HOMESTORY: CARINE ROITFELDS EFFORTLESS CHIC
Zehn Jahre lang stand Carine Roitfeld als Chefredakteurin an der Spitze der »Vogue Paris« und prägte die Modewelt mit ihrem unverkennbaren und provokanten Stil. Heute bringt sie ihr eigenes Magazin, »CR Fashion Book«, heraus und kreiert aufregende Duftkompositionen. Das Apartment der Modeikone ist eine rockige Kombination aus glamourösem Seventies-Look, viel Schwarz sowie lieb gewonnenen Kunstwerken, Fotografien und Fashion-Pieces.
Als Carine Roitfeld im Sommer 2022 in ihre Wohnung in der Avenue Montaigne zog, war es nicht die Nähe zum Plaza Athénée (direkt gegenüber) oder zum Prada-Flaggschiff (direkt darunter), die sie am meisten reizte. Es war die Tatsache, dass der Block einen Portier hatte – eine Seltenheit in Paris. »Ich habe schon als Kind davon geträumt, in diesem Gebäude zu wohnen«, erzählt sie. Aber es war auch eine gewünschte kulturelle Veränderung: »Es war ein Wechsel vom linken zum rechten Ufer in Paris, das ist wie der Unterschied zwischen Downtown und Uptown in Manhattan. Die Menschen sind so unterschiedlich. Aber ich wurde am rechten Ufer geboren, in einer Entbindungsklinik, die sich auf dem Gelände des heutigen Alaïa-Flagship-Stores befand, also bin ich hierher zurückgekehrt.«
Abgesehen von Türstehern und Arrondissement-Differenzen sah Carine ein großes Potenzial in der Verkleinerung ihres damals »zu perfekten, minimalistischen« Zuhauses, das von David Chipperfield entworfen worden war, und zog in diese Wohnung im vierten Stock, die sie als ihr »Garçonnière-Appartement« beschreibt – die Art von Wohnung, die ein verheirateter Mann hatte, um dort seine Geliebte zu treffen. Die Einrichtung erinnert an ihre Zeit mit Tom Ford bei Gucci und YSL als Kreativberaterin, mit verspiegelten Oberflächen und viel Schwarz sowie dem unvermeidlichen quadratischen Willy-Rizzo-Couchtisch mit einer versenkten Bar in der Mitte. »Die Idee für das ganze Haus stammt von Willy«, sagt sie. »Er hat sowohl das Sofa als auch den Tisch entworfen, und dies ist der perfekte Ort für ein Mädchen, das sehr auf die 1970er-Jahre eingestellt ist. Ich mag keine neuen Dinge, ich mag Dinge, die eine Seele haben.«
Carine selbst bezeichnet die quadratische Eingangshalle buchstäblich als »Boxring«. Der Bodenbelag besteht aus verschnörkelten schwarzen Marmorfliesen, für die Decke darüber hat sie eine reflektierende schwarze Zwischendecke mit Hintergrundbeleuchtung entworfen. »Ich arbeite dort morgens mit meinem Trainer in Boxhandschuhen«, sagt sie und deutet auf einen Satz Boxbandagen, die auf der Rückseite des Sofas ausgerollt sind. »Außerdem mache ich Ballett und fahre Rad.« Ihren NOHRD-Heimtrainer aus Eichenholz benutzt sie täglich vor dem Frühstück (obwohl es keinerlei Hinweis auf eine Küche gibt, abgesehen von den Espressi, die regelmäßig wie von Zauberhand hinter einer Spiegeltür erscheinen) und wählt die Musik für jede Aktivität sorgfältig aus. »Ich höre gerne die Titelmelodie von ›Rocky‹, wenn ich boxe«, sagt sie, »und seit Kurzem lausche ich beim Radfahren dem Soundtrack von Barry Lyndon – ich war bei einem langen Shooting mit Steven Klein in Los Angeles und er spielte ihn sehr laut in Endlosschleife. ›It’s powerful.‹«
Ihre Wohnung wurde teilweise von Serge Gainsbourgs Haus inspiriert, aber auch von jenem von Coco Chanel. »Was ich mit Leidenschaft mache, nämlich Düfte zu kreieren, hat auch mit meiner Bewunderung für sie zu tun«, sagt sie. »Sie hat ein Vermächtnis geschaffen. Nach meinem Rücktritt als Redakteurin der Pariser ›Vogue‹ habe ich das ›CR Fashion Book‹ ins Leben gerufen, weil ich es immer noch liebte, Bilder zu schießen und mit anderen Menschen zu teilen. Damals begann ich, an meinen eigenen Parfums zu arbeiten. Der Zeitplan ist so anders als bei der Kreation von Mode, es dauert viel länger – sie sind erst 2018 erschienen. Aber das ist mein Vermächtnis.« Für jemanden, der eine solche Ikone ist, ist Carine nicht nur stilvoll, sondern gleichermaßen witzig und selbstbewusst: »Karl hat immer gesagt, ich sei viel netter als Coco Chanel«, erzählt sie und schmunzelnd.
Businesswoman
Bis heute hat Carine neun Düfte lanciert, von denen sieben – aus ihrer ersten Kollektion »7 Lovers« im Jahr 2019 – auf Lieblingsstädten und -menschen basieren. Auch eine Duftkerze und einen Diffusor (beide aus schwarzem Glas, »naturellement«) mit Patschuli und Weihrauch hat sie auf den Markt gebracht. Außerdem arbeitete sie mit Dominique Ropion, der zahlreiche Düfte für Margiela, Miyake, Mugler sowie »Flowerbomb« für Viktor & Rolf kreiert hat, an der Lancierung von »Forgive Me« im Jahr 2023. »Ich liebe den Namen«, sagt sie, »er ist sexy und frech, und Sie glauben gar nicht, wie schwierig es ist, einen Namen für ein Parfüm zu finden – sie sind alle schon vergeben. Meine Tochter ist das Gesicht des Duftes, sie ist ein ›Gefäß der Vergebung‹. Die Zusammenarbeit mit Dominique war großartig – er bat mich, ihm Geschichten zu erzählen, und ich sprach mit ihm darüber, wie sehr mich Gypsy-Musik und Gospelgesang im Moment inspirieren. Er verstand meine Stimmung und was ich wollte.« Auch Pläne, Make-up auf den Markt zu bringen, verfolgt sie, »aber nur für die Augen – denn dafür kennen mich die Leute am besten«, und hat im September 2023 eine zweite Sammlung der größten Hits von
»CR Fashion Book« mit dem Titel »Fantasies« gemeinsam mit Rizzoli veröffentlicht. »Ich habe das erste Buch, ›Irreverent‹, vor über zehn Jahren gemacht, und es ging nur um mich, mich, mich, das zweite handelt viel mehr von meinen Lieblingsfotografen und -redakteuren.«

Alles hat seinen Platz. Unter einem gerahmten Richard-Avedon-Foto von Penelope Tree in Accessoires von Pierre Cardin (rechts im Hintergrund) – einem Geschenk von Tom Ford – steht ein Stuhl von Rick Owens.
© Mark C. O’Flaherty
Vintage-Chic. Hier sitzt Carine auf einem alten »Eames Lounge Chair« aus den 1950er-Jahren neben einem Archiv von Andy Warhols »Interview«-Magazin, das ihr Karl Lagerfeld geschenkt hat. Die gerahmten Fotos von ihr schoss der französische Modedesigner und Fotograf Hedi Slimane im Jahr 2007.
© Mark C. O’FlahertyPotpourri an Erinnerungen
Die Wohnung in der Avenue Montaigne ist eindeutig sie, sie, sie. Wenn ein Künstler eine Installation schaffen würde, um Carine Roitfeld zu repräsentieren, dann könnte er es nicht besser machen als hier: Neben ihren zahlreichen Auszeichnungen in einem Regal stehen ein Stapel ungeöffneter Gitanes in Erinnerung an ihren Vater und eine E.T.-Puppe (»der beste Schauspieler aller Zeiten«). Anstelle von Esszimmerstühlen hat sie eine Sammlung von Klapphockern mit dreieckigen Ledersitzen, auf denen das Alaïa-Logo prangt: »Sie wurden bei einer der Shows verteilt, als Sitzgelegenheiten für die Leute«, erklärt sie. An den Wänden hängen Porträts von Carine, von ihren Freunden Hedi und Karl sowie zahlreiche gerahmte Skizzen des verstorbenen Lagerfeld, »der wie ein Elternteil für mich war«, und ein Foto von 1968, auf dem das Model Penelope Tree futuristische, reflektierende Accessoires von Pierre Cardin trägt. »Tom Ford schenkte es mir«, sagt sie. »Es war der Beginn meiner Sammlung von Modefotografien.« Ihre Kunstwerke, die weit über kunstvoll belichtete Silberhalogenide hinausgehen, sind beeindruckend und bewegend: ein Polaroid von einem der Fotoshootings von Mario Testino mit Diana, Prinzessin von Wales, das von der verstorbenen Ex-Frau von Charles III. signiert wurde. Ein Selfie von Carine, das der bulgarische Künstler Radostin Bekirski in ein verschwommenes, traumähnliches Gemälde verwandelte, und ein großes, besprenkeltes »Shadow Man«-Werk des New Yorker Straßenkünstlers Richard Hambleton, eines Zeitgenossen von Basquiat, der 1983 mit McLaren und Westwood an deren »Witches«-Kollektion (gemeinsam mit Keith Haring) zusammenarbeitete.
Für ein ganz in Schwarz gehaltenes Apartment voller eindringlicher Bilder – unterstrichen durch die unverwechselbaren brutalistischen, gehörnten Hocker von Rick Owens, die zu ihrer riesigen Sammlung von Noir-Owens-Kleidern passen – ist Carines Wohnung eher chic als unheimlich. Sie hat, wie sie sagt, »Seele«, und es ist genau so, wie man es sich erhofft, bis hin zum Zigarettenrauch, den verchromten Aschenbechern aus den 1970er-Jahren und dem Archiv mit Andy Warhols »Interview«-Magazinen (ein weiteres Geschenk von Karl). Der vielleicht schönste Gegenstand von Carine ist das fabelhaft unpraktische und riesige Bett. »Alles im Schlafzimmer ist schwarz«, sagt sie, »von den Vorhängen bis zu den Wänden und dem Leder, aus dem ich das Bett habe machen lassen. Es ist viel zu kompliziert, um es mit Bettwäsche zu beziehen, also lege ich mich jede Nacht in einen Schlafsack, den ich dann am Morgen zusammenrolle und verstaue. Der Raum ist meine Blackbox. Ich schlafe herrlich darin.«