Geschirr zu einem Design-It-Piece zu machen. Der »Dish Doctor« verhilft seitdem Küchenspülen zu ihrem Studienabschluss – ohne Drop-out-Quote.   

Die Superstars unter den Stardesigner:innen zeichnen sich mitunter auch dadurch aus, dass sie keine Scheu kennen, auch profanen Dingen des Alltags ein neues Äußeres zu verpassen. Marc Newson, der am Anfang seiner Karriere ein lässiges Surfer-Image pflegte und sich mit jugendlichem Elan immer etwas anders dem Lösen brennender Designfragen näherte, ist so ein Mutiger. Man könnte auch sagen: Er schreckt vor nichts zurück. Rigoros geht er ans Werk, wenn er Alltagsgegenständen ein neues, nicht selten futuristisch-schräges Äußeres verpasst. Bestes Beispiel: der »Dish Doctor«.

Alltag goes Space

Hinter dem Namen verbirgt sich ein Abtropfgestell für Geschirr, das sich seinen akademischen Titel redlich verdient hat. Es misst kompakte 46 mal 39 Zentimeter und passt somit perfekt in kleine (studentische) Küchen, wo traditionell Platzmangel herrscht. Die mit Noppen versehenen Stifte halten Geschirr jeder Größe sicher, und zwei integrierte Besteckabtropfbehälter erleichtern das Wegräumen von Messer, Gabel, Tasse und Teller. Clever zweigeteilt konstruiert, lässt sich auch das gesammelte Wasser unproblematisch ausgießen. Spielerisch einfach und ziemlich funktional ist das alles. Aber nicht nur, denn der »Dish Doctor« wurde auch dazu entworfen, im leeren Zustand gut auszusehen. Dabei flirtet er ein bisschen heftig mit der Pop-Art.

Demokratisches Design

Aber warum denn auch nicht ein Ding entwerfen, das in der Student:innenbude genauso gut wirkt wie in einer super-cleanen Designküche oder im spartanisch eingerichteten Ferienhäuschen? Folglich avancierte das gute Stück Ende der 90er-Jahre zum It-Piece. Ähnlich der berühmten Saftpresse »Juicy Salif« von Philippe Starck. Waren am Anfang dieses Jahrzehnts alle ganz narrisch auf diese Zitruspresse, sorgte einige Jahre später Newsons Küchenutensil für Furore. Auch weil es interessante Assoziationen weckt. Manch eine:r fühlt sich beim Anblick des »Dish Doctor«, mit seinen kräftigen, leuchtenden Farben (Orange und Grün, Blau und Weiß) nämlich an Unterwasserwelten erinnert, an Korallen und Seesterne. Aber auch wer in der Küchenhilfe ein knallbuntes Kinderspielzeug oder ein schräges Brettspiel zu erkennen glaubt, liegt wohl nicht ganz falsch. Für Newson selbst ist diese Designarbeit, umgesetzt von Magis, vor allem aber eine Hommage an das bunte, optimistische italienische Design der 1960er-Jahre. Es ist (s)eine Verbeugung vor Designikonen wie Joe Colombo, Anna Castelli Ferrieri oder Ettore Sottsass.

Über den Designer

Marc Newson (60) zählt zu den einflussreichsten Industriedesigner:innen der Gegenwart. Seine Arbeit umfasst dabei ein breites Spektrum von Produktdesign über Möbel bis hin zu Luftfahrtinterieur und Luxusgütern. Dabei lässt er immer seine Vorliebe für fließende, organische Formen und futuristische Ästhetik durchschimmern. Im Laufe seiner Karriere hat Newson für zahlreiche namhafte Marken gearbeitet, darunter Louis Vuitton, Nike, Flos, Moroso oder Samsonite. Besonders bemerkenswert war seine Zusammenarbeit mit Apple, wo er unter der Ägide seines Freundes Jony Ive ab 2014 Teil des Designteams war. Aktuell lebt und arbeitet Newson hauptsächlich in London. marc-newson.com

Gesehen bei: connox.at, ambientedirect.com

»Dish Doctor«
Jahr: 1997
Design: Marc Newson
Hersteller: Magis
Preis: 70 Euro

(c) Prudence Cumming Associates Ltd Courtesy-Gagosian
(c) Magis

Erschienen in
LIVING 06-07/2024

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Manfred Gram
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