Zwischen den Traditionen: Miguel Saboya und seine zeitlosen Holzkreationen
Der brasilianische Designer und Kunsthandwerker Miguel Saboya hat sich für die Kreation seines einzigartigen Mobiliars auf den buchstäblichen Holzweg begeben. In seinem Atelier in Lissabon entstehen per Hand gefertigte, formvollendete Designerstücke.
An den Moment, als ihm klar wurde, dass er sein Leben schönen Dingen widmen wollte, kann sich Miguel Saboya noch heute erinnern. »Als ich noch ein Kind war, hat meine Mutter eines Tages beschlossen, unsere Esszimmerstühle auszutauschen«, erinnert sich der Designer und Kunsthandwerker im Gespräch mit Falstaff LIVING. »Ich musste weinen – denn mir gefielen die Stroharbeiten an den Sitzen der Vorgänger! Mein Interesse am Möbeldesign reicht also weit zurück.« Ein kleiner Sesseltausch bringt ihn mittlerweile nicht mehr aus dem Konzept, die Leidenschaft für schönes Interior ist dem Kreativen allerdings geblieben. Mehr noch: Heute kreiert Miguel Saboya selbst Mobiliar, das er in seinem gleichnamigen Atelier in portugiesischer Manier aus Holz fertigt.
Es war allerdings nicht die Liebe zum Handwerk, die den aus Rio de Janeiro stammenden Miguel Saboya ursprünglich über den großen Teich führte. »Ich bin 2015 wegen meines Sohnes, der Halbportugiese ist, nach Lissabon gezogen. Das war vor dem großen Boom, in dem sich die Stadt derzeit befindet, und der Szenenwechsel war für mich enorm!«, erzählt der Brasilianer. Zwar hatte er in Südamerika bereits als Designer gearbeitet, doch erst in seiner neuen Heimat entdeckte er die traditionelle Holzbearbeitung für sich. »Am Computer zu arbeiten, fühlte sich sehr distanziert an, ich hatte das Gefühl, dass ich einige meiner Projekte niemals zum Leben erwecken würde, wenn ich nicht selbst wüsste, wie man sie herstellt«, sagt er. In Portugal, umgeben von Holzmanufakturen und Kursen, die das Kunsterbe an neue Generationen weitergaben, wagte er den Schritt in die Handwerkskunst. Er besuchte die renommierte Ricardo Do Espírito Santo Silva Foundation und gründete darauf sein eigenes Atelier. Dort widmet sich Miguel Saboya seit 2018 der Kreation seiner Unikate, ob frei oder auf Bestellung, von der Skizze bis zum letzten Schliff.
Mann zwischen den Traditionen
Als Inspirationsquelle für seine Holzmöbel – von Stühlen über Bänke und Regale bis hin zu Lampengestellen – dienen ihm die Traditionen seiner heutigen sowie die Ästhetik seiner alten Heimat. »Ich habe mich schon immer für das modernistische Erbe meines Landes in Architektur und Design sowie für die Arbeit der zeitgenössischen Kreativen interessiert«, erzählt der Carioca. Besonders angetan haben es ihm jedoch Einzelstücke unbekannter Hersteller:innen, jene zeitlosen Stühle, Bänke und Tische, die so allgegenwärtig sind, dass sie heute »Teil der Landessprache« Brasiliens sind. Großen Einfluss übe zudem die qualitative europäische Holzverarbeitung auf ihn aus, verrät der Kreative: »Ich verwebe in meiner Arbeit ständig diese beiden Fäden: die Ungezwungenheit und Einfachheit meines Landes mit Techniken, die sich über die Zeit hinweg bewährt haben.«
Holz steht im Zentrum seiner Arbeit. Aus dem hochwertigen Naturmaterial schafft der Produktdesigner zeitlose Stücke, deren geradlinige, reduzierte Formgebungen während des Betrachtens ein Gefühl der Vertrautheit auslösen. Bei der Wahl des Materials setzt sich Miguel Saboya keine Grenzen. »Jede Holzart hat ihre eigenen Eigenschaften, die zu den Anforderungen eines bestimmten Projekts passen«, erklärt er. »Einige sind sehr leicht und formbar, andere hart und schwer. Holzmaserungen können stark gemustert oder porös oder fast unsichtbar sein. Das verändert sowohl die Ästhetik des Stücks als auch die Art und Weise, wie ich sie bearbeite.« Die zeitlosen Designs bringt der Kunsthandwerker in seinem Atelier mit klassischen Tischlerwerkzeugen von Sägen bis hin zu Meißeln manuell in Form. Dabei arbeitet er mit traditionellen Techniken wie »juntas sem pregos«, der Verbindung von Holzelementen ohne Nägel oder Schrauben.
Im Wachstum
Auch nach der Fertigstellung leben die Tische oder Stühle weiter und verändern sich je nach Verwendung. »Holz ist sehr lebendig. Es entwickelt und verwandelt sich noch viele Jahre nach der Herstellung eines Stücks«, schwärmt der Kunsthandwerker. »Natürlich muss ein Stück viele Jahre seinen Zweck erfüllen, aber man muss beim Design auch Wachstum und Unvorhersehbarkeit berücksichtigen.« Nicht nur Miguel Saboyas Designs sind der Veränderung unterworfen, auch er selbst experimentiert konstant, kreiert Neues und versucht, stets über sich hinauszuwachsen. »Ich bin nicht die Art von Designer, die nur mit einer Holzart arbeitet oder immer wieder dasselbe macht«, erklärt uns der Wahllissabonner. »Das bedeutet, dass ich viele Dinge zum ersten Mal probiere – die vielleicht funktionieren oder auch nicht. Meine Arbeit und die Kund:innenbeziehungen sind daher immer ein lebendiger, menschlicher Austausch.«