„Bloß keine Schnittblumen, das kann tödlich werden, da schwellen mir sofort alle Atemwege an. Und den Tisch bitte mit schwarzem Satin verkleiden. Chrom könnte die Zuschauer blenden. Was? Die Seidenrosen auf der Bühne sind gelb? Also, das geht gar nicht.

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Bitte alles zurück. Doch nicht die‚Traviata‘ von Karajan einspielen, bei der ‚Traviata‘ gibt es nur Kleiber, Kleiber ... Kompliziert? Ich? Nein, gar nicht, ich bin total easy. Wie was essen? Also, ich esse doch 16 Stunden nichts, Paris ruft, Haute Couture. Die sind ja so süß bei Balenciaga ... Abends vielleicht, aber wirklich nur eine Winzigkeit. Aber Obacht: Ich habe eine Kaviarallergie, der rote geht, der schwarze gar nicht ... Och, ihr seid ja alle so süß!“

Betrachten Sie diesen Monolog als ein semifiktives Beispiel für eine ehemalige Burgtheater-Diva, die auch dafür berühmt war, dass ihre Garderobe auf 32 Grad aufgeheizt werden musste. Im Lauf der Jahre durfte ich im Zuge eines Festivals Dienste an Diven und Divos tun, die dafür als Inspirationsquellen dienten.

Die goldene Trophäe an egozentrischem Verhalten schoss Ex-Burgtheater-Direktor Claus Peymann ab, dessen Assistentin allen Ernstes von mir verlangte, dass ich den Frühstücksraum jenes Hotels, in dem er für eine Lesung untergebracht werden sollte, aus allen Winkeln zu fotografieren hätte, damit man vorweg jenen Platz reserviere, an dem er Überblick und Ungestörtheit am besten kombinieren könne. Ich raffte all meinen Mut zusammen und verweigerte diesen Genieservice. Und überlebte wundersamerweise.

Nach solchen Betreuungsintensitäten musste ich oft einen Tag flachliegen, da war kein einziger Tropfen Energie mehr im Tank. Aber am Ende war und ist es meist wie bei einer Geburt: Im Moment des Entstehungsprozesses Schmerzen, danach Glück.

Denn meist haben die größten Exzentriker auch die größte Begabung im Handgepäck, begleitet von Besessenheit und der Disziplin, diese Besessenheit auch mit jeder Faser auszuleben. Die Rosendame lebte übrigens damals jeden Satz, den sie las. Und das Publikum saß erstarrt gleich Mäusen vor einer faszinierenden Klapperschlange.

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Der fruchtbarste Boden für Diven waren immer Opernhäuser. Unvergessen jene Antwort Jessye Normans auf die Ermahnung ihres Dirigenten Simon Rattle, pünktlich bei den Proben zu erscheinen: „I’d rather pray for you, Simon, than rehearse with you.“ (Ich würde es eher vorziehen, für dich zu beten, als mit dir zu proben.)

Die Macht, die die künstlerische Unantastbarkeit verleiht, ist die beste Voraussetzung für ein Diva- oder Divo-Leben. Vielleicht sind ja Theater und Oper die letzten Schutzräume für diese inzwischen aussterbende Spezies, die einerseits wie aus der Zeit gefallen wirkt, aber dennoch so viel Glamour in eine Welt bringt, in der inzwischen weniger geschillert als gelikt und gefollowt wird.

Vielleicht bräuchte es ja so etwas wie einen Artenschutz-Coach für Exzentriker solchen Zuschnitts. Allerdings nur dann, wenn ihre Kunst die Anstrengungen auch rechtfertigt. Denn Allüren ohne Talent sind so mühsam wie lästig.

Am Ende des Tages ist es doch so, wie Billy Wilder es einst auf den Punkt gebracht hat. Nachdem er gefragt wurde, wie er die Unpünktlichkeit, Textunsicherheit und Launenhaftigkeit von Marilyn Monroe während der Dreharbeiten zu der Jahrhundertkomödie „Some Like It Hot“ auch nur irgendwie ertragen konnte, antwortete er:

„Meine Tante Rita aus Ottakring war immer pünktlich. Nur wollte die keiner sehen.“