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Fünf spektakuläre Restaurants, die Sie kennen müssen

Genuss & Dekor
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Wenn Essen zur Vision wird, verwandeln sich Restaurants in Bühnen. Dann tanzen Quallen über den Tellern, scheinbar schwebende Stühle durch den Raum und Geschmack trifft auf Klang, Duft und Diskurs. Wie die neuen Alchemisten aus Haute Cuisine multisensorische Spektakel kreieren.   

Alchemisten im Mittelalter arbeiteten in einer wilden Mischung aus Wissenschaft, Philosophie und Mystik. Sie wollten einfache Stoffe in etwas Höheres verwandeln – Blei zu Gold, Elixiere zum ewigen Leben, Rezepte zur Perfektion. Ob Rasmus Munk, Küchenchef des dänischen Restaurants »Alchemist« in Kopenhagen, Ähnliches im Sinn hat? Der Name seines Lokals legt es nahe. Denn im abseitigen Stadtteil Refshaleøen, einer ehemaligen Werftgegend, wird nicht Metall, sondern das kulinarische Erlebnis transformiert.

Das »Alchemist« ist kein klassisches Restaurant. Es gleicht eher einer Bühne, auf der Geschmack, Kunst, Klang, Licht und gesellschaftlicher Diskurs verschmelzen. In fünf bis sechs Akten serviert Munk rund 32 Minigänge, begleitet von Projektionen, Sound und Lichtchoreografien. Mal schweben Quallen und Plastiktüten durch die Kuppel. Mal wird man Teil eines Blutkreislaufs. Oder umherkullernde Augen beobachten beim Dinner à la »Big Brother is watching you«. Das Konzept: Gerichte begleiten als digitale Überwachung, thematisieren Umweltprobleme oder zeigen den Verlust von Intimität in der Onlinewelt. Kulinarik als multisensorisches Statement also – provokant, inszeniert, instagrammable. Und mit fünfstelliger Warteliste.

Die Gesellschaft hungert nach inszenierter Kulinarik. Und das »Alchemist« steht nicht allein. Seit Jahrzehnten weiß man: Geschmack verändert sich, wenn mehrere Sinne angesprochen werden. Klang, Licht, Temperatur, Texturen, Düfte – sie alle beeinflussen das Erlebnis auf dem Teller. Pioniere wie Ferran Adrià, Heston Blumenthal oder Grant Achatz machten das Dinner zum Labor. Jetzt treibt eine neue Generation das multisensorische Spiel weiter.

Herzlich
Im »Alchemist« in Kopenhagen wird das Dinner zu einem einzigartigen Erlebnis für Gaumen und Sinne. Das Herz des Restaurants ist die beeindruckende Kuppel, auf der faszinierende Projektionen gezeigt werden, die den kulinarischen Abend atmosphärisch begleiten.

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Nordish by Nature

Nur knapp zwei Autostunden von Kopenhagen entfernt, im Fischerstädtchen Vejle, werkt etwa der britisch-dänische Koch Daniel McBurnie im Restaurant »Lyst« daran, anspruchsvolle Küche, Architektur und Sinneserfahrungen in Einklang zu bringen. Untergebracht im Fjordenhus – entworfen von Olafur Eliasson – erleben Gäste ihre Menüs als Reise durch die vier Elemente: Wasser, Feuer, Erde und Luft. Bis zu 20 Gänge changieren mit dem Wetter, der Tageszeit, den regionalen Zutaten. Die Räume im »Lyst« sind Teil der Dramaturgie: Man wird geführt, sieht aufs Wasser, wo Lichtreflexe mit der Präsentation auf den Tellern spielen. Die ehrgeizige Vision: ein Gesamterlebnis, das Region, Produkt und Ästhetik verschmilzt.

Einen Stock tiefer geht dann das norwegische »Under«. Das größte Unterwasser-Restaurant Europas entführt die Gäste fünf Meter unter die Meeresoberfläche der eiskalten Nordsee. Während draußen Heringe ziehen oder das Wetter tost, serviert – seit 2024 neu konzipiert wurde – Küchenchef Bernt Sætre superregionale nordische Kreativmenüs. Algen, Muscheln, Wildkräuter – alles kommt aus der Umgebung. Und die gewaltige Panoramascheibe sorgt dafür, dass jeder Bissen eine Reflexion über Mensch und Meer, Ursprung und Natur wird.

Under the Sea
Das »Under«, architektonisch umgesetzt von Snøhetta, ist Europas größtes Unterwasser-Restaurant. Panoramafenster spielen hier die entscheidende Rolle für Sinneserfahrungen.

© Sissy Kramer

Auge isst mit
Im Restaurant »Lyst« im Fjordenhus von Vejle, Dänemark, gestaltet von Starkünstler Olafur Eliasson, spiegelt sich seine Handschrift in Architektur und Interior wider. Im Mittelpunkt der kulinarischen Inszenierung stehen die fünf Elemente.

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Es geht aber auch experimenteller, wie das Londoner Kulinarikstudio »Kitchen Theory« zeigt. Hier forscht Jozef Youssef am »Chef’s Table« zusammen mit Psycholog:innen und Wissenschaftler:innen an der Frage: Wie schmeckt eigentlich Erinnerung? Warum verändert Musik den Aroma-Eindruck? Maximal zwölf Gäste erleben jedes Menü als Experiment, bei dem Geschmack, Düfte, Farben und Klänge zu einem ganz neuen Esserlebnis vereint werden. Zwischen Parmesan-Lakritz-Sponge oder Austern-sorbet geben sich Wissenschaft und Genuss die Hand.

Im badischen Rust, im Europa-Park, der immerhin Europas größter Freizeitpark ist, läuft die Sache etwas anders ab. Hier hat man sich im 2022 eröffneten Restaurant »Eatrenalin« darauf verständigt, Hightech mit Haute Cuisine zu kombinieren. Soll heißen: Gäste nehmen in Stühlen Platz und fahren darauf in multisensorische Themenräume, während ihnen passend zu jeder Welt der nächste Gang serviert wird: Licht, Geräusche, Düfte, sogar Raumtemperatur verändern sich, wenn man durch Ozeane und Eiswüsten reist und dabei das Gefühl hat, in ein Umami-Reich zu schweben. Essen – unter der Ägide von Zwei-Sterne-Koch Peter Hagen-Wiest –wird hier zum immersiven Spektakel.

Man lernt einmal mehr: Das Essen der Zukunft viel mehr ist als Appetitstillen. Die neuen Alchemisten verwandeln nicht mehr Blei in Gold, sondern Geschmack in Emotion, Raum in Fantasie – und das Dinner in eine Reise für alle Sinne.

Freizeitparkvergnügen
Im »Eatrenalin«, im Europa-Park, fahren Gäste auf den sogenannten »Floating Chairs« von Raum zu Raum. Durch die Inszenierung mit Licht, Sound und Bewegung entsteht ein schwere-loses, immersives Gefühl – fast wie Fliegen.

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Voll auf die Sinne
Beim »Chef’s Table« der »Kitchen Theory« in London verschmelzen Kulinarik, Licht und Design zu einem Gourmet-Abend für alle Sinne.

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Erschienen in
LIVING 06/2025

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Manfred Gram
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