So muss es wohl aussehen, das berühmte kreative Chaos. Im Bühnenbildatelier der Volksoper, direkt unter den Stadtbahnbögen beheimatet, hängen gezeichnete Figurinen an den Wänden, liegen Skizzen am Boden, stapeln sich Stoffballen in der Ecke, ergießen sich Stifte in mannigfaltigen Farben über ausladende Tische, machen detaillierte Modelle neugierig auf kommende Produktionen und besprechen fachlich versierte Menschen konzentriert die nächsten Arbeitsschritte.

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Mittendrin Christof Hetzer, seit drei Jahren Ausstattungsleiter und Bilddramaturg der Volksoper und somit vergleichbar mit einem Art-Director.

„Ich bin für alles verantwortlich, was bildlich nach außen strahlt, habe aber nicht den Anspruch, überall meinen Senf dazuzugeben. Es ist Lotte de Beer und mir wichtig, anschaulich zu kommunizieren, dass wir ein offenes Haus sind, in dem Künstler*innen die Freiheit haben, ihre Arbeiten zu zeigen. Wir reden darüber, welche Kolleg*innen wir einladen wollen, welche Entwicklungen uns interessieren. Ich gestalte aber auch, gemeinsam mit unserer Grafikerin Natascha Sefcsik, die Plakate; wir haben die CI kooperativ entworfen – und letzten Endes auch die Fassadengestaltung“, erklärt er seinen Job.

Stupider Computer

Vor allem aber ist Christof Hetzer selber Künstler und gestaltet als solcher Bühnenbilder – wie jenes der „Zauberflöte“-Neuinszenierung in der Regie der Volksopern-Direktorin. „Lotte de Beer und ich haben uns entschieden, dafür eine theatralische Sprache zu verwenden, die wir bereits über mehrere Produktionen hinweg entwickelt haben.

Diese basiert im Wesentlichen auf Malerei, welche in bewegte Bilder umgesetzt wird und teilweise als Hintergrund, aber auch als Eingriff und Interaktion mit den Sänger*innen funktioniert. Die Idee birgt als Ausgangspunkt das Skizzentagebuch eines 14-jährigen Jungen, der das Zerbrechen seiner Familie zeichnend in die ‚Zauberflöte‘ verwandelt und dadurch bewältigt.“

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Dafür hat Christof Hetzer – ganz klassisch mit Wasserfarben – einen Stapel Bilder zu Papier gebracht, die hernach digitalisiert und animiert wurden.

„Die technischen Möglichkeiten sind diesbezüglich zwar vorhanden, es ist aber immer noch so, dass es viele Zeichnungen und Feintunings braucht, um die Bewegungen schön und interessant zu gestalten. Denn der Computer ist zwar hilfreich, aber immer noch ziemlich dumm.“

Christof Hetzer
„Ich bin für alles verantwortlich, was bildlich nach außen strahlt, habe aber nicht den Anspruch, überall meinen Senf dazuzugeben."

Foto: Christoph Liebentritt

Familiär inspiriert

Dass er einmal in einem Theaterberuf tätig sein würde, hat sich früh abgezeichnet. Christof Hetzers Großvater war kaufmännischer Direktor an der Oper Frankfurt, sein Vater ist ebenfalls Bühnenbildner. „Ich habe, soweit ich mich erinnern kann, immer gemalt, später auch Graffiti gemacht, glaube aber, dass mir das Leben als Maler auf Dauer zu einsam gewesen wäre. Ich mag es, zusammen mit einem Team etwas zu kreieren, und bin froh, die Malerei wieder stärker ins Bühnenbild integrieren zu können. Seit den 1990er-Jahren hat man sich doch sehr auf Naturalismus und Realismus fixiert, und die Ansätze eines Axel Manthey, Achim Freyer oder David Hockney sind ein wenig in Vergessenheit geraten. Nun kann man sie wiederentdecken.“

Künstlerisch beeindruckt hätten ihn vor allem die Kooperationen mit Georg Baselitz, Pierre Audi und Hans Neuenfels. Vom 2022 verstorbenen Regiemeister stammt auch die Definition dessen, was Christof Hetzer bis heute unter einem gelungenen Bühnenbild versteht.

„Neuenfels hat einmal gesagt: ‚Das Bühnenbild ist die Dimension des Abends.‘ Das heißt, es bestimmt die Parameter, in denen die Geschichte erzählt wird.“

Christof Hetzer
„Neuenfels hat einmal gesagt: ‚Das Bühnenbild ist die Dimension des Abends.‘ Das heißt, es bestimmt die Parameter, in denen die Geschichte erzählt wird", so Christof Hetzer.

Foto: Christoph Liebentritt

Sein Anspruch sei aber nicht die bloße Verortung oder Abbildung des ohnehin Bekannten. „Man sollte schon den Mut haben, etwas zu behaupten, was vielleicht nicht die naheliegendste Idee ist, um überraschende Welten zu erschaffen.“ Als Bühnenbildner müsse man zudem über Geduld verfügen, dialogbereit sein und Interesse an der Musik bzw. dem Text des aktuell auszustattenden Stücks haben.

„Denn aus diesem Imaginationskosmos holt man sich auch die Inspirationen.“

Hat Christof Hetzer nie den Drang verspürt, selbst auf einer Bühne zu stehen? Er lacht. „Das Schauspielen habe ich einmal in der Theatergruppe meiner Schule probiert. Ich war der Friseur in Nestroys ‚Talisman‘ und seltsamerweise der Einzige, dessen Rolle doppelt besetzt war. Es muss grauenhaft gewesen sein. Mein damaliger Deutschlehrer und Regisseur meinte nur, Christof, du wolltest doch immer Bühnenbild machen ...“

Wie recht er doch hatte.

Hier zu den Spielterminen der Zauberflöte in der Volksoper!