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(c) Johannes Krenmayer

Der »Arch Walk« bei der Vienna Design Week 2024

Eventtipp
Wien

Der dritte Bezirk Wiens verfügt über markante Architektur wie das Akademietheater, das Konzerthaus oder die historischen Palais des Botschaftsviertels. Es gibt aber um einiges mehr zu entdecken. Im Auftrag der Architekturexpertin und Stadtführerin Marion Kurzmany geht Roland Gabriel, der Direktor der VIENNA DESIGN WEEK, auf Erkundungstour.

Titelbild: Der Rabenhof, erbaut in den Jahren 1925 bis 1928, ist ein wahrer Superblock und Prestigebau des »Roten Wiens«. Mit seinen Wohn- und Gartenhöfen, charakteristischen Toren, Durchgängen und Stiegen setzte er zu seiner Zeit ein architektonisches Zeichen.

Mitten durch den Bezirk Landstraße zieht sich die Landstraße. Als Hauptstraße bildet sie die historische Grenze zwischen feudaleren Wohnquartieren und gemischten Industrie- und Gewerbegebieten. Eine Situation die durch zeitgenössische Interventionen jedoch weitgehend verändert wurde: Neue Stadtentwicklungsprojekte östlich der Schlachthausgasse, rund um den ehemaligen Zentralviehmarkt St. Marx sowie auch entlang der Stadtautobahnen am Donaukanal und Landstraßer Gürtel prägen große Teile des heutigen Erscheinungsbilds des Bezirks. Man hat also eine große Auswahl für einen Spaziergang quer durch die unterschiedlichen Regionen und Bauepochen dieses städtebaulich facettenreichen Bezirks!

Architektur im dritten Wiener Gemeindebezirk

Wir starten unseren Architekturspaziergang bei den Hallen der ART for ART Theaterservice GmbH, die mit ihren Bühnenbildwerkstätten und großen Malersälen mit spektakulären Glasfassaden beeindrucken. Die Anfang der 1960er von Erich Boltenstern und Robert Weinlich geplanten und klar ausformulierten Werkstattgebäude fügen sich in das strenge Konzept der ehemaligen Militäranlage des Arsenals. 2022 erfolgte ein Umbau durch Malek Herbst Architekten, die unter Erhaltung der historischen Raumstrukturen Adaptierungen entsprechend einer zeitgenössischen Nutzung der Werkstätten vornahmen. Rundum liegen die imposanten Bauten des Arsenals, die nach Entwürfen der späteren Ringstraßenarchitekten Sicardsburg, Van der Nüll, Ludwig Förster, Theophil Hansen und Carl Roesner 1856 fertiggestellt wurden. Unser Weg führt vorbei am Schweizergarten und an einer der Architekturikonen Wiens: dem von Karl Schwanzer als Österreich-Pavillon bei der Weltausstellung in Brüssel 1958 geplanten »Belvedere 21«. Die Blickachse Richtung Innere Stadt verläuft von hier aus direkt durch das barocke Ensemble von Schloss Belvedere, die in den 1720er-Jahren nach Entwürfen von Johann Lucas von Hildebrandt als Sommerwohnsitz und Lustschloss für Prinz Eugen von Savoyen geplante Schlossanlage. Schließlich gelangen wir zum Landstraßer Gürtel, wo die stark befahrene Zone des Gürtelbogens mit dem Projekt ­»Village im Dritten« und den sogenannten »Docks« attraktiviert wurde. ARTEC Architekten haben hier ein urbanes Zentrum als Tor in das dahinter entstehende Quartier geplant. Im Rahmen der VIENNA DESIGN WEEK erleben wir den Bau in seiner allerersten Frische, als exklusive Auftaktbespielung in Form der Festivalzentrale noch vor den zukünftigen Nutzer:innen.

Bauten der klassischen Moderne sind in Wien ein rares Gut. Das Haus Wittgenstein gehört dazu. Der Philosoph hat es gemeinsam mit Paul Engelmann und Margaret Stonborough-Wittgenstein entworfen. Aktuell hat hier die Kulturabteilung der Bulgarischen Botschaft ihr Zuhause.

(c) Johannes Krenmayer

»Der städtebaulich facettenreiche dritte Bezirk bietet für architektonische Spaziergänge eine große Auswahl«, sagt Marion Kurzmany Architekturexpertin.

(c) beigestellt

Stadtentwicklung und Historie rund um die Landstraße

Auf unserem Weg weiter Richtung Norden passieren wir das Stadtentwicklungsgebiet auf dem Areal des ehemaligen Schlachthofs
St. Marx. Nennenswert sind der dynamisch anmutende Baukörper des T-Centers St. Marx (Architektur Consult, Domenig & Eisenköck), das Wohn- und Bürogebäude Schlachthausgasse von Coop Himmelb(l)au, und das Karrée St. Marx mit Wohnbauten von Elsa Prochazka, querkraft architekten, Geiswinkler & Geiswinkler und anderen. Nicht zuletzt sticht die bemerkenswerte Schmiedeeisenkonstruktion der um 1880 von Rudolf Frey entworfenen Rinderhalle ins Auge, die 1999 – nach Schließung des Schlachthofs – zum Veranstaltungszentrum Marx-Halle wurde.
Wir wenden uns etwas gegen Westen zu unserem nächsten Ziel, dem Rabenhof, der mit seinen zahlreichen Wohn- und Gartenhöfen, charakteristischen Toren, Durchgängen und Stiegen ein architektonisches Zeichen seiner Zeit setzt. Ein wahrer Superblock mit ursprünglich 1097 Wohnungen und 38 Geschäftslokalen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Ambulatorium, Bibliothek und Wäscherei, den die Otto-Wagner-Schüler Hermann Aichinger und Heinrich Schmid in den Jahren 1925 bis 1928 im Rahmen des Wohnbauprogramms des »Roten Wiens« errichtet haben. Der Saal des Kinderhorts wurde in ein Kino und später in ein Theater, das Rabenhof Theater, umgebaut. Die jüngste Renovierung des Foyers und Publikumsbereichs erfolgte 2008 durch Peter Achhorner.

Von Flaktürmen und das Haus von Wittgenstein

Am Weg fällt unser Blick unweigerlich auf die sowohl unübersehbaren sowie offensichtlich auch unzerstörbaren Flaktürme im Arenbergpark, eines von drei Turmduos in Wien. Sie wurden 1944 nach Bauplänen von Friedrich Tamms errichtet und sind inzwischen zu Zeitzeugen aus Beton geworden. Der Dannebergplatz gleich nebenan kontrastiert dazu mit prachtvollen Wohnhäusern aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts, wie der Nr. 11 von Georg Berger 1906/07 mit seinem secessionistischen Dekor und dem Fassadenaufbau im Sinne der frühen Otto-Wagner-Schule. Angekommen am letzten Objekt unserer Tour stehen wir vor der minimalistischen Fassade des Haus Wittgenstein. Das derzeit als Kulturabteilung der Bulgarischen Botschaft genutzte Gebäude sticht unverkennbar und einzigartig aus seiner Nachbarschaft heraus. Nicht minder herausragend sind die für den Entwurf verantwortlichen Paul Engelmann und Ludwig Wittgenstein sowie die Bauherrin Margaret Stonborough-Wittgenstein. Die bemerkenswert minimalistischen Details dieses lupenreinen und in Wien raren Beispiels der klassischen Moderne repräsentieren eine gestalterische Haltung, die über den damaligen Wiener Kontext Ende der 1920er-Jahre hinausgeht und auf ein erweitertes kulturelles Umfeld hinweist.

Das Projekt »Village im Dritten« mit seinen sogenannten »Docks« soll den stark befahrenen Landstraßer Gürtel attraktivieren. Am 320 Meter langen Gürtelbogen entstehen unter anderem Wohnungen, Geschäfte und Büros. Und heuer hat die VIENNA DESIGN WEEK hier ihre Festivalzentrale.

(c) Johannes Krenmayer

Die Dekorationswerkstätten der ART for ART Theaterservice GmbH beeindrucken mit ihren Bühnenbildwerkstätten, großen Malersälen und spektakulären Glasfassaden. Das Gebäude, das im Arsenal steht, wurde in den 1960er-Jahren gebaut und fügt sich perfekt in die Strenge ein, die dort auf dem Areal herrscht.

(c) Johannes Krenmayer

Erschienen in
LIVING VIENNA DESIGN WEEK SPECIAL 2024

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Manfred Gram
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