Die ständige Arbeit an sich selbst, mit dem Ziel im fortwährenden Wettbewerb der Selbstoptimierung zu bestehen, macht die in Israel geborene Regisseurin und Choreografin Saar Magal zum Kernthema ihres ersten Stückes in Zusammenarbeit mit dem Burgtheater. „In (OB)SESSIONS geht es darum, dass die Arbeit an uns selbst heute zu einer Obsession geworden ist. Unsere Identität, unser Sein ist unser Humankapital, das wir an die Welt verkaufen. Wir sind die Unternehmer:innen unseres Selbst, und genau das ist unsere Obsession: besser zu leben, besser zu sein, dieses Sein immer besser zu präsentieren“, bringt sie den vielschichtigen Themenkosmos ihrer Arbeit auf den Punkt. Und fügt hinzu, dass es sich dabei um ein Bestreben handelt, das dem Bedürfnis geliebt zu werden erwächst.

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Der Garten Eden als Startpunkt

Der Umgang mit dieser Obsession basiert für Saar Magal auf patriarchalen Mustern. „Besonders wenn es um den Ausdruck von weiblicher Lust geht, wird die jahrhundertelange, patriarchale Unterdrückung deutlich: Ablehnung, Vereinnahmung und Unterdrückung von weiblicher Lust sind in ihrer Extremform offensichtlich“, vervollständigt sie ihren Gedankengang. Für die Choreografin ist außerdem auch klar, wo sie diesen Startpunkt verortet: im Garten Eden. „Für mich ist das der Ort, an dem die Geschlechterrollen definiert wurden, sich das Patriarchat formiert und unsere Besessenheit mit dem Thema Jugend begonnen hat“, so Magal.

Das Ensemble von „ am Schwarzenbergplatz.

Foto: Karolina Miernik

Open Source

In „(OB)SESSIONS“ steckt jedoch noch viel mehr, nämlich auch ein Hinweis darauf, wie die Probenarbeit ausgesehen hat. Die „Sessions“ fanden in der Form von Workshops statt. „Workshops sind Events der Enthüllung“, sagt Magal. „Das Ich enthüllt sich, die Gruppe, ihre Dynamiken und gesellschaftliche Mechanismen. Alles, was in ‚(OB)SESSIONS‘ auf der Bühne passiert, bezieht sich auf diese Idee eines Workshops". Besetzt wurde das Stück, das sich nur schwer in ein Genre-Korsett pressen lässt, mit Ensemblemitgliedern des Burgtheaters und Tänzer:innen, einige davon Studierende der MUK. „In unseren Workshop-Sessions haben wir sie mit Requisiten, Texten, choreografischem Material und Bewegungsabläufen ausgestattet. Mit einem Pool aus Bildern und Ideen“, erläutert die Choreografin. Außerdem wurden einige der Materialien in eine für alle Beteiligten zugängliche Datenbank hochgeladen und die Spieler:innen und Peformer:innen damit eingeladen, sich mit jenen Dingen näher auseinanderzusetzen, von denen sie sich auf emotionaler und persönlicher Ebene angesprochen fühlen.

Elisabeth Augustin auf der Kasino-Bühne.

Foto: Karolina Miernik

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Niemand ist ersetzbar

Aus der Auseinandersetzung mit dieser Fülle an Materialien hat Saar Magal Elemente für ihr Stück gesammelt. Wichtig war ihr dabei unter anderem, dass das Stück in einer Atmosphäre entsteht, in der jede und jeder das Gefühl hat, dass alles erlaubt ist. Man sich öffnen kann und nicht verurteilt wird. Das hat unter anderem auch dazu geführt, dass Figuren und Charaktere entstanden sind, die von niemand anderem gespielt werden können, die nicht ersetzbar sind. Besetzt wurde „(OB)SESSIONS“ mit Spieler:innen und Tänzer:innen aller Altersgruppen. Das war, wie Saar Magal hinzufügt, eine Anforderung, die sie an das Theater gestellt hat. Mit dem Kasino als Spielstätte ist die Choreografin sehr glücklich, vor allem aufgrund der Nähe der Spieler:innen zum Publikum. „In gewisser Weise besteht die Möglichkeit, das Publikum als zusätzliche performative Einheit miteinzubeziehen. Es findet eine Spiegelung statt.“

Das Stück ist ab 22. September im Kasino am Schwarzenbergplatz zu sehen.