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(c) Antoine Doyen

INDIA MAHDAVI ERHHÄLT LIVING LIFETIME ACHIEVEMENT 2024

Award

Eine Preisträgerin der Falstaff LIVING Design Awards 2024 steht bereits jetzt fest: Die Designerin India Mahdavi wird dieses Jahr mit dem Lifetime Achievement Award bedacht. Im Interview spricht sie über ihre Liebe zur Farbe, über ihre kosmopolitische Erfahrung und über Schönheit und Harmonie. Anlässlich der Preisverleihung bei der VIENNA DESIGN WEEK wird sie erstmals Wien besuchen.   

LIVING Ihnen wird bei der VIENNA DESIGN WEEK im September der LIVING AWARD verliehen. Was bedeuten Auszeichnungen für Sie?

India Mahdavi Während ich arbeite, denke ich über Awards nicht nach, und ich bewerbe mich auch nicht aktiv darum. Aber auf der anderen Seite fühle ich mich sehr glücklich und geehrt, wenn ich einen bekomme. Wenn man merkt, dass Menschen das eigene Werk wahrnehmen und wertschätzen, ist das ein wunderschönes Gefühl.

In Ihrer Biografie auf Instagram bezeichnen Sie sich selbst als »polyglott und polychrom«. Inwiefern prägt Sie Ihre polyglotte Erfahrung als Weltreisende?

Ich bin schon als Kind sehr oft umgezogen und musste mich überall anpassen: Iran, USA, Deutschland, Südfrankreich, New York, Paris. Also lernte ich, genau zuzuhören, die jeweiligen kulturellen Codes zu verstehen, die Umgebung wahrzunehmen. Das tue ich bis heute am Anfang eines jeden Projekts. Ich höre zu, ich versuche herauszufinden, was die Kund:innen motiviert hat, mich zu fragen. Das bedeutet auch, dass meine Antworten immer unterschiedlich ausfallen. Polyglott und polychrom bedeutet, dass ich viele Kulturen, viele Leben, und viel Farben in mir trage.

Kommen wir zum polychromen Aspekt. Starke Farben spielen eine zentrale Rolle in Ihren Designs. Wo liegen die Ursprünge dieser Farbenfreudigkeit?

Meine Leidenschaft für Farbe kommt aus meiner Jugend in den USA der 1960er-Jahre. Cartoons, Farbfernsehen, Filme in Technicolor und dieses besondere orange Licht der amerikanischen Ostküste. Als meine Familie dann nach Deutschland zog, war das für mich wie ein Trauma. Plötzlich war der Himmel niedrig und alle Gebäude waren grau! Mein ganzes Leben habe ich versucht, dieses Glück der Farbe wieder einzufangen. Ob ich eine Lieblingsfarbe habe? Nein, ich mag sie alle! Es geht darum, wie man sie kombiniert.

Sie haben Architektur, Design und Industriedesign studiert. Wie überschneiden sich diese Disziplinen heute in Ihrer Arbeit?

Sie sind ein und dasselbe. Ich bin in einem sehr kosmopolitischen Umfeld aufgewachsen und habe mich von kulturellen Grenzen befreit. Warum also sollte ich in meiner Arbeit neue künstliche Grenzen errichten? Egal, ob ich etwas Kleines oder Großes entwerfe, am Anfang eines jeden Projekts steht für mich immer die Aufgabe: Welche Frage möchte ich damit beantworten?

Das Restaurant »Ladurée« in Beverly Hills zelebriert den Hedonismus auf sanfte, blumige Weise.

(c) Trevor Tondro

India Mahdavis Gestaltung für das Londoner Restaurant »Sketch« ist Teil des Ikonen-Kanons.

(c) Thomas Humery

Die »Trattoria Cavallino« auf dem Firmenareal von Ferrari.

(c) Danilo Scarpati

Die »Villa Medici« in Rom ist eines ihrer Prestige-Projekte.

(c) François Halard

Können Sie uns dafür ein Beispiel nennen?

Nehmen wir das Interieur für die Villa Medici in Rom. Eine schwierige Aufgabe, denn die Villa ist eine Institution und ihre Zimmer sind unfassbar schön. Wie könnte ich dieser Schönheit neue Schönheit hinzufügen? Wie kann ich etwas erschaffen, das an diesem historischen und magischen Ort einen Wert hat? Meine Antwort auf diese Fragen war: indem ich mich auf die menschliche Erfahrung konzentriere. So konnte ich die riesigen Schlafzimmer verbessern, indem ich die Betten anhob, sodass man von ihnen durchs Fenster auf Rom schauen kann. Diese Idee der gezielt intensivierten Erfahrung führte ich dann in jedem Zimmer auf andere Art weiter.

Apropos Schönheit: Ist sie ein Kriterium, wenn Sie etwas entwerfen?

Ich denke eher selten in diesem Begriff, mir liegt die Harmonie näher. Aber es ist immer interessant, mit dieser Harmonie zu brechen. Orte, die zu schön sind, finde ich etwas erstickend, sie machen es schwer, kreativ zu sein. Zu viel Perfektion wird langweilig, erst recht heute, wo digitale Werkzeuge wie KI so viel Perfektion ermöglichen. Uns berührt das, was menschlich ist, eben gerade deshalb, weil es nicht perfekt ist. Im Unperfekten liegt die Zukunft.

Sie haben also keine Sorge, dass sich KI im Design breitmacht?

Ich hätte es gerne, wenn die KI nicht die kreative Arbeit übernimmt, sondern das erledigt, was ich ungern tue. Die Buchhaltung zum Beispiel! Ich glaube, das physische Erleben unwiederholbarer Momente wird immer wichtiger werden, weil es keine reine visuelle Erfahrung ist und weil man es nicht fälschen kann.

INFO: India Mahdavi wird bei der VIENNA DESIGN WEEK 2024 den Falstaff LIVING Design Award im Rahmen einer Gala in Empfang nehmen. Mehr dazu lesen Sie hier >>

Maik Novotny
Autor
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