The show must go on. Was bei manch anderen Produktionen eher eine Drohung darstellt, ist in diesem Fall logische Konsequenz des anhaltenden Erfolgs. Falco wird auch in der nächsten Spielzeit für Standing Ovations im Ronacher sorgen und mit seinen größten Hits juvenile Erinnerungen in tobenden Applaus verwandeln. Seine changierende Biografie – angesiedelt zwischen Chartsstürmer und Drogenfall – bietet ein enormes emotionales Spektrum. 

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Inmitten des spektakulär inszenierten Geschehens zwei erfahrene Routiniers des Genres, deren Karrieren jeweils im Sprechtheater begannen, was man ihren Darstellungskünsten wohltuend anmerkt: Franz Frickel als Markus (Spiegel), Entdecker des jungen Hans Hölzel, und Andreas Lichtenberger als Horst (Bork), späterer Exklusivmanager des musikalisch welterfolgreichen, privat aber bereits strauchelnden Exzentrikers. 

„Ich bin in Memmingen aufgewachsen und kannte Falcos Musik natürlich. Damals war ich stolz, eine Single von ‚Jeanny‘ ergattert zu haben, ehe das Lied in Bayern verboten wurde. Aber welche Bedeutung er speziell in Wien hat, ist mir erst durch die aktuellen Publikumsreaktionen klargeworden. In Falcos Generation ist die Geschichte fast jedes Österreichers eng mit ihm verbunden. Das erzeugt eine unglaubliche Energie“, erklärt Andreas Lichtenberger. „Im Gegensatz zu anderen Compilation-Shows erzählen wir nicht irgendeine musikalisch umrahmte Story, sondern sein Leben“, ergänzt Franz Frickel, „dafür wurden möglichst viele seiner Weggefährten, Menschen, die ihn wirklich kannten, ins Boot geholt.“ 

Markus Spiegel und Horst Bork, der eine sehr persönliche Falco-Biografie geschrieben hat, dienten ebenso als Hintergrundinformanten wie die Bolland-Brüder, Produzent Robert Ponger oder Vertreter der Falco Privatstiftung. „Horst Borks Sichtweise ist sehr respektvoll, er schildert aber auch alle Unwägbarkeiten bis hin zur Verzweiflung, die er als Manager verspürte“, so Franz Frickel. 

Falcos Biografie strotzt von so vielen verpassten Chancen, dass es einem persönlich wehtut.

Franz Frickel, Schauspieler und Sänger

Rette sich, wer kann

Im Privatleben ein umsichtiger, herzlicher, zuvorkommender Mann, gab es eben auch noch seine andere, dunkle Seite. „Wenn er an Alkohol und Drogen gelangt ist – und er hatte sein Suchtmittelverhalten ja überhaupt nicht im Griff –, schlug sein Verhalten komplett um“, so Andreas Lichtenberger. „Ein erschreckendes Detail seiner Lebensgeschichte ist, dass sich irgendwann einmal alle Leute in seinem Umfeld – mit Ausnahme seiner Mama – vor ihm retten mussten. Sie haben erkannt, dass nur eine Trennung sie davor bewahren konnte, mit in den Abgrund gezogen zu werden.“ 

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Der immense Erfolgsdruck, unter dem er stand und dem er gerecht werden wollte, dazu sein künstlerisches Hadern in Kombination mit frühen Schreibblockaden – das alles trug wohl auch nicht zu einer ausgeglichenen Persön­lichkeit bei. „Dabei hatte er ganz schlichte Wunschvorstellungen“, ist Franz Frickel noch immer erstaunt, „sehr bürgerlich, fast bieder.“

Falcos lebenslange Verlorenheit ist für Andreas Lichtenberger bereits pränatal begründet. „Er war ein unentdeckter Drilling. Erst bei der Geburt, als seine zwei Geschwister tot zur Welt kamen, ist der Arzt draufgekommen, dass es noch ein drittes Baby gab. Später hat er oft behauptet, er sei immer verlassen worden und habe selbst nie verlassen. Aber er hat bekanntlich auch einiges dafür getan, dass seine Frauen alle gingen.“ 

Falco
Könner & Kenner. Als Horst und Markus haben Andreas Lichtenberger (links) und Franz Frickel (rechts) große Freude, aber auch ihre liebe Not mit Hans Hölzel – in der Bildmitte Moritz Mausser tanzend mit Katharina Gorgi, die ­Falcos einzige Ehefrau Isabella spielt.

Foto: VBW / Deen van Meer

Kein Duett mit Madonna

Als Manager mussten Markus und Horst – im Musical haben die beiden lediglich Vornamen, schließlich geht es nicht darum, Abziehbilder zu reproduzieren, sondern Interpretationen zu schaffen – einiges einstecken. Es gab glänzende Momente, und es gab spektakuläre Fehlentscheidungen des von ihnen vertretenen Künstlers. „Diese Biografie strotzt von so vielen verpassten Chancen, dass es einem persönlich wehtut“, erläutert Franz Frickel. „Warum hat er zum Beispiel das Duett mit Madonna nicht gemacht? Sie war 1986 schon ein großer Star, man wollte die beiden für einen Song zusammenbringen, was eine geniale Marketingentscheidung gewesen wäre. Falco aber meinte dazu nur: ‚Was will die Funsn von mir?‘ und hat abgelehnt. Stattdessen hat er die Single ‚Body Next to Body‘ mit Brigitte Nielsen aufgenommen, die ein echter Flop wurde.“ Wiewohl er mit „Rock Me Amadeus“ vier Wochen auf Platz eins der US-Charts gelegen war – hinter ihm übrigens Prince mit „Kiss“ –, verpatzte er sich auch die amerikanische Karriere selbst. 

„Als es zur Vertragsverlängerung mit der Plattenfirma kommen sollte, lud ihn deren Boss in seine grässliche Beverly-Hills-Villa ein, es gab makrobiotisches Essen und keinen Alkohol. Als Falco gefragt hat, ob er eine rauchen könne, meinte der Gastgeber, ja, aber er dürfe nicht ausatmen. Der Herr dachte wohl, er sei witzig, 20 Minuten später saß Falco im Taxi und meinte zu Horst: ‚Bei dem Oaschloch unterschreibe ich sicher nicht!‘ Als dann auch noch ein Freund von ihm in Los Angeles mit 100 Messerstichen ermordet wurde, war’s das endgültig mit Amerika“, weiß Andreas Lichtenberger. 

Solche Details können er und Franz Frickel viele erzählen. All das ergibt eben jenes ambivalente Gesamtbild eines zutiefst menschlichen Charakters, der, in Kombination mit Falcos exzeptioneller Musik, das Publikum in den Bann zieht

Andreas Lichtenberger
Andreas Lichtenberger als Manager Horst.

Foto: Andreas Jakwerth

Zur Person: Andreas Lichtenberger

war Ensemblemitglied am Staatstheater Stuttgart, ehe er 2003 im Apollo Theater sein Musicaldebüt in „42nd Street“ gab. Es folgten erfolgreiche Rollen in Produktionen wie „Mamma Mia!“, „Der Mann von La Mancha“, „Ich war noch niemals in New York“, „Der Glöckner von Notre Dame“, „Tarzan“ oder „Shrek“. Als Filmschauspieler wirkte er u. a. in Achim Hasenbergs „Shots“ und „Tödliche Wende“ von Regisseur Nico Hofmann mit. 

Diversität im Ausdruck

Im Gegensatz zu Hans Hölzel ­müssen die Herren Lichtenberger und Frickel ihre Karriereentscheidungen nicht be­reu­en. Andreas Lichtenberger war sechs Jahre lang Ensemblemitglied am Staatstheater Stuttgart und wirkte dort in mehr als dreißig Schauspielproduktionen mit. Zum Musical kam er kurioserweise durch eine Ablehnung. „Als das ‚Weiße Rössl‘ gemacht wurde, hat man mich nicht besetzt, obwohl ich einer von nur zwei Männern war, die ordentlich singen konnten. Zur selben Zeit gab es eine Audition für ‚König der Löwen‘ und die deutschsprachige Erstaufführung von ‚42nd Street‘, und ich habe mich aus Wut dafür beworben.“

Für Zweiteres wurde er prompt engagiert – und übersiedelte vom Staatstheater geografisch gesehen den Hügel hinauf ins neu gebaute ­Apollo Theater. Es folgte bekanntlich eine bis heute andauernde Erfolgslaufbahn mit einprägsamen Rollen in Stücken wie „Mamma Mia!“, „Tarzan“, „Shrek“ oder „Hairspray“. In Wien, wo Andreas Lichtenberger heute lebt, war er unter anderem in „Jesus Christ Superstar“, „Don Camillo & Peppone“ oder zuletzt in „Der Glöckner von Notre Dame“ zu sehen. Eine Rückkehr zum Theater schließt er dennoch nicht aus, zu groß sei die Liebe zur Sprache. „Aber alle Projekte sind bisher an Terminproblemen gescheitert.“ Denn wer in Long-Run-Produktionen gefragt ist, hat einfach keine Zeit mehr für Nebenbeschäftigungen. 

Zur Person: Franz Frickel

ist seit dreißig Jahren genreübergreifend tätig – von Kleinkunst über Schauspiel bis hin zu Musical. Zu seinen Bühnenerfolgen zählen u. a. „Elisabeth“, „I am from Austria“, „Tanz der Vampire“, „Anatevka“ und
„Das Phantom der Oper“. Der Grazer ist Mitglied der Ber­liner Formation Comedian Harmonists Forever. 

Auch Franz Frickel kommt vom klassischen Schauspiel und stieg erst später – animiert von Regisseur Stefan Huber – ins Musicalgeschehen ein. „Ich kenne aus meinem Theaterleben auch Zeiten, wo ich für ein selbst inszeniertes Stück meine eigenen Möbel auf die Bühne stellen musste“, erinnert er sich. „Im Ronacher jubeln uns täglich mehr als 1.000 Menschen zu, das ist mir Motivation genug. Ich weiß auch, was eine Karte kostet, diese Menschen haben das Beste verdient, was wir abliefern können.“ Heute gebe es ohnehin viel mehr Genredurchmischung, was positiv zu bewerten sei. „Aber für mich waren die Chancen im Musiktheater einfach vielfältiger.“

Im Sommer kann man Franz Frickel auch im Theater Baden erleben, wo er in „Wiener Blut“ den Buffo-Bariton Fürst Ypsheim-Gindelbach geben wird. 

Und Andreas Lichtenberger wird wieder in Fulda vor 6.000 Menschen in „Bonifatius – Das Musical“ die Rolle des friesischen Fürsten Radbod spielen. 

Hier geht es zu den Spielterminen von Rock me Amadeus!