„Das ist unser Wiener Büro.“ Gemeint ist das Café Hummel auf der Josefstädter Straße, in das Wolfgang Böck zum Interview bittet. „Alle Gespräche, wie das Kennenlernen von Schauspielern oder das Besprechen von Stücken mit Regisseuren, die nicht mehr als fünf Personen erfordern, finden hier statt. Es ist einfach ein angenehmes Kaffeehaus mit guter Atmosphäre.“

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Seit 18 Jahren leitet er als Intendant die Schloss-Spiele Kobersdorf und ist damit nicht nur generell einer der längst dienenden Direktoren Österreichs, sondern mit einer Durchschnittsauslastung von 96 Prozent auch einer der erfolgreichsten. Was prädestiniert den Schauspieler zum künstlerischen Leiter? Wolfgang Böck denkt länger nach. „Zum einen vielleicht meine Umgänglichkeit, und zum anderen wahrscheinlich mein Sternzeichen. Ich bin Steinbock mit Aszendent Skorpion. Und dem Steinbock wird nachgesagt, dass er sich um die Herde kümmern will und muss. Damit es allen gutgeht und keiner zurückgelassen wird.“

Geholfen habe zumindest anfänglich auch die Tatsache, dass er als Trautmann zu einer Fernseh-Ikone geworden sei. „Da gab es sicher viele, die sich dachten, jetzt schauen wir uns den Böck einmal auf der Bühne an.“ Es gelang ihm zu überzeugen. „Sie sind ja wirklich kein schlechter Schauspieler!“, habe er des Öfteren gehört, kann er sich noch heute erheitern. Darüber hinaus hat Wolfgang Böck ein gutes Händchen für die Auswahl der Stücke, er weiß nicht nur, was er seinem Publikum zumuten kann, sondern auch, womit es zu überzeugen ist.

Wolfgang Böck - König von Kobersdorf
Das Café Hummel erwarb Karl Hummel 1935 das frühere Café Parsival und führte es 32 Jahre lang. 1967 übernahmen Sohn Georg und dessen Ehefrau Elisabeth das Kaffeehaus und bauten es auf die heutige Größe samt Restaurantbetrieb aus. Seit 2005 lenkt deren Tochter Christina Hummel die Geschicke der beliebten gastronomischen Institution in der Josefstadt.

Foto: Andreas Jakwerth

Außerdem ist er ein Intendant zum Angreifen. „Ich stehe vor jeder Vorstellung am Eingang, und wer immer mir etwas erzählen möchte, kann das gerne tun.“ Das Publikum macht häufig und gern Gebrauch von diesem kommunikativen Angebot. Es stellt aber auch Forderungen. Zum Beispiel will es den Chef jedes Jahr auf der Bühne sehen. Und zwar in ausgiebigem Rahmen. Als er vor Jahren in „Der eingebildete Kranke“ nicht die Titelrolle übernahm, weil zeitgleiche Dreharbeiten dieses Pensum nicht erlaubten, sondern als Doktor Diafoirus lediglich drei lustige Szenen hatte, hieß es sogleich: „Das ist aber schon z’weng, Herr Böck.“

Seine Menschenliebe stellt der passionierte Motorrad- und Jaguarfahrer auch dadurch unter Beweis, dass er jedes Jahr im Sommer jeweils eine Biker- und eine Oldtimertour zu den Schloss-Spielen plant und dabei den Konvoi selbst anführt. Dafür lieben ihn die Einheimischen und haben ihn, der mit einer burgenländischen Architektin verheiratet ist, auch längst als einen von ihnen akzeptiert. Dass er noch nicht Ehrenbürger von Kobersdorf ist, verwundert.

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Rasch weg aus Linz

Wolfgang Böck hat es im Laufe seiner Karriere zum Sinnbild des Urwieners gebracht. Dabei kommt er aus Linz. „Ich steh total auf Wien und bin von meinem Herzen her mehr Wiener als Linzer“, erklärt er. Seine Fahrzeugleidenschaft brachte ihn als jungen Mann an die HTL für Maschinenbau, „aber ich bin schnell draufgekommen, dass man auch Auto oder Motorrad fahren kann, ohne Maschinenbau zu studieren“. Er war todunglücklich und quälte sich bis fast zum Abschluss. „Dann habe ich am Linzer Landestheater Wolfgang Bauers Stück ‚Change‘ gesehen und hatte ein Erweckungserlebnis. Das Theater hat mir einen Fluchtweg eröffnet, und ich habe im Maturajahr beschlossen, Schauspiel zu studieren.“

Zur Person: Wolfgang Böck

1953 in Linz geboren, Schauspielausbildung in Graz, Engagements u.a. am Landestheater Linz, am Volkstheater Wien, am Schauspielhaus Zürich und bei den Salzburger Festspielen. Zahlreiche TV-Rollen, darunter „Kaisermühlen Blues“ und „Trautmann“. Gemeinsam mit Adi Hirschal seit 30 Jahren Interpret der „Strizzilieder“. Seit 2004 leitet Wolfgang Böck als Intendant die Schloss-Spiele Kobersdorf und wurde 2021 in dieser Funktion für weitere fünf Jahre bestätigt.

Linz kam dafür nicht infrage, Salzburg schon gar nicht, das Wiener Reinhardt- Seminar erschien ihm zu elitär, also wurde es die Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz. 1973 bis 1976. Nach dem Abschluss ging es nach Bregenz, später doch noch einmal zurück nach Linz und von dort 1983 endlich nach Wien. An das Volkstheater. Hier wurde er rasant zum Publikumsliebling. Erst recht, als ihn Ernst Hinterberger höchstselbst für die Rolle des vornamenlosen Trautmann auswählte. Zunächst im „KaisermühlenBlues“, später wurde ein Spin-off mit ihm als zentraler Figur daraus.

„Ich wollte die Rolle erst gar nicht spielen. Gesucht wurde ein ‚leiwander Kieberer‘, und ich dachte, was soll denn das sein? Ich bin Motorradfahrer, und Polizisten waren meine natürlichen Feinde.“ So ändern sich die Zeiten: Der „Trautmann“ wurde unter tatsächlichen Polizisten zur Identifikationsfigur, Wolfgang Böck einer von ihnen und 2001 von der Vereinigung der Bundeskriminalbeamten sogar zum „Ehrenkieberer“ ernannt.

Fleischhauer in Opposition

Eigentlich wäre „Der Bockerer“ schon 2021 auf dem Spielplan gestanden, musste aufgrund der Pandemie aber auf heuer verlegt werden. Statt „100 Jahre Burgenland“ feiert man mit dem großen österreichischen Volksstück rund um den Widerstandsgeist eines kleinen Mannes im sogenannten Dritten Reich nun eben „50 Jahre Schloss-Spiele Kobersdorf“. Neben Wolfgang Böck in der Hauptrolle des Fleischhauers Karl Bockerer zu sehen: Maria Hofstätter als seine Frau Binerl und Markus Freistätter als gemeinsamer Sohn Hans. Eine interessante Besetzung, die möglicherweise ganz neue Publikumsschichten in den Schlosshof des mittelburgenländischen Dorfes bringen könnte.

„Die Nazis haben unsere kulturellen Wurzeln in gnadenloser Art und Weise gekappt“, findet der Intendant diese tragische Posse von Peter Preses und Ulrich Becher zeitlos wichtig. „Es treibt einem die Schamesröte ins Gesicht, wenn man die Entwurzelung, die dadurch für die nachfolgenden Generationen entstanden ist, betrachtet. Je älter ich werde, desto mehr regt mich das auf: Was alles hätte sein können und radikal ausradiert wurde. Heute hat man manchmal das Gefühl, das ist ein dermaßen provinzielles Land geworden, dass einem die Grausbirne aufsteigt.“ Der Umstand, dass in Kobersdorf eine der wenigen erhalten gebliebenen Synagogen soeben renoviert und wieder zugänglich gemacht wurde, ist beinahe so etwas wie ein thematischer Glücksfall für den „Bockerer“. Denn Besucher der Schloss-Spiele haben heuer die Möglichkeit, vor jeder Vorstellung diese Synagoge zu besuchen.

Bald selber einen „Runden“

Heuer feiert Wolfgang Böck den theatralischen 50er in Kobersdorf, im nächsten Jahr dann seinen eigenen 70. Geburtstag. „Auf gewisse Weise überrascht mich die Zahl, denn man konnte sich als Junger ja nicht einmal vorstellen, 50 zu werden.“

Seine Intendanz wurde im letzten Jahr bis 2026 verlängert. „Das ist auch ein Vorteil“, meint er, „denn ich weiß, dass ich diesen Vertrag erfüllen und mich dafür körperlich fit halten muss.“ Arbeit als Motivation für physisches Training. Ein ganz neuer Ansatz.

Zu den Spielterminen von „Der Bockerer“ im Schloss Kobersdorf!