Alle sind begeistert von dem neuen Falco-Musical „Rock Me Amadeus“. Die Fanclubs strömen ins Ronacher, der Hauptdarsteller wird hymnisiert, ein neuer Spielfilm mit (Gerüchten zufolge) Noah Saavedra ist in Vorbereitung, auf Instagram rivalisieren Falco-Verehrungscommunitys miteinander.

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Mit Hans Hölzel hat das Land seinen „Austrian Elvis“ bekommen. Und der Mythos wird warm gehalten, und mit jedem Wärmegrad mehr steigert sich die kollektive Verklärung.

Der Wahrheitsgehalt des Satzes „Muss ich denn sterben, um zu leben?“ aus der posthum veröffentlichten Single „Out of the Dark“ wirkt nahezu gespenstisch.

Denn am Ende seines kurzen Lebens hatte die Kunstfigur Falco, „dieses Monster, das ich mir herangezüchtet habe“, durchwegs tragische Züge. Nicht nur wegen seiner privaten Katastrophen wie einer Tochter, die, wie sich sehr viel später herausstellen sollte, nicht die seine war, Alkoholabstürzen, Tablettensucht, schnell wechselnden Romanzen, oftmals auf anstrengend toxischem Johnny-Depp-Niveau, sondern vor allem wegen seiner Selbstzweifel und der oft ungestillten Sehnsucht, vom zeitgeistigen Feuilleton und den Intellektuellen genauso umarmt zu werden wie von den in die Stadthalle pilgernden Massen.

Kein Popstar zum Angreifen

Der Spagat zwischen Schlagernacht und den frühen „Wiener“-Covern, wo er, auf androgynen Chic gebürstet, posiert hatte, war kaum zu halten. Als ich ihn das erste Mal 1988 für das längst entschlafene Monatsmagazin „Basta“ interviewte, stand er bereits mit dem Rücken zur Wand einer Weltkarriere. Ein Konzert in der Stadthalle musste wegen mangelnden Publikumsinteresses abgesagt werden, das Album „Wiener Blut“ war ein Flop, Kernfamilien-Inszenierungen in Teenie-Postillen mit Vokuhila und Kinderwagen hinterließen Schrammspuren am Image.

Seine Antenne hatte ihm schon damals gemeldet: „Kana will an Popstar zum Angreifen.“ Und trotzig wiederholte er damals mantramäßig: „Die (damit waren die Austropopper gemeint) sollen dort einmal hinriechen, wo i scho amal hingepinkelt hab.“

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Falco

Moritz Mausser: Held von heute

Er ist 23, studiert noch, war schon Fräulein Rottenmeier und hat ein Faible für 3D-Drucker. Mit seiner Rolle des komplexen Grenzgängers Hans Hölzel in „Rock Me Amadeus – Das Falco-Musical“ wurde Moritz Mausser schlagartig zum adorierten Bühnenstar. Weiterlesen...

Es war die Arroganz der Verzweiflung. Durch seinen frühen James-Dean-Tod in einem Jeep, vollgepumpt mit allem, was man nicht wissen möchte, entzog er sich jeglicher irdischer Bewertungsgrundlage. „Als der Grunge kam, war es für ihn vorbei“, hatte sein langjähriger Videoproduzent Hannes Rossacher angemerkt, als wir uns für einen „profil“-Artikel den Mitschnitt eines letzten Konzertauftritts zu Silvester 1997 in dessen Studio ansahen: Ein trauriges Bild, Location war der Duty-free-Shop „Excalibur“, die Darbietung Playback, und Hans Hölzel versuchte verzweifelt, mit zackigen Bewegungen und in einem schwarzen Gummifrack vor einer Werbetafel das „Monster“ Falco zu reanimieren.

Das Ende als Unterhaltung

Es war ein schmerzhafter Anblick. Doch die Abstürze und Talfahrten waren ein wesentlicher Teil dieser Legendenbildung. Katastrophen von Prominenten sind nun einmal seit der Geburt Hollywoods „die heißeste Form der Unterhaltung“, so der Popkultur-Forscher Neal Gabler.

Meine letzte Begegnung mit Hans Hölzel fand 1994 in einer Kuranstalt in Hofgastein statt, wo er sich wieder einmal trockenlegen lassen wollte. Er spielte mir das letzte Interview von Oskar Werner auf einem Videogerät vor („In der Nähe unverstandener Trinker fühle ich mich am wohlsten“).

Als Werner in jenem unvergleichlich nasalen Tonfall, den Falco gerne kopierte, den Satz „Charakter ist unser Schicksal“ sagte, stand er auf und sagte mit zusammengeschlagenen Hacken: „Du hast ja so recht, Oskar.“

Zur Person: Angelika Hager

Sie leitet das Gesellschaftsressort beim Nachrichtenmagazin „profil“, ist die Frau hinter dem Kolumnen- Pseudonym Polly Adler im „Kurier“ und gestaltet das Theaterfestival „Schwimmender Salon“ im Thermalbad Vöslau (Niederösterreich).