Mitreißende Geschichten, präzise gearbeiteter Slapstick und Tempo, Tempo, Tempo – das sind drei (genau genommen fünf) jener Hauptzutaten, aus denen das Theater von Kaja Dymnicki und Alexander Pschill besteht. Und: Ihre Komödien lassen den Ernst der Sache stets durchscheinen – der Spaß kommt aus der Tiefe. Wobei man im Falle von „Der Sumpf des Grauens“, ihrer aktuellen Arbeit am TAG, wohl eher von einer Untiefe sprechen könnte – und zwar im Sinne eines aufgrund seiner Tiefe so richtig dunklen, unheimlichen Gewässers. Dabei sind Sümpfe ja gar nicht tief, sondern eher trüb und flach? Ist jetzt aber auch egal, denn anstatt sich noch tiefer in den Sumpf der Gewässer-Metaphorik hineinziehen zu lassen, wollen wir lieber mit Kaja Dymnicki und Alexander Pschill über ihr Stück sprechen. Nach der Probe im TAG sitzen wir im Café Jelinek. Überall klapperndes Geschirr und ein aus einzelnen Gesprächsfetzen bestehender Soundteppich im Hintergrund.

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Sumpf des Grauens
„Der Sumpf des Grauens“: Ab 2. November im TAG.

Foto: Anna Stöcher

Die Mächtigen werden aufgefressen

Nach dem Nestroy-nominierten Stück „Ödipus“ ist „Der Sumpf des Grauens“ ihre zweite Arbeit im Theater an der Gumpendorfer Straße. Der Inhalt in aller Kürze: In einem Kellertheater wird „Macbeth“ geprobt und die gemeinsame Probenarbeit dabei immer wieder von Egotrips einzelner Protagonist*innen durchkreuzt, während der Regisseur Allmachtsfantasien hegt. Als die Regieassistentin plötzlich zerfleischt im Kostümfundus aufgefunden wird, bricht Panik aus. „Werwolf-Splatter trifft auf ‚Der nackte Wahnsinn‘“, fasst Alexander Pschill das Stück zusammen. „Es ging uns jedoch gar nicht so sehr darum, den Theaterbetrieb an sich zu persiflieren, denn die Dinge, die passieren, könnten auch in einem ganz anderen Setting stattfinden. Nur ist das Theater einfach jener Raum, in dem wir uns auskennen“, fügt Kaja Dymnicki hinzu.

Hört man den beiden zu, wird schnell klar, dass „Der Sumpf des Grauens“ eine Arbeit ist, die sich mit dem Thema Machtmissbrauch beschäftigt. „Das Stück ist eine Art Revolution dagegen – eine Vernichtung der Mächtigen, die aufgefressen werden. Mehr möchte ich aber auch gar nicht vorwegnehmen“, so Alexander Pschill. Wie so oft liegen Komödie und Tragödie also sehr nah beieinander. Er fügt hinzu: „Die Dinge unschädlich zu machen, indem man sich über sie lustig macht, halte ich für eine großartige Waffe.“

Obwohl es im Stück auch um Egozentrismus geht, wollen Dymnicki und Pschill damit keinesfalls ausdrücken, dass man besagte Themen an einzelnen Personen festmachen sollte. „Es steckt immer ein System dahinter“, sind sich die beiden einig. „Und obwohl die Komödie an sich ja viel mit Stereotypen arbeitet, wollen wir in unserem Stück auch die Grauzonen zeigen.“

Die Dinge unschädlich zu machen, indem man sich über sie lustig macht, halte ich für eine großartige Waffe.

Alexander Pschill, Regisseur & Schauspieler
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Die Kraft des Ensembles

Thematisch wie auch den Einsatz der Mittel betreffend, wagen sich Dymnicki und Pschill, die 2016 das Bronski & Grünberg im 9. Bezirk mitgegründet haben, auf für sie unbekanntes Terrain vor. „Trotzdem bleiben wir unserem Stil treu“, hält Kaja Dymnicki fest. Das bedeutet unter anderem, dass die Komik aus dem Ensemble heraus entsteht. „Uns geht es nicht darum, dass viele Spieler*innen einem Star dienen, über den das Publikum dann lacht. Die Kunstfertigkeit einer Gruppe finden wir viel lustiger. Man kann sich das wie ein gut funktionierendes Uhrwerk vorstellen. Je mehr Leute zusammen komisch sein können, desto besser. Wie bei der Serie ‚Seinfeld‘, wo man sich auch nicht entscheiden kann, welche Figur man am meisten liebt. Nimmt man eine raus, fällt das Ganze auseinander“, sagt Pschill.

Diese Form von Komödie erfordere aber auch ein sehr hohes Maß an Genauigkeit – das Stück muss wirklich gut durchgetaktet sein. Wenn Kaja Dymnicki und Alexander Pschill mit dem Ensemble zu proben beginnen, steht daher die Stückfassung schon – wie auch viele Bewegungen und Slapstick-Abläufe. „Natürlich kommt es punktuell vor, dass Spieler*innen mit Textvorschlägen auf uns zu kommen. Aber auch das fixieren wir dann sehr genau“, beschreibt Kaja Dymnicki den Ablauf.

Der Sumpf des Grauens
„Werwolf-Splatter trifft auf ‚Der nackte Wahnsinn‘“, fasst Alexander Pschill das Stück zusammen.

Foto: Anna Stöcher

Drehbuch, Drehbuch, Drehbuch

Ideen für Stücke entstehen meist in ruhigen Momenten – zum Beispiel auf Spielplätzen, während ihre beiden Kinder rutschen oder auf Klettergerüsten herumturnen. Das Konzept entwickeln sie immer gemeinsam, den Schreibprozess teilen sie sich auf, erzählen die beiden. Häufig gibt es beim Schreiben schon Ideen für das Bühnenbild, fügt Kaja Dymnicki hinzu. Die gebürtige Linzerin hat Bühnenbildgestaltung studiert. Gemeinsam Regie zu führen hätte viele Vorteile, ergänzt Alexander Pschill. Unter anderem, dass es immer sofort eine Form von Reflexion gibt. „Wir vervollständigen einander. Ich bin eher der Nerd und achte unter anderem darauf, dass eine Szene genug Aussage oder Psychologie hat. Alex beherrscht die Komödie perfekt“, bringt Dymnicki die unterschiedlichen Schwerpunkte in der gemeinsamen Arbeit auf den Punkt.

Was sie ebenfalls teilen, ist der Wunsch, „dass nichts einfach nur funktional sein soll, sondern alles eine Bedeutung hat.“ Das erkennt man auch an der Einrichtung des Bronski. „Wir sind richtige Ausstattungs-Fanatiker. Wenn ich auf der Bühne einen Plastikkoffer sehe, frage ich mich, warum das kein schöner Lederkoffer sein kann. Bei diesem Stück kommt allerdings noch eine Ebene hinzu, weil es ja ein Stück im Stück ist. Das bedeutet, dass der Regisseur im Stück einen ganz anderen Geschmack hat als wir. Das tut manchmal richtig weh“, sagt Alexander Pschill. Er lacht.

Bevor sich unsere Wege wieder trennen, wollen wir noch von den beiden wissen, welche Dinge, das Regieführen betreffend, sie schon gerne früher gewusst hätten. „Wir achten jetzt mehr darauf, dass wir keine Zeit verschwenden, gleichzeitig ist es uns aber sehr wichtig, dass die Stimmung gut ist und alle nett zueinander sind. Wir sind geübter und können unsere Vorstellungen schneller rüberbringen“, findet Dymnicki klare Worte. Nach einer kurzen Pause ergänzt Alexander Pschill: „Ich habe auch gelernt, dass die Geschichte funktionieren muss. Drehbuch, Drehbuch, Drehbuch. Gerade in der Komödie ist es so, dass es den Leuten dann richtig Spaß macht, wenn sie folgen können und auf diese Reise mitgenommen werden. Die Lektion gibt es dann nachher, vorher soll man darüber lachen. Das zweite ist für mich die Besetzung. Wir achten sehr darauf, dass das Ensemble funktioniert. Wenn jemand sehr im Vordergrund stehen möchte, passt das nicht zu uns.“

Zu den Spielterminen von „Der Sumpf des Grauens“ im TAG!