Der missglückte Kinofilm mit Starbesetzung sorgte im Vorjahr für Erheiterung. Nicht einmal „Cats“-Komponist Andrew Lloyd Webber mag den „Cats“-Film von 2019. „Der ist einfach lächerlich“, räumte der Komponist kürzlich in einem Interview mit der „Sunday Times“ ein. Zumal Regisseur Tom Hooper partout „mit niemandem zusammenarbeiten wollte, der irgendetwas mit der originalen Theaterproduktion zu tun hatte“. Man könnte die harsche Kritik Webbers als verletzte Eitelkeit abtun, wäre da nicht noch die Tatsache, dass der Film auf der Bewertungs-Plattform Rotten Tomatoes auf gerade einmal auf 20 Prozent Zustimmung kommt.

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Schlechte Entscheidungen in Celluloid

Dabei hatte alles so gut begonnen. Die Produzenten beim US-Filmstudio Universal waren bereit, umgerechnet rund 80 Millionen Euro in das Projekt zu investieren. Am Ruder stand Tom Hooper, dessen Adaption von „Les Misérables“ dem Film drei Oscars beschert hatte. Die Erfolgsformel schien narrensicher: Oscar-Regisseur mit Musical-Erfahrung, ein allseits beliebtes Stück mit Welthits, ausreichend Budget und fast jeder A-List-Star, der Zeit hatte, einmal kurz „Miau!“ in die Kamera zu sagen. Was konnte da schon schiefgehen? Nun, die Antwort lautet: alles.

Fünf Gründe, warum „Cats“ im Theater besser funktioniert

1. Die eigene Inszenierung fehlt

„Cats“ ist ein Ensemblestück, bei dem fast durchgehend das ganze Ensemble auf der Bühne ist. Kleine Interaktionen zwischen den Katzen spielen sich im Hintergrund ab – ebenso wie kleine Interaktionen mit den Zuschauern. Das Publikum hat die Freiheit, den Blick wie einen Scheinwerfer schweifen zu lassen. Das eigene Interesse diktiert die Wahrnehmung des Stücks, setzt Schwerpunkte in der Handlung. Man bastelt sich – bis zu einem gewissen Grad – seine ganz persönliche Inszenierung. In einer Verfilmung ersetzt die Kameraführung den autonom gesteuerten Zuschauerblick.

Fazit: Theater schenkt uns Wahlmöglichkeiten – Film schenkt uns Close-ups als Fertigkost.

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2. Weniger Realismus tut gut

Im Theater gibt es eine unausgesprochene Abmachung zwischen Zusehern und Theaterschaffenden, die sogenannte „willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit“ (engl. „suspension of disbelief“). Das bedeutet: Alle wissen, dass hier nicht echte Katzen tanzen. Aber wir sind bereit, für einen Abend mitzuspielen, sind bereit, hautenge Bodys für Katzenfell zu halten. In gewisser Weise macht dieses „So-Tun-als-ob“ auch den Charme von „Cats“ aus. Nur offenbar nicht für Tom Hooper, der im Film sämtliche CGI-Tricks bemühte, um „echte“ Schnurrhaare und „echtes“ Katzenfell auf seine Protagonisten zu zaubern. Da diese trotzdem noch Menschen sind, wird die Sache allerdings kein bisschen realistischer, bloß seltsamer.

Fazit: Charme und Spaß an der Kostümierung gehen bei der Verfilmung verloren.

3. Schlechte Special Effects

Beim Schauen des Films wird man ständig davon abgelenkt, wie sehr dieser Behaarungsversuch danebengeht. Insbesondere bei den (unnötig) vielen Close-ups der Sänger fällt es schwer, sich auf Gesang und Darstellung zu konzentrieren, wenn während des Songs Schnurrhaare und Schwanzspitzen Amok laufen.

Fazit: Weniger ist auch in Hollywood oft mehr.

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4. Tom Hooper mag keine Musicals

Der Regisseur fängt mit dem Format nichts an. Möglicherweise behauptet er in Interviews etwas anderes, aber sein Werk spricht dagegen: Es ist wirklich schwierig, in einem fulminant durchchoreografierten Stück wie „Cats“ sämtliche Tanzszenen zur Nebensache zu degradieren. Aber Hoopers Kameraführung schafft auch das. (Apropos Kameraführung: Wollen wir über Perspektiven reden? Über Katzen, die manchmal Menschengröße haben, dann wieder so klein sind wie Salz- und Pfefferstreuer? In ein und derselben Szene? Hmmm. Vielleicht lieber nicht.)

Fazit: Wurde im Film getanzt? Vermutlich. Aber in Erinnerung bleibt es nicht.

5. „Cats“ braucht keine Handlung

Im Theater ist es ein bunter Fleckerlteppich aus Poesie (von T. S. Eliot), Musik, Licht, Choreografie und Verspieltheit. Ja, das Musical hat ein rudimentäres Handlungsgerüst, aber – who cares? Tom Hooper allerdings scheint diese abstrakteren Elemente nicht rasend zu schätzen. Im Film versucht er, sie großteils zu verheimlichen. Was bleibt? Nicht viel. Und um das zu kaschieren, erfindet der „Cats“-Film Handlung: Eine Liebesgeschichte muss her. Ein ausgesetztes Waisenkind. Ein Bösewicht, der aus Verbitterung handelt und Konkurrenten kaltstellen will. (Aber dabei nicht mal böse ist, sondern nur lächerlich.)

Fazit: Nichts davon ist hilfreich im Kontext des Musicals.

Tipp aus der Redaktion: Natürlich kann man sich beim „Cats“-Film gut unterhalten. Zum Beispiel als Trinkspiel – immer dann austrinken, wenn ein schlechter Effekt ins Bild kommt. Wer die Poesie von „Cats“ wirklich erleben will: ab ins Theater!

Eckdaten von „Cats“
Basierend auf Gedichten von T. S. Eliot
Musik: Andrew Lloyd Webber
Regie: Trevor Nunn
Choreografie: Gillian Lynne
Wiederaufnahme: ab 24. September im Wiener Ronacher www.musicalvienna.at