Tresen-Talk: Designer Conrad Kroencke und Barfrau des Jahres Aylin Stadlwieser
Designer Conrad Kroencke und Aylin Stadlwieser, Falstaff Barfrau des Jahres 2024, über die Besonderheiten der Wiener Barszene – Design und Trends im Mittelpunkt.
Titelbild: Conrad Kroencke und Aylin Stadlwieser haben sich in der »Neuen Hoheit« zum Round-Table-Gespräch getroffen.
Einheitlich oder facettenreich? Förmlich oder leger? Wiens Barszene war in den letzten Jahren stetem Wandel unterworfen. Aylin Stadlwieser, Barkeeperin im »Truth & Dare« und Falstaff Barfrau des Jahres 2024, und Conrad Kroencke, Interior Designer und Gründer von KROENLAND, treffen sich zum LIVING-Round-Table in der »Neuen Hoheit«, um über Trends, Drinks und Bar-Design zu sprechen.
LIVING Was macht die Wiener Barszene aus, wie hat sich diese in den letzten Jahren entwickelt?
CONRAD KROENCKE Ich halte sie für sehr vielseitig! Die Stile sind mittlerweile ein bisschen breiter gefächert – vor rund zehn Jahren war es noch so, dass alles relativ straight gestaltet war, sonst galt das schnell als Kitsch. Das hat sich Gott sei Dank aufgelöst. Diese Bandbreite, die im Moment sein darf und auch funktioniert, finde ich großartig.
AYLIN STADLWIESER Die Wiener Barszene wächst auf jeden Fall gerade wieder – nach Corona gab es leider einige Schließungen, auch von echten Barinstitutionen. Ich finde es auch gut, dass neuere Dinge kommen. Gerade früher wurde vieles, vor allem im ersten Bezirk, nach dem Schema F gestaltet: alles schick, alles golden, alles ein bisschen gleich. Langsam bricht das auf. Andere Länder haben schon seit Langem richtige Konzepte und Looks – auch in Wien wird alles lockerer und lässiger.
Wie hat sich die Optik der Bars in den letzten Jahren verändert?
CONRAD KROENCKE Die Gestaltung ist vielseitiger, man bricht Regeln auf und es ist nicht mehr so diese architektonische Eingeschränktheit, die eine Zeit lang sehr präsent war. Jetzt passiert alles nebeneinander, sowohl die reduzierten als auch so ganz üppige und opulente Designs, an der Grenze zum Kitsch. Das ist schön zu beobachten, diese ganze Bandbreite, die im Moment sein darf und auch funktioniert.
Hat denn die internationale Barszene Einfluss auf Wien?
CONRAD KROENCKE Da ist dieser Berlin-Flair, der noch immer hereintröpfelt.
AYLIN STADLWIESER Ja, auf jeden Fall. Barcelona zum Beispiel: Da gibt es viele Bars mit kulinarischem Angebot – das »Moby Dick« hat das etwa aufgegriffen. Prebatched Drinks, wie man sie in New York und London vorfindet, sind außerdem im Kommen, auch wenn viele das nicht so gerne sehen. Aber wenn das gut aufgebaut ist, erhältst du ein komplettes Hosting und die volle Aufmerksamkeit des Bartenders, der damit mehr Zeit zur Verfügung hat. Auch geschmacklich ist es großartig, weil der Drink ja immer gleich schmeckt.
CONRAD KROENCKE Ist das nicht das Reizvolle, dass der Drink nie ganz gleich ist?
AYLIN STADLWIESER Nicht unbedingt.
Was sind grundsätzlich die wichtigsten Elemente, auf die man achten muss, wenn man eine Bar gestaltet?
CONRAD KROENCKE Die meiste Relevanz bezüglich des Designs hat meiner Meinung nach das Licht. Und es geht natürlich auch um die Hochwertigkeit der Materialien – für die »Neue Hoheit« etwa haben wir Naturstein, viel Holz und Stoffe, die sich schön griffig anfühlen, verwendet.
AYLIN STADLWIESER Drink- und Designkonzept sollten im Idealfall ineinandergreifen. Was mir im »Truth & Dare« besonders gefällt, ist das reduzierte Design, das sich im Look der Drinks widerspiegelt.
Was wollt ihr in einer Bar absolut nicht sehen?
AYLIN STADLWIESER Ich finde, der Tresen sollte immer so groß wie möglich und in den Raum integriert sein. Es sollte nicht zu hell sein, die Raumakustik muss stimmen und die Musik darf nicht zu leise und repetitiv daherkommen.
CONRAD KROENCKE Sponsoring-Material von Lieferanten, zum Beispiel Schirme mit Firmenlogo oder Kühlschränke, finde ich ganz schlimm.
Wie wichtig ist der Faktor Gemütlichkeit in den Bars?
AYLIN STADLWIESER Sehr wichtig! Ich finde generell Drinks schon wichtig, aber die Atmosphäre eigentlich noch mal mehr: Wie ist die Musik, wie begegnen sich die Angestellten untereinander und wie den Gästen? Das muss man von Tag zu Tag immer ein bisschen anpassen.
CONRAD KROENCKE Dem kann ich nur beipflichten. Wichtig ist zudem die Lichtstimmung, auch untertags. Man kommt oft in Bars, die eigentlich gemütlich sein sollten, es aber nicht sind – dann ist es meist das Licht, das in der Farbe nicht stimmt, das zu hell und eventuell auch nicht richtig ausgerichtet ist. Das Licht sollte nur gewisse Bereiche beleuchten und nicht zu kalt sein, also den Raum nicht wie in einem Bahnhofsrestaurant erhellen. Da ist generell in Österreich noch viel Nachholbedarf. Natürlich lässt sich Gemütlichkeit noch mit Möbeln erzeugen, da geht es viel um Kontraste. Etwa, wenn alles sehr clean und geradlinig gehalten wird, mit Stahl, Sichtbeton und ein bisschen Industrial Chic, und du hast dann schöne, farblich warme Polstermöbel drin.
Wie steht es um Rooftopbars in Wien, was sind hier die Besonderheiten?
CONRAD KROENCKE Anrainer:innen und der starke Wind sind generell ein Thema in Wien. Bei einer Bar am Dach gibt es noch dazu längere Fluchtwege – eine Rooftopbar ist auch eine Kostenfrage. Und natürlich: Wenn man oben eine Bar hat, hat man die Fluchtwege bis ganz nach unten – das kann man wirklich nur bei einem Neubau umsetzen. Ich habe daher den Eindruck, dass diese oft nur mit neuen Hotelprojekten realisiert werden. Auch der Bedarf an Dachflächen hat sich erst mit der Verdichtung der Stadt entwickelt, weshalb der Trend, glaube ich, relativ spät nach Wien kam. Früher hatte man das nicht am Radar, weil es genügend Grünzonen gab.
AYLIN STADLWIESER Es gibt heute bereits einige Rooftopbars in Wien. Ich persönlich würde nicht überall hingehen, weil diese als tolle Outdoor-Locations immer voll sind – und man daher nicht zwangsweise bestrebt ist, die beste Qualität abzuliefern. Für mich muss eine Bar aber immer ein stimmiges Gesamtkonzept sein.
Was erwartet die Wiener Barszene in der Zukunft?
AYLIN STADLWIESER Prognosen finde ich immer schwierig, aber ich hoffe, dass da wieder ein bisschen Aufschwung kommt. Ich glaube diese Corona-Nachwehen haben sich jetzt auch gelegt und die Leute trauen sich wieder mehr. Es gibt schon Konzepte, die in Planung sind. Und ich hoffe, dass es vielfältig bleibt!
CONRAD KROENCKE Ich denke, dass es noch vielfältiger wird. Und es könnte auch sein, dass sich das Barleben mehr in die Tageszeit verlagert, um darauf zu reagieren, dass die Leute abends nicht mehr so aktiv sind.
ZU DEN PERSONEN
Aylin Stadlwieser ist professionelle Barkeeperin aus Wien. Sie begann ihre Karriere in der Gastronomie vor rund zehn Jahren, unter anderem besuchte sie die European Bartender School in Berlin. Zu ihren Stationen zählt das »Roberto«, seit drei Jahren steht sie im »Truth & Dare« hinter der Bar. Zuletzt wurde Aylin Stadlwieser zur Falstaff Barfrau des Jahres 2024 gekürt.
Conrad Simeon Kroencke ist Innenarchitekt und Gründer des Architekturbüros KROENLAND DESIGN, das seit rund 15 Jahren diverse Interior-Design-Projekte in den Bereichen Gastro-nomie, Hotellerie und Residential realisiert. Conrad Kroencke zeichnet unter anderem für die Gestaltung der »Neuen Hoheit Bar & Brasserie« sowie einige der »Motto«-Adressen verantwortlich. kroenland.com

In Wien trifft Mixologie auf Sinn für Stil: Die »Neue Hoheit Bar & Brasserie« im »Rosewood Vienna« zählt zu den Topadressen der Donaumetropole. rosewoodhotels.com