Noch immer fällt einem nichts anderes als der Ambros-Titel „Zwickts mi“ ein, wenn man das Promovideo der FPÖ-Jugend betrachtet. Inzwischen hat die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst das Machwerk bei der Staatsanwaltschaft wegen Verdacht auf Verstoß gegen das Verbotsgesetz angezeigt. Es geht eben doch (noch) nicht alles, aber die Grenzen zur Salonfähigkeit des Unvorstellbaren verschieben sich zunehmend.

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Noch haben wir einen Innenminister, der das „grauslig“ findet. Publizistisch analysiert wurde das naiv-kämpferische Propaganda-Filmchen ja inzwischen zur Genüge: NS-Anklänge, Ästhetik der Identitären, unverfrorene Assoziationen zum „Tausendjährigen Reich“ in Form eines Aufmarschs auf dem Heldenplatz. Viele erhobene Fackeln zu wild entschlossenen Gesichtern, verbale Hammerschläge in Form von Begriffen wie „Bevölkerungsaustausch, Genderwahn, Regenbogenterror“. Die blaue Jugend hat also den kleinen Goebbels absolviert und vibriert voreilig in einer Art Bedeutungsrausch.

Politikum Theater

Das Theater, immer ein verlässlicher Seismograf für gesellschaftspolitische Umwälzungsprozesse, hat schon längst mobilgemacht. „Aufwachen, bevor es wieder finster wird“, lautete der Slogan auf einem Spruchband bei der „Burg“-Spielplanpräsentation im Frühsommer. Hausherr Martin Kušej äußerte seine „Sorgen über die Demokratie“ und fordert von sich und seinem Haus „Haltung“: „Nur wer ignorant oder blind ist, erkennt nicht, dass wir es mit einer politischen Tendenz und demnächst womöglich mit einer Regierung zu tun bekommen könnten, gegen die Widerstand aufgebracht werden muss.“

Ähnlich kampfbereit zeigte sich Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger, der sich mit Ibsens „Stützen der Gesellschaft“ und Hochwälders „Der Himbeerpflücker“ oder Kleists „Der zerbrochne Krug“ den Themen Machtmissbrauch, Opportunismus und Lügen widmet.

„Das Theater ist notwendiger denn je.“ Eine Krönung der Burgtheater-Saison wird mit Sicherheit Frank Castorfs Interpretation von Thomas Bernhards „Heldenplatz“ sein. Jenem Stück, das in seinem Uraufführungsjahr 1988 tumultartige Zustände und Mist-Entladungen vor dem Haus am Ring zur Folge hatte. Als störender Premieren-Zwischenrufer hatte HC Strache vom Balkon aus seinen ersten auswirkungsreichen Auftritt. Beklemmend starke Erinnerungen an die Wahlplakate der Wiener FPÖ im Jahr 1995, der Ära Haider, brechen sich Bahn. Auf denen zu lesen stand: „Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk – oder Kunst und Kultur?“

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Denkschrauben mitdrehen

Die Unterzeile lautete: „Freiheit der Kunst statt sozialistischer Staatskünstler“. Die rechte Häme zielt damals wie heute darauf ab, dass geförderte Kunst einer selbstgefälligen Elite vorbehalten bleibe und die Subventionspfründen vom „Spinnennetz der Linken“, so eine frühere FPÖ-Kultursprecherin, monopolisiert werden würden. „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk postete kürzlich das Erich-Kästner-Zitat: „Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine wird.“

Wichtig wäre es, nicht bloß die Klientel in den Zuschauerraum der Haltungs-Theater zu bewegen, die ohnehin liberal, human und weltoffen denkt und handelt. Sondern auch jene, die bereits in der rechtsverrückten „Das wird man doch noch sagen dürfen“-Fraktion ihren Hauptwohnsitz haben. Die Hoffnung, ein paar Denkschrauben zu verstellen, muss bleiben. Wer weiß, wie dieses Kunststück gelingen könnte, möge sich bitte dringend melden.