1. Ich habe da eine – für mich – etwas kontraproduktive Frage zum Start: Wie bricht man höflich ein langweiliges Interview ab?

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Da fragen Sie am besten den Bundeskanzler, die Frauenministerin, die Arbeitsminis­terin oder die Verteidigungsministerin – die können das perfekt. Die brechen ihre „ZiB 2“-Interviews nicht einmal mehr ab, die schauen, dass sie erst gar nicht anbrechen. Als Einleitungssatz verwenden sie gerne: „Lassen Sie mich zuerst Folgendes sagen …“ 

2. Und welcher Politiker löst bei Ihnen einen Abschaltreflex aus?

Ich habe soeben ein paar davon ­genannt – aber privat sind das sicher wunderbare Menschen, die mit ihren Partnern, Kindern und Haus­tieren ja wohl etwas sinnstiftender kommunizieren werden. Übrigens schalte ich die Nachrichten nicht ab, ich stehe das durch, es hat ja auch einen gewissen Unterhaltungswert. 

3. Wir sollten eigentlich über Ihr neues Stück reden. Worum geht’s darin?

Wir ärgern uns, wenn ein Banko­mat nicht funktioniert. Mein Antiheld Alfred H. erlebt diesbezüg­lich Traumatisches. Kein einziger Bankomat funktioniert, obwohl H. genug Geld auf seinem Konto hat. Er stürmt wütend die Bank, dort sagt man ihm: „Sorry, Ihr Geld ist leider nicht verfügbar, Geld ist aber auch nicht so wichtig. Was brauchen Sie? Ein Hochzeitsgeschenk für Ihre Frau? Da helfen wir Ihnen gerne, denn für uns zählt der Mensch.“ 

Wir sind für dich da."

Daniel Glattauer über Heilsversprechungen von Banken
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4. Wie kommt man auf so eine Idee?

Darauf haben mich die gängigen Werbeslogans für Banken gebracht. Da heißt es: „Vertrau auf dich“, „Glaub an dich“, „Dir gehört die Zukunft“, „Du bist so super“, „Schau auf dich“, „Wir sind für dich da“ – das klingt nach Lebensberatung und Therapie. Ein Wort kommt dabei gar nicht mehr vor: Geld! Sollen wir es verges­sen? Oder gleich darauf verzichten? 

5. Und was soll darüber in den Premierenkritiken stehen?

Darf ich unbescheiden sein? „Ein äußerst ­vergnüglicher Abend“, „Eine glanzvolle Komödie“, „Das Publikum hat sich köstlich amüsiert“, „Tolles Stück, wunderbare Inszenierung, großartige Schauspieler“. Da fiele mir einiges ein.

6. Wie soll das Publikum reagieren? 

Darf ich noch einmal unbescheiden sein? Mit Begeisterungsstürmen, Lachanfällen, Standing Ovations für die Schauspieler. 

Ich selbst habe mich nie darüber definiert, wie sexy ich sein könnte.

Glattauer zur Frage, ob Erfolg sexy macht.

7. Und was wäre für Sie die größte ­Beleidigung am Premierenabend?

„Sie haben sich redlich ­bemüht und sind sehr fleißig, aber leider fehlt Ihnen jedes Talent.“ 

8. Es ist wohl eher mit einem Erfolg zu rechnen. Macht der tatsächlich sexy?

Ich selbst habe mich nie darüber ­definiert, wie „sexy“ ich sein könnte. Ich glaube, das war auch besser so. Und das Alter gibt mir zunehmend recht. 

9. Sie sind gerade sechzig gewor­den. Woran merken Sie das Alter?

An den mindestens fünfzig Antworten, die ich Ihnen jetzt darauf geben könnte. Und dass ich zwischen ­jeder Antwort fünf Minuten Pause bräuchte, um mich davon zu erholen.

In Gedanken gibt es ­höchstens Selbstbetrug."

Glattauer über Fremdgehen im Kopf.

10. Sie schreiben häufig über Be­zie­hungen. Was mich beschäftigt: Ist Fremdgehen in Gedanken schon Betrug?

Nein. In Gedanken gibt es ­höchstens Selbstbetrug. Gedanklich ist ­alles ­erlaubt, was man sich zu ­denken erlaubt. Wobei das Thema Fremd­gehen wohl eher zu meinen vernach­lässigbareren Gedanken­gebilden zählt. Schon das Wort „Fremd­gehen“ klingt ja nach „Irrlauf“, nach einer ­gehörigen Portion Hilflosigkeit. 

11. Ist Betrug anstrengend?

Schon allein der Gedanke daran ist anstrengend.

12. Sind Sie gut im Frauen-Anlügen?

Wenn ich ehrlich bin, lüge ich ganz gut, aber wahrscheinlich viel zu selten, weil auch das Lügen mächtig anstrengend ist. Und zwischen Frauen und Männern mache ich da prinzipiell keine Unterschiede.

13. Tragen Sie Ihre Brille auch in der Badewanne?

Nein. Aber beim Schwimmen im Meer – sonst finde ich womöglich nicht mehr zum Ufer zurück. 

14. Was würden Sie Barry Gibb (von den Bee Gees; Anm.) gerne sagen? 

Ich würde zu ihm sagen: „Für mich wart ihr die coolste Band der Welt. Auch wenn ich der Einzige war, der das so sah.“ 

15. Was ist der klügste Satz, der je ­geschrieben wurde?

„Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück.“ 

Die einen macht er größenwahnsinnig, andere macht er süchtig."

Glattauer über negative Seiten des Erfolgs.

16. Die schlimmste Seite des Erfolgs?

Die einen macht er größenwahnsinnig, andere macht er süchtig, manche macht er blind. Ich habe ihn nie als Teil von mir gesehen, sondern immer nur von außen betrachtet, wie einen Pokal, den mir keiner mehr nehmen kann. Das hat mich vielleicht ein ­bisschen träge gemacht. Mein Erfolgshunger ist gestillt. Zumindest vorerst. 

17. Was ist das wichtigste Thema eines Bestsellers?

Ich kann Ihnen nur ein Thema anbieten, das in nahezu jedem Bestseller die emotionelle Basis ist: Liebe. Aber man muss sie selbst beim Schreiben spüren, sonst kann sie niemals die entsprechenden Gefühle bei Leserinnen und Lesern wecken.

Zur Person
Daniel Glattauer, 60, geboren in Wien.
War wie sein Vater Herbert O. Glattauer und sein Bruder ­Nikolaus erfolgreicher ­Journalist, ehe er Schriftsteller wurde. Seine Stücke und Bücher wie der Bestseller „Gut gegen Nordwind“ wurden in 35 Sprachen übersetzt.

Theatertipp
„Die Liebe Geld
Die neue Komödie von Daniel Glattauer hat am 24. September in den Kammerspielen der Josefstadt Premiere. Das Buch erscheint am 21. September.
Weitere Informationen und Karten: josefstadt.org