Orange Haare und ein breites Lächeln. Hätte man sich David Haneke anders vorgestellt? Durchaus, die Überraschung ist indes eine positive, zumal der Interviewpartner sich das Café Jelinek als Ort des Gesprächs gewünscht hat – und damit Jugenderinnerungen wachküsst. Er kommt direkt von den Proben aus der Kammeroper und freut sich, wieder einmal in Wien zu sein, wo er seit 1985 nicht mehr lebt. Damals ging David Haneke nach Holland, um an der Theaterhochschule Amsterdam Performance Arts zu studieren.

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Nach dem Abschluss blieb er, arbeitete als Darsteller und machte sich vor allem im Bereich Videodesign einen Namen. Seit 2005 lebt er mit festem Wohnsitz in der Schweiz. Als Videodesigner arbeitete er u.a. mit David Pountney, Keith Warner, Amir Hosseinpour und Nicola Raab zusammen, an renommierten Bühnen wie der Welsh National Opera, der San Francisco Opera oder dem Royal Opera House Covent Garden. Und am Theater an der Wien. „2003 habe ich mit David Pountney an der Kammeroper ‚Zora D.‘ und ‚Mr Emmet takes a walk‘ gemacht. Roland Geyer habe ich erst 2012 kennengelernt, als er mich für ‚Iphigénie en Aulide‘ angefragt hat.“ 2016 folgte „Macbeth“ in Geyers Regie, 2018 Keith Warners Inszenierung von „Der Besuch der alten Dame“ – und im letzten Jahr dessen „Giulio Cesare in Egitto“.

Dass ich nun zum ersten Mal selber Regie führe, ist irgendwie eine logische Konsequenz aus dem, was ich bisher gemacht habe. Das Genre Musiktheater ist zu mir gekommen, ich habe es mir nicht ausgesucht, es ist mir zugefallen.

David Haneke

„Dann mache ich es lieber selber“

Ursprünglich war David Haneke auch für „Enoch Arden“ als Videodesigner angefragt worden. „Roland Geyer wollte eine hybride Form realisieren, wo man nicht so recht weiß, ob man im Theater oder im Kino ist. Das fand ich großartig, das ist genau mein Ding. Ich habe also ein Konzept entwickelt und dabei festgestellt, dass ich auch gleich die Regie übernehmen könnte, ehe ich einem anderen Regisseur erklären müsste, wie ich mir die visuelle Darstellung denn so vorstellen würde, die verschiedenen Realitätsebenen, die auch ganz genau mit der Mise en Scène und der schauspielerischen Darstellung verbunden sein muss, um ein funktionierendes Ganzes zu erzeugen.“ Der Vorschlag wurde von Roland Geyer angenommen.

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Die drei Hauptfiguren des Stücks: Valentina Petraeva en).

Foto: Herwig Prammer

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Da es sich bei „Enoch Arden“ um eine 1936 uraufgeführte Oper von Ottmar Gerster handelt, die zwar für einige Jahre enorm populär war, dann aber beinahe vollständig von den Spielplänen verschwand, muss man ihren Inhalt kurz ausführen. Das Libretto beruht auf einem 1864 veröffentlichten Versepos von Alfred Tennyson, das international erfolgreich wurde und zahlreiche Übersetzungen erlebte. Was allein heute schon anachronistisch anmutet.

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Nachdem Enoch Arden offiziell für tot erklärt wird, heiratet dessen bester Freund Klas

Foto: Herwig Prammer

Ähnlich verhält es sich auch mit der Handlung: Enoch Arden beschließt, noch einmal auf große Handelsschifffahrt zu gehen, um seiner Frau Annemarie und seinem kleinen Sohn ein Häuschen erwerben zu können. Dabei erleidet er Schiffbruch, strandet auf einer einsamen Insel, wo er jahrelang allein dahinvegetiert und vergeblich auf Rettung hofft. Schließlich wird er für tot erklärt, und Annemarie heiratet seinen besten Freund Klas. Enoch Arden wird schließlich doch noch gerettet, kehrt in die Heimat zurück, muss aber erkennen, dass weder sein Sohn noch seine Frau einen größeren Nutzen aus seinem plötzlichen Wiederauftauchen ziehen können – und stürzt sich in den Tod.

Zur Person: David Haneke

1965 in Wien geboren, studierte er Violoncello bei Friedrich Wolfgang Ebert in Wien. Ab 1985 Studium Performance Arts an der Amsterdamer Theaterhochschule, später Darsteller, Regisseur und Videodesigner bei zahlreichen niederländischen Theaterproduktionen. Videodesigns für Theater, Oper, Tanz und Musik in Europa und den USA. Kooperationen u.a. mit David Pountney, Keith Warner, Nicola Raab, Amir Hosseinpour und Torsten Fischer. Seit 2016 Live-Video-Artist der US-Kultband Tuxedomoon. David Haneke ist der Sohn des Filmregisseurs Michael Haneke. „Enoch Arden“ ist seine erste Arbeit als Opernregisseur.

Warum gerade dieses Werk?

„Als lineare Geschichte mag sie auf den ersten Blick vielleicht etwas platt und pathetisch erscheinen“, so David Haneke. „Roland Geyer hat sie aber auseinandergenommen und neu zusammengesetzt, sodass eine Isolations-Geschichte daraus geworden ist. Was chronologisch erzählt wurde, ist in unserer Fassung nicht mehr chronologisch. Die einzige Realität auf der Bühne ist die Insel, auf der Enoch Arden gestrandet ist, mit allem, was dort geschieht. Alles andere aber, wie sein Abschied von zuhause oder die Hochzeit seiner Frau mit seinem besten Freund, ist Erinnerung, Projektion, Albtraum und Vision.“ Die Insel wird durch Videoprojektionen mit realistischem Bildmaterial dargestellt – man sieht Meer, Strand  und Natur –, sobald Enoch Arden in Visionen, Erinnerungen oder Wahnvorstellungen kippt, erscheinen Räume, die gemalt sind wie Ölbilder. „Die Geschichte ist in ihrer Schicksalhaftigkeit wie ein griechisches Drama, es gibt sogar einen Chor, der bei uns allerdings nur über Projektionen erscheint.

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Das Wiener KammerOrchester unter der Leitung von Walter Kobéra setzt Ottmar Gersters Oper musikalisch in Szene.

Foto: Herwig Prammer

Die Komposition unterstützt musikalisch sehr schön, was diese drei Personen bewegt. Sie sind letztlich alle drei in ihrer Einsamkeit und emotionalen Isolation gefangen.“ Ottmar Gerster war es wichtig, auch musikalisch nicht vorgebildete Menschen zu erreichen und dadurch Schwellenängste abzubauen. Ist das auch in David Hanekes Sinn? „Im Grunde möchte ich schon, dass meine Produktionen auch gesehen werden, bin aber nicht auf der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Es diktiert mir sozusagen der gesunde Menschenverstand, dass ich, wenn ich eine Produktion für die Kammeroper mache, kein Punk-Drama abliefere.“ Seinem Hauptdarsteller Markus Butter – österreichischer Bariton mit internationaler Karriere – streut der Regisseur verbal Rosen. „Er ist grandios. Ein stimmlicher Orkan, der auch schauspielerisch alles mitbringt, was diese Rolle braucht. Er versteht, was er macht, er illustriert nichts, sondern er ist einfach Enoch Arden. Am Ende eines Probentages ist er oft zu Tode erschöpft, eben weil er nie markiert.“

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Nach einem Schiffbruch landet Enoch Arden g vergeblich auf Rettung hofft.

Foto: Herwig Prammer

Ausgezeichneter Musiker

David Haneke hätte selber beinahe eine Musikerlaufbahn eingeschlagen, studierte er doch zehn Jahre lang Violoncello. „Ich habe wahnsinnig gerne Cello gespielt und meinen Lehrer Friedrich Wolfgang Ebert sehr geschätzt. Trio, Quartett, Orchester … bis hin zu den Bach-Solo-Suiten. Aber, als ich 16 war, hat Professor Ebert gemeint, dass ich, wenn ich das wirklich zum Beruf machen wolle, täglich sechs Stunden üben müsse. Das war der Punkt, wo ich wusste: No way! Dieses Sitzfleisch hatte ich nicht – ich wollte ans Theater.“ Aber er spielt noch heute und nimmt auch immer wieder Auffrischungsunterricht.

„Das hilft mir auch in meiner jetzigen Arbeit, die Oper ist eine logische Konsequenz all meiner früheren Erfahrungen.“ Wird er ihr weiter treu bleiben? „Wenn man mich darum bittet, bin ich willig“, lacht David Haneke. Aber jetzt, nach drei Produktionen am Stück, wird er erst einmal eine kurze Pause machen. „Ich verstehe Leute nicht, die von einer Produktion in die nächste einsteigen oder sogar überlappend arbeiten. Ich könnte das nicht. Jetzt brauche ich einmal Zeit zum Auftanken.“ Gute Erholung.

Zu den Spielterminen von „Enoch Arden (Der Möwenschrei)“ in der Wiener Kammeroper!