Als Schauspieler zu jenen Menschen zu gehören, die sehr schnell kleine wie große Räume für sich einnehmen, hat für den Beruf eindeutig nur Vorteile. Marcel Heuperman, seit der Spielzeit 2019/20 am Burgtheater, weiß, wie es sich anfühlt, wenn einem diese Aufgabe sehr leicht von der Hand geht. Sein übersprudelndes Selbstbewusstsein lässt ihn aber weder aufdringlich noch arrogant wirken, sondern immer nahbar und auf angenehme Weise ehrlich.

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Die Freiräume, die der in Berlin geborene und aufgewachsene Schauspieler braucht, um auf der Bühne berührbar zu bleiben und sich bis zur totalen Erschöpfung zu verausgaben, muss er sich teilweise hart erarbeiten. Aber ausruhen möchte er sich ohnehin nicht, weder auf dem Erfolg noch (schon gar nicht!) auf der Bühne. „Ich fordere schon sehr vehement ein, was mir wichtig ist. Und das gelingt mir deshalb ganz gut, weil ich nie ein scheuer Mensch war. Ich liebe es zu provozieren, das Burgtheater ist dafür ein guter Ort“, sagt Heuperman und nimmt einen Schluck von seinem Spritzer, dem „österreichischen Nationalgetränk“, wie er die Wein-Soda-Mischung gern bezeichnet.

„Pullovertheater"

Anfangs hat er sich Gedanken darüber gemacht, ob es für ihn am Burgtheater genug Spielraum geben würde. „Letztlich habe ich mich klar dafür entscheiden, weil ich immer sehr interessiert daran bin, Dinge infrage zu stellen und mir meinen Raum zu nehmen. Ich habe dabei auch auf Martin vertraut, weil ich wusste, dass er das Burgtheater mit einem stärkeren Aktualitätsbezug und einer größeren Bandbreite an künstlerischen Handschriften ausstatten möchte“, erklärt der 26-jährige Schauspieler, der gemeinsam mit Martin Kušej von München nach Wien wechselte.

Das Theater, für das Heuperman auf der Bühne kämpft, ist eines, das völlig frei von Hemmschwellen oder Barrieren ist. „Pullo­vertheater“ nennt er es und meint dabei nicht das Spiel auf der Bühne, sondern das Publikum. „Das meint ein Theater, in dem sich das Publikum absolut offen und neugierig auf das Bühnengeschehen einlässt, egal, ob es in Jeans oder Abendgarderobe im Zuschauerraum sitzt.“

Die Lust zu provozieren, richtig zu rackern und sich auf der Bühne auszutoben kommt bei Marcel Heuperman nicht von ungefähr. Schon mit 13 spielte er in einem Stück von Frank Castorf, der ihm beigebracht hat, die Bühne als angstfreien Raum wahrzunehmen. „Wenn ich Abende von Frank spiele, habe ich oft das Gefühl, dass das auch ein Rockkonzert in einer großen Arena sein könnte. Ein wahnsinnig befrei­endes Verständnis von Theater“, sagt er, dessen größter Feind die Langeweile ist. 

Marcel Heuperman in Itay Tirans Inszenierung von „Mein Kampf".

Foto: Marcella Ruiz-Cruz

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Das Spiel als Realität

Eines wird aber auf jeden Fall schnell klar, wenn man ihn auf der Bühne sieht: Es geht um Erschöpfung. „Und in dieser Erschöpfung wird das Spiel zur Realität“, erklärt er. „Das geht mir auch als Zuschauer so. Wenn ich sehe, dass sich auf der Bühne jemand richtig abarbeitet, dann ist das nicht mehr gespielt.“

Am Stück „Mein Kampf  “, in dem er Adolf Hitler spielt, interessieren ihn vor allem jene Mechanismen, aus denen heraus der große Wunsch nach Einzigartigkeit entsteht. „Ich finde, dass das Stück sehr universell darüber erzählt, wie auch die ganzen Straches und Orbáns auf der Welt ihre Biografie entwickelt haben“, sagt Heuperman. „Dokus über die NS-Zeit habe ich mir zur Vorbereitung jedenfalls nicht angesehen“, sagt er. Und das hätten wir uns von ihm auch nicht erwartet. 

Zur Person: Marcel Heuperman

Schultheater, einmal anders: Mit 13 Jahren engagierte ihn Frank Castorf für seine Produktion „Emil und die Detektive“. 2012 nahm Marcel Heuperman mit einer Inszenierung des Regieduos Vegard Vinge und Ida Müller am renommierten Berliner Theatertreffen teil. 

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Neu am Volkstheater: Friederike Tiefenbacher und Lavinia Nowak

Gerade probt Marcel Heuperman „Zdeněk Adamec" in einer Inszenierung von Frank Castorf. Probeneinblicke finden Sie auf der Website des Burgtheaters