BÜHNE: Wie lange leben Sie schon in Wien?

Anzeige
Anzeige

Hyo-Jung Kang: Seit September 2021. Ich bin in Seoul / Südkorea geboren und aufgewachsen und mit 13 Jahren nach Washington gezogen, um die Kirov Ballet Academy zu besuchen. 2002 habe ich beim „Prix de Lausanne“, einem renommierten Tanzwettbewerb, teilgenommen und ein Stipendium an der John Cranko Schule in Stuttgart gewonnen. Nach diesem Jahr gab es die Überlegung, in meine Heimat zurückzukehren, aber dann habe ich ein Engagement beim Stuttgarter Ballett bekommen und bin sehr viel länger in Deutschland geblieben, als ich gedacht hätte.

In welchem Alter haben Sie mit dem Tanz begonnen?

Ich war ungefähr sieben Jahre alt. Viele fangen früher damit an, aber für mich war das ein gutes Alter. Ich war als Kind sehr schüchtern und meine Mutter dachte, Tanz sei eine gute Möglichkeit, meine Schüchternheit zu überwinden und eine bessere Körperhaltung zu bekommen. Ich glaube nicht, dass sie aus mir eine professionelle Tänzerin machen wollte. Aber als ich mit Ballett begonnen habe, gab es für mich keine Alternative mehr.

Claudine Schoch

Claudine Schoch: Erste Solotänzerin des Wiener Staatsballetts

Nach der Ausbildung an der Ballettakademie München, an der Heinz-Bosl-Stiftung unter der Leitung von Konstanze Vernon und einem Engagement beim Bayerischen Staatsballett und dem Semperoper Ballett Dresden, arbeitete sie von 2011 bis 2018 eng mit Martin Schläpfer im Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg zusammen. Nach einem Intermezzo beim Ballett Theater Basel, ist sie seit der Spielzeit 2020/21 Erste Solistin beim Wiener Staatsballett. Weiterlesen...

Haben Sie familiär einen künstlerischen Background?

Ja, aber eher einen musikalischen. Mein Großvater war Dirigent und Musikprofessor, meine Tante Opernsängerin. Ich habe viele Jahre Klavier gespielt und auch ein wenig gesungen. Letztendlich hat es mich zu einer besseren Tänzerin gemacht, dass ich es gewöhnt war, Musik bewusst zu hören. Bis heute liebe ich Musik.

Anzeige
Anzeige

Wann waren Sie sicher, dass Ballett Ihr Traumberuf ist?

Da war ich ungefähr 11. Wir mussten umziehen, weil mein Vater einen neuen Job angenommen hatte. Von Seoul in eine kleinere Stadt, in der es keine Ballettschule gab. Meine Eltern meinten, ich hätte genug getanzt und sollte mich auf die Schule konzentrieren, in der ich ohnehin gut war. Da habe ich zum ersten Mal gegen sie rebelliert, weil mir klar wurde, wie wichtig mir der Tanz war. Ich habe durchgesetzt, dass die Familie wieder nach Seoul zurückgekehrt ist. Meinen Vater haben wir ganz allein gelassen (lacht). In dieser Hinsicht haben mich meine Eltern also sehr unterstützt. Interessanterweise war ich auf der Bühne auch nie schüchtern.

Was wir am öftesten hören, ist Hör auf zu denken, lass deinen Körper machen, denn er weiß am besten, was zu tun ist.

Hyo-Jung Kang, Erste Solotänzerin

Welche Fähigkeiten sollte man mitbringen, wenn man Tanz zum Beruf machen will?

Disziplin. Das Wichtigste im Tanz ist aber die Basis. Viele Verletzungen rühren daher, dass Bewegungen nicht richtig ausgeführt werden. Wenn man korrekt arbeitet, ist es auch anatomisch gesund. Die Basis ist für mich also die Medizin. Ich versuche noch immer, meinen Körper zu perfektionieren. Das hört nie auf.  

Was ist das Schöne daran, auf einer Bühne zu stehen?

Ich liebe narrative Ballette mit Handlungen und Charakteren. Und wenn es keine Geschichte gibt, versuche ich, mir eine eigene zu kreieren. Es ist schwierig, darauf eine konkrete Antwort zu geben. Es ist die Musik, der Austausch, die Energie. Man kommuniziert mit dem Orchester und dem Publikum, das ist wie Magie.

Alexey Popov

Alexey Popov: Erster Solotänzer des Wiener Staatsballetts

Als Kind zweier Tänzer wuchs der gebürtige Moldawier im Theater auf, entdeckte mit 10 Jahren das Ballett für sich und absolvierte eine Ausbildung an der berühmten Waganowa-Ballettakademie Sankt Petersburg. Anschließend war er sechs Jahre in der Ballettcompagnie des Mariinski-Theaters und fünf Jahre beim Bayerischen Staatsballett engagiert. Seit der Spielzeit 2021/22 ist er Erster Solist des Wiener Staatsballetts. Weiterlesen...

Leiden Sie unter Lampenfieber?

Nach den Lockdowns hatte ich für kurze Zeit tatsächlich Lampenfieber. Wir haben zwei Jahre lang kaum vor Publikum getanzt, sondern höchstens vor einer Kamera, und als wir wieder öffentlich auftreten konnten, war das großartig und angsteinflößend zugleich. Es hat aber nicht lange gedauert, bis ich die Zweifel wieder verloren hatte, denn es war ziemlich traurig, vor leeren Zuschauerrängen für TV-Aufzeichnungen zu tanzen. Es hat sich angefühlt, als wäre der Sinn verlorengegangen.

Wie lange merkt man sich eine Choreographie?

Ich denke, das ist individuell unterschiedlich. Ich vergesse eigentlich relativ schnell, aber mein Körper erinnert sich daran. Was wir am öftesten hören, ist: „Hör auf zu denken, lass deinen Körper machen, denn er weiß am besten, was zu tun ist.“

Haben Sie neben dem Tanz noch Zeit für andere Interessen?

Das ist eine gute Frage (lacht). Ich gehe gerne in Restaurants, weil Essen meine zweite Leidenschaft ist. Koreaner lieben es, zu essen, zu trinken und zu tanzen. Essen ist Teil unserer Kultur. Aber natürlich fehlt es uns Tänzer*innen an Zeit, und es gibt nicht viele Dinge, die wir als Hobby machen dürfen. Skifahren ist zum Beispiel nicht erlaubt, weil es zu gefährlich ist. Man könnte sich dabei verletzen. In meiner Freizeit gehe ich üblicherweise zur Physiotherapie oder ich kümmere mich um meine Spitzenschuhe, mache also wieder Dinge, die dem Ballett dienen. Aber ich liebe das. Wenn wir an einem narrativen Ballett arbeiten, lese ich intensiv Bücher und schaue jeden Film, den es darüber gibt, um mir eine Rolle anzueignen.

Zu den Spielplänen der Wiener Staatsoper und der Volksoper Wien