Die letzten Tage der vereinsamten Maria Callas zeigten, wie grausam verblassender Ruhm sein kann. In ihrem Ankleidezimmer in der Pariser Avenue George Mandel hingen 40 Nerzmäntel, in einer Schmuckschale türmten sich die Perlenketten. Doch das wichtigste Accessoire im Leben von „la Divina“ war eine Dose, in der ihre Psychopharmaka kullerten. Auf einem Zettel standen ihre letzten Worte: „… am Ende meines Lebens keine Freude, keine Freunde, nur Drogen … FINE …“ Tod durch Herzversagen mit nur 53 Jahren. Aber Callas war ohnehin der Meinung, dass sie längst gestorben sei: „Als ich meine Stimme verloren habe, war ich tot.“

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Angelina Jolie steht gerade als Callas vor der Kamera; der chilenische Regisseur Pablo Larraín inszeniert die Tage vor jenem 16. September 1977, als die Callas in ihrer Wohnung mit aufgelösten Haaren zusammenbrach. Im Sterben besaß die Callas schon fantastische Übung: Als Norma, Mimì, Violetta und Lucia hatte die „Offenbarung“, „das Elementarereignis“ – über das Luchino Visconti sagte, „Wir sind nur da, um ihr zu dienen“ – hundertfach die Erde verlassen. Wollen wir für die filmische Reanimation das Beste hoffen, denn die mimische Palette der Jolie ist doch recht überschaubar – im Gegensatz zur Callas, die jenen künstlerischen Spagat zwischen leidenschaftlicher Ausdruckskraft und göttlicher Stimmgewalt mühelos beherrschte. Statisches Herumstehen bei Arien, adieu! Eine geniale Verschränkung von Begabungen, die auch Anna Netrebko zur Ausnahmekünstlerin machte.

Maria Callas

Kultur in Zahlen: Maria Callas

Die griechische Sopranistin gilt vielen als beste Opernsängerin aller Zeiten. Ihr Leben war geprägt von Triumphen und Tragödien. Am 2. Dezember jährt sich der Geburtstag von Maria Anna Cecilia Sofia Kalogeropoulou zum 100. Mal. Weiterlesen...

Empfehlenswert ist in jedem Fall der Dokumentarfilm des französischen Fotografen Tom Volf „Maria by Callas“, ein Porträt aus dem Jahr 2017, in dem sich Archivmaterial um ein bislang unveröffentlichtes TV-Interview rankt. Eine Flut neuer Tonträger überschwemmt zum Geburtstag den Markt: Callas ist bis heute „eine singende Geldmaschine“ geblieben, wie sie sich selbst einmal bezeichnete. Eine neue Biografie von Eva Gesine Baur, „Die Stimme der Leidenschaft“, dokumentiert zusätzlich, welche Demütigungen, Niederlagen und Häme die Tochter eines pleitegegangenen Apothekers und einer Mutter, die die Begabung ihrer Tochter knallhart zu missbrauchen wusste, ertragen musste: Auftritte mit schwerer Bronchitis, Pfeifkonzerte, mit Exkrementen beschmierte Torschnallen an ihrer Mailänder Villa, nachdem sie eine Vorstellung in Rom (in Anwesenheit des Staatspräsidenten) abbrechen musste, und die ständige Angst, stimmlich nicht mehr in diese Höhen klettern zu können, in die vor ihr keine Sopranistin gekommen war, und dann die endgültige Gewissheit, dass es einfach nicht mehr geht.

„Ein Leben auf der Rasierklinge“, wie Ingeborg Bachmann über die Callas schrieb; viele Schnittwunden stammten aus der Liebestragödie mit dem ihr gegenüber oft grausamen Aristoteles Onassis. „Sängerinnen und Sänger sind Athleten, Hochleistungssportler“, sagte der Schauspieler Sven-Eric Bechtolf, der auch Opern inszeniert. Gefangen im Käfig der Disziplin. „Ich weiß, dass ich einmal meine Stimme zurückgeben werde müssen“, erklärte Cecilia Bartoli einmal in einem Interview, „in diesem Bewusstsein muss ich leben.“ Oder, wie es einmal ein Opern-Zyniker formulierte: „Irgendwann ist die Zeit für Liederabende einfach angebrochen“, und damit meinte, dass die abnehmende Bühnentauglichkeit zwangsläufig in dieses Genre führt. Vergleichbar mit einer zunehmenden Textschwäche, die Schauspieler*innen im Alter manchmal ereilt – dann weicht man auf Lesungen aus. Nirgends liegen Euphorie und Brutalität so nahe beieinander wie in den darstellenden Künsten.