Landschaftsarchitektur: Alles ganz natürlich
Von privaten Gärten bis zu öffentlichen Plätzen, vom kleinen Hinterhof in London bis zum Megapark in China: Landschaftsarchitektur und Gartenkunst bringt die Natur ins Schwingen und uns ins Gleichgewicht. Eine Rundreise zwischen Heilung und Hedonismus.
Wie ein knallroter Kometenschweif zieht ein Steg seine viereinhalb Kilometer lange geschwungene Bahn über dem wogenden Grün. Gekleckert wird hier nicht, schließlich sind wir in China, wo man in großen Maßstäben denkt. Das gilt nicht nur für Städte und Wolkenkratzer, sondern auch für Parks und Gärten. Der Shenzhen Bay Park an der Waterfront der schnell wachsenden südchinesischen Millionenstadt misst stolze 128 Hektar, 2026 wird er fertig sein. Es ist ein Park, der so auch nur in diesen Zeiten entstehen kann. Denn beim Planen von Gärten zählen heute nicht nur Pavillons und Promenaden, sondern auch Hochwasserschutz, hohe Biodiversität, klimagerechte Flora und genau berechnete Kühleffekte für die stickig-heiße Großstadtluft.

Nah am Wasser gebaut. Teich, Stein und Vegetation bilden eine fein austarierte Einheit in diesem von Enzo Enea designten Privatgarten im schweizerischen Appenzell.
enea.ch

Dem Himmel so nah. Viereinhalb Kilometer schlängelt sich der Rote Steg über den Shenzhen Bay Park in China, geplant von LOLA, Taller und L+CC.
lola.land

English Country Style. Ganz aus dem Ort heraus entwickelte Jinny Blom den Garten dieses viktorianischen Pfarrhauses in Gloucestershire.
jinnyblom.com
BLAU-GRÜNE VISIONEN
Wild und schön und mit kühlerem Klima: So könnten alle unsere Städte sein. Zum Beispiel auch Wien, und warum nicht auch gerade dort, wo man es am wenigsten erwartet, nämlich an der Zweierlinie oder am Gürtel? Diese Idee hat jedenfalls das deutsch-österreichische Team bauchplan, und ihre Illustration dieser Idee ist so präzise berechnet wie verführerisch: wogende Baumkronen statt lärmender Fahrspuren, ein linearer Park anstatt ein breites Asphaltband. Blau-grüne Infrastruktur heißt es im Planungsvokabular, denn das Wasser ist ein klassischer Bestandteil der Landschafts- und Gartenmacher:innen, mal gestalterisch als Brunnen oder Teich, als kühlend sprühender Dunst, oder als Kreislaufsystem in einer Schwammstadt mit saugfähigem Boden. »Es geht darum, Grünflächen als Netzwerk zu sehen, denn wir müssen die Stadt kühlen«, sagt bauchplan-Partner Rupert Halbart schlager. »Dafür gibt es nichts Besseres als einen Baum. Aber viele heutige Arten werden die kommenden Hitze- und Dürreperioden schwer überleben. Daher geht es darum, das Niederschlagswasser nach dem Schwammstadtprinzip versickern zu lassen und nicht in den Kanal zu leiten.«
Keine Vision, sondern Realität geworden ist die kühl-coole Verwaldung der Stadt im so beliebten wie sommerheißen Innenhof des Wiener Museumsquartiers und auf dem Nibelungenplatz im niederösterreichischen Tulln, der bis vor wenigen Jahren noch eine Asphaltwüste mit 200 Autos war. In Tulln duften jetzt Eschen, Eichen, Ulmen und Traubenkirschen, im Museumsquartier Seidenakazien, Tautropfengras, Fackellilien, Texasgras oder immer grüne Wolfsmilch. Geplant wurden beide Vegetationsoffensiven von DnD Landschaftsplanung aus Wien, geleitet von Geschäftsführerin Sabine Dessovic und Anna Detzlhofer. Erstere war feder- und grashalmführend in Tulln, Letztere im MQ. »Bäume leisten enorm viel für die Aufenthaltsqualität in der Stadt«, erklärt Anna Detzlhofer. »Sie senken die Temperaturen, reduzieren Windgeschwindigkeiten, verbessern die Luftqualität – und sie wirken sich positiv auf unsere Psyche aus.«

Mediterraner Traum. Über 1.500 Gärten hat der in Grasse geborene Landschaftsmacher Jean Mus an der Côte d’Azur bisher entworfen. Dieser luftig-summende Park in Cannes ist einer davon.
jeanmus.fr

MQ goes green. Dem klimagerechten Umbau von Plätzen haben sich Sabine Dessovic und Anna Detzlhofer von DnD Landschaftsplanung verschrieben – sie lassen das steinerne Wiener Museumsquartier atmen.
dnd.at

Stadt in Bewegung. Parks in Großstädten wollen nicht nur angeschaut, sondern auch benutzt werden – so wie der Park am Gleisdreieck in Berlin auf einem ehemaligen Bahnareal mit seinen vielen Sport- und Spielflächen. Aufs Grün wurde dabei natürlich nicht vergessen.
atelier-loidl.de

Pariser Oase. Parks gibt es in der Pariser Innenstadt nur wenige. Für das brandneue Stadtquartier in Clichy-Batignolles wurde mit dem Parc Martin Luther King daher ein großes grünes Herz geschaffen, das alle Stücke spielt.
www.osty.fr

Raus aus dem Asphalt! Große grüne Visionen für heiße, autoverseuchte Stadträume entwickelt das Büro bauchplan – so wie hier für Wien mit der Baumoffensive »Gemma Gürtel!«
bauchplan.at