Die Welt ist eine Baustelle. Sehr viel passender als in der momentanen Situation könnte dieser Satz wohl kaum sein. Und weil nach dem ebenso bekannten wie beliebten Sprichwort die Welt ja auch eine Bühne ist, findet das Interview mit Schauspielerin Sabine Haupt auf einer Baustelle statt. Aber nicht die Probebühne des Burgtheaters im Wiener Arsenal ist dringend renovierungsbedürftig, sondern das Finanzamt, in dem sich Felicia Zellers Komödie „Der Fiskus“ abspielt, die Sabine Haupt gerade probt.

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Wie unter einem Brennglas

Schnell kommt die in Frankfurt geborene Schauspielerin, die wir direkt nach der Probe im Arsenal treffen, darauf zu sprechen, warum das vor uns aufgebaute Bühnenbild auch ein Abbild des Zustands unserer Welt ist. „Wie unter einem Brennglas zeigt dieses Stück, was in unserer Welt aktuell los ist. Gerade vor dem Hintergrund der Pandemie müssen wir uns Fragen nach sozialer Verantwortung und Steuergerechtigkeit dringend stellen. Felicia Zeller siedelt ihr Stück in einem Finanzamt an, beschreibt dies dabei als langweiligsten Ort der Welt, verweist damit vor allem aber auf Fragestellungen, die in der momentanen Situation eine große Rolle spielen.

All die negativen Konnotationen, die dem Thema Steuern in unserer Gesellschaft anhaften, widersprechen dem, was Steuern sein sollten. Denn es geht dabei um die Verantwortung, die wir für die Gesellschaft und für uns selbst haben – es geht also um Solidarität, und um soziale Verantwortung, auch in einer globalen Dimension, und genau in diesen Punkten krankt es.“ Obwohl diese komplexen Themen, wie Sabine Haupt anmerkt, in „Der Fiskus“ auf durchaus komödiantische Weise und in sehr hohem Tempo abgehandelt werden, „sind wir durch das Material des Stückes stark an all die Dinge angebunden, die gerade in unserer Welt passieren, ohne dass wir sie genau fassen können“. 

Kampf für Gleichstellung

Seit 1999 gehört Sabine Haupt zum Ensemble des Burgtheaters. Während dieser Zeit hat sich für sie vor allem eines ganz deutlich herauskristallisiert. „Für mich ist Theater vor allem Ensemble. Wenn bei einer Produktion eine Atmosphäre entsteht, in der das Ensemble sich frei ausprobieren und sich gegenseitig inspirieren kann, dann ist das mein größtes Glück. Für mich ist es dann auch gar nicht mehr so wichtig, welche Rolle ich spiele“, sagt sie und beginnt einige Inszenierungen aufzuzählen, bei denen sie das so erlebt hat: „Verbrennungen“ in der Inszenie­rung von Stefan Bachmann zum Beispiel, aber auch das von Itay Tiran auf die Bühne gebrachte „Vögel“ und ganz aktuell „Das Himmelszelt“ der britischen Autorin Lucy Kirkwood – um nur einige wenige zu nennen. 

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Zwar nimmt „Das Himmelszelt“ einen besonderen Platz auf Sabine Haupts Liste ihrer Lieblingsstücke ein, Stücke wie dieses sind auf den Spielplänen deutschsprachiger Theater aber eher selten zu finden. Denn obwohl es längst nicht mehr so sein sollte, ist es auch heute noch etwas Besonderes, wenn ein Ensemble fast ausschließlich aus Frauen besteht. „Die umgekehrte Variante kenne ich, seit ich Theater spiele. Es ist immer noch die Norm, dass Geschichten aus Männerperspektive erzählt und von Männern inszeniert werden“, erklärt die Schauspielerin in einem Tonfall, der ganz und gar nicht nach Resignation, sondern nach Entschlossenheit klingt.

Schließlich stehen wir hier auf den Brettern, die die Welt bedeuten, aber diese Bretter sind von dem beherrscht, was die Welt für die Männer bedeutet. 

Sabine Haupt

Kein Beruf, sondern Leidenschaft

Nur langsam nimmt sie in diesem Bereich Veränderungen wahr, findet aber, dass das Theater insgesamt immer noch sehr hintennach ist, wenn es um Gleichstellung und die betrieblichen Strukturen geht. Es ist ein Thema, das Sabine Haupt sehr beschäftigt und bei dem sie im Laufe ihrer Karriere auch schon einiges an Emanzipations- und Aufklärungsarbeit geleistet hat. „Deshalb bin ich auch absolut für die Quote“, ergänzt sie. „Schließlich stehen wir hier auf den Brettern, die die Welt bedeuten, aber diese Bretter sind von dem beherrscht, was die Welt für die Männer bedeutet.“ 

Ihre Arbeit am Theater nimmt Sabine Haupt nicht als Beruf, sondern als Leidenschaft wahr. Dass es dadurch hin und wieder zu Zerreißproben kommt, ist gut nachvollziehbar. „Ich habe deshalb immer versucht, mir ein Außen zu schaffen, das eine Form von Ausgleich darstellt“, sagt sie. Außerdem sei sie, wie sie gegen Ende des Gesprächs erzählt, früh Mutter geworden, und ihre Tochter habe sie immer wieder zurück auf den Boden geholt. Ob sie während ihrer Zeit am Burgtheater manchmal darüber nachgedacht hat, woanders hinzu­gehen? „Solche Momente gab es durchaus“, meint sie. „Natürlich wünscht man sich als Schauspielerin oder Schauspieler ans Burgtheater, aber dort angekommen, erfährt man genauso wie woanders schwierige Situationen und Phasen, in denen man einfach unglücklich ist. Die Entscheidung, zu bleiben, habe ich aber nie bereut.“

Zur Person: Sabine Haupt

Vor ihrem Engagement am Burgtheater war Sabine Haupt bei den Städtischen Bühnen Bielefeld und am Thalia Theater in Hamburg, wo sie bereits mit Martin Kušej zusammenarbeitete. Seit der Saison 1999/2000 ist sie Ensemblemitglied des Burgtheaters.

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Informationen zu den Stücken und exklusive Probeneinblicke finden Sie auf der Website des Burgtheaters