Der Tag startet für alle Mitarbeiter der Wiener Kammerspiele im ersten Bezirk mit Coronatestungen. Geprobt wird auf Distanz, der Geruch von Desinfektionsmittel liegt in der Luft und Schutzmasken verbergen zeitweise die Mimik des Gegenüber. Das Theateralltag hat sich verändert. Doch die Freude, dass es nun endlich wieder losgehen kann, ist zum Greifen spürbar.

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Die Bühne hat Theater- und Fernsehschauspielerin Maria Köstlinger am Rande der Proben für das neue Stück „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“ von Peter Turrini getroffen. Köstlinger und Johannes Krisch spielen ein von der Diagnose Alzheimer eingeholtes Ehepaar, das nun gemeinsam sein Leben durchläuft: ein Auf und Ab von Liebe, Betrug, Leidenschaft, Abneigung, Zuneigung, Verlangen und Sehnsucht. Am Samstag hat das Stück Premiere.

Heute ist einer Ihrer ersten Probetage, zurück in den Kammerspielen der Josefstadt. Wie haben sie das abrupte Stoppen des Spielbetriebs aufgrund der Corona-Pandemie erlebt?

Es war ein unglaublicher Schlag. Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass das hier bei uns passieren kann. Dann versucht man relativ schnell mit der neuen Situation zurechtzukommen. Wir aus dem Ensemble der Josefstadt wussten aber, dass wir gut aufgehoben sind.

Wie geht es Ihnen nun, zurück auf den Bühnenbrettern?

Es ist für mich emotional, hier im Zuschauerraum zu sitzen und unser Bühnenbild zum ersten Mal zu sehen. Das ist ein richtiger Flash. Da merke ich schon, dass es nach so langer Zeit endlich wieder losgeht.

Johannes Krisch (R) als "Er" und Maria Köstlinger als "Sie" am Dienstag, 15. September 2020, während einer Probe von "Gemeinsam ist Alzheimer schöner" in den Kammerspielen der Josefstadt in Wien. Die Uraufführung findet am 19. September 2020 statt.

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Worum geht es in „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“?

Es geht um ein Ehepaar (Köstlingers Spielpartner ist Johannes Krisch, Anmerkung der Redaktion), das schon im Altersheim lebt und immer wieder zurück denkt an das ganze Leben: an die Jugend, an das Kennenlernen, politische Positionen in verschiedensten Zeiten, an Schwangerschaften – an all das, was zu einem Eheleben so dazugehört. Aber auch an große Konflikte, Träume, die zerplatzt sind und Wünsche, die nicht erfüllt werden konnten: all das, was ein Leben so spielt.

Mit einer Alzheimer-Erkrankung vergisst man immer mehr davon – und das ist die große Frage: Was passiert dann? Ist das, was gesagt wird, tatsächlich Realität? Ist das jetzt? Oder das Damals? Es gibt viele Kurven und Ecken, wo sich der Zuseher selbst vieles denken und zurechtrücken muss.

Je mehr Erfahrungen man sammelt, desto mehr kann man auf das eine oder andere als Schauspielerin auch zugreifen.

Schauspielerin Maria Köstlinger über Kunst und Lebenserfahrung

Oft hat man bei einem Theaterstück am Ende mehr Informationen über die Protagonisten, und die Figuren kennen sich selbst besser. Hier ist es umgekehrt. Es wird alles vager. Wie empfinden Sie das beim Spielen?

Das ist ein schöner Schachzug von Peter Turrini. Es entsteht keine Spange, die sich immer weiter schließt, sondern sie geht immer weiter auseinander. Das Schöne ist, dass sich das Paar am Schluss fast wieder neu begegnet in seinem sehr fortgeschrittenen Alter. Sie wissen gar nicht mehr genau, was schon war. Er bleiben nur Brocken übrig. Es ist auch eine Art Versöhnung und hat etwas Tröstendes. Ich fand das sehr berührend. Denn wir wissen ja nicht, wie es bei uns allen wird am Schluss.

Foto: Moritz Schell Johannes Krisch und Maria Köstlinger bei den Proben zu "Gemeinsam ist Alzheimer schöner".
Johannes Krisch und Maria Köstlinger bei den Proben zu "Gemeinsam ist Alzheimer schöner".

Foto: Moritz Schell

Hat Sie die Zwangspause durch Covid-19 als Schauspielerin verändert?

Ich glaube, es gibt im Laufe eines Lebens immer wieder Punkte, die einen verändern. Natürlich ist man als junger, sehr agiler, sehr kräftiger, sehr mutiger Mensch noch ganz anders unterwegs. Dann verändert sich die private Situation: Man wird Mutter. Oder man erlebt Schicksalsschläge. All das macht etwas mit einem. Das breitet sich auch auf die Arbeit aus. Je mehr Erfahrungen man sammelt, desto mehr kann man auf das eine oder andere als Schauspielerin auch zugreifen oder es besser verstehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Herbstsaison in den Kammerspielen der Josefstadt eröffnet die siebente Uraufführung von Peter Turrini: „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“.
Premiere, Samstag, 19. September, 19.30 Uhr

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