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Eine Stadt der Achtsamkeit entsteht: Das hat es mit der Mindfulness City in Bhutan auf sich

Innovation

Der Staat mit dem höchsten Bruttonationalglück, plant eine moderne, aber buddhistische und nachhaltige Stadt für für Spiritualität, Wellness und Regeneration. Bildung, grüne Energie und Digitalisierung sowie Umweltfreundlichkeit stehen ganz oben auf der Liste.

So etwas gab es noch nie! Im Süden Bhutans entsteht derzeit ein einzig­ artiges Stadtprojekt, das weltweit sei­nesgleichen sucht. Die »Gelephu Mindfulness City« soll auf einer Fläche von rund 1.000 Quadratkilometern eine moderne buddhistische Destination für Spiritualität, Wellness und Regeneration werden. König Jig­ me Khesar Namgyel Wangchuck persönlich steht hinter dieser »Stadt der Achtsamkeit«, Mindfulness City, wie sie im Englischen ge­nannt wird.

Brücken mit Unis und Wohnungen

Die neue Metropole soll für hohe Lebensquali­tät, grüne Energie, digitale Vernetzung und Bildung stehen. Gleichzeitig soll sie die bud­dhistische Tradition bewahren und das in der Verfassung verankerte Bruttonationalglück fördern. Das Megaprojekt entwickelt sich aus der bestehenden Kleinstadt Gelephu an der Grenze zu Indien, die aktuell etwa 10.000 Einwohner:innen zählt. Bhutan, bekannt für seinen Fokus auf nachhaltigen Tourismus und Umweltschutz, plant die Stadt als Modell für zukunftsweisende Stadtentwicklung. Das Königreich misst gesellschaftlichen Wohlstand ja nicht allein an der Wirtschaftsleistung, sondern auch am selbst entwickelten »Gross National Happiness Index«.

Hinter den atemberaubenden Ideen steckt ein bekanntes Büro: Bjarke Ingels Group (BIG) wurde mit der Planung beauftragt (alles über Bjarke Ingels  lesen Sie hier). Der Masterplan sieht eine Reihe multifunktionaler und bewohnbarer Brücken als neue Wahrzeichen vor. Diese Brücken sollen nicht nur als Verkehrsinfrastruktur dienen, sondern auch wichtige städtische Einrichtungen beherbergen, etwa ein spirituelles Vajrayana-Zentrum, ein Gesundheitszentrum für östliche und westliche Medizin, eine Universität, ein hydroponisches Gewächshaus und einen Markt. Jede dieser neun Brücken repräsentiert einen Bereich des Bruttonationalglücks.

Reisfelder in der Stadt

Die Liste von Maßnahmen, bei denen jede:r Stadtplaner:in die Augen aufreißt, geht aber noch weiter, Reisfelder beispielsweise sind inmitten der Stadt ebenso geplant wie ein hydroelektrischer Damm, der als bauliches Symbol für die Harmonie von Natur und Kultur fungieren soll. Besucher:innen und Pilger:innen steigen auf verschiedenen Wegen entlang der Felswand mit bunten Quadraten zum Besucherzentrum und Tempel hinauf. Auch in Sachen Nachhaltigkeit reitet diese Stadt allen anderen auf und davon. Die »Mindfulness City« soll die strengen Umweltauflagen Bhutans berücksichtigen. Das Land ist bekannt dafür, mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufzunehmen, als es ausstößt. Mindestens zwei Drittel der Landesfläche müssen bewaldet bleiben, und Energie wird fast ausschließlich durch Wasserkraft erzeugt.

Green-Bitcoin-Mining

Dennoch braucht es in einer Stadt der Zukunft moderne, völlig neue Einrichtungen. Dazu gehören das Green-Bitcoin-Mining in Zusammenarbeit mit Bitdeer, die Einführung des Blockchain-basierten nationalen digitalen Identtitätsprogramms, der Start des weltweit dritten MIT Super Fab Lab und andere Projekte wie die Entwicklung und Erprobung von Drohnen. Ein Schlüsselelement des Projekts ist der Bau eines neuen internationalen Flughafens. Die Bauarbeiten haben bereits begonnen, mit dem Ziel, eine 3.000 Meter lange Start-und Landebahn zu errichten. Langfristig ist sogar eine Verlängerung auf bis zu 4.000 Meter geplant, um auch Großraumflugzeuge wie den Airbus A380 aufnehmen zu können. Der Terminal soll vollständig aus Holz gebaut werden, um sich harmonisch in die Landschaft einzufügen. Geschätzte Kosten: vier bis fünf Milliarden Dollar, auch weil zwei Flüsse überbrückt werden müs sen und die Steigung der Landebahn den inter- nationalen Standards angepasst werden muss. Wichtig ist der Airport aber, auch für den Tou- rismus, denn Reisende können sich hier auf eine Kombination aus spektakulärer nachhaltiger Architektur und traumhafter Natur freuen, liegt die Stadt doch in der Nähe zweier Naturschutzgebiete: dem Phibsoo Wildlife Sanctuary und dem Royal Manas National Park.

Im Land ist man positiv gestimmt: »Kleine Länder wie Bhutan können schnell und innovativ Pläne umsetzen, vor denen andere Länder möglicherweise zurückschrecken«, so Seine Majestät König Jigme Khesar Namgyel Wangchuck. Wann wird das alles fertig? Einen festen Zeitplan für die Fertigstellung der gesamten Stadt gibt es noch nicht. Allein die Ideen, wie man Tradition mit Innovation verbindet, sind ein einzigartiges Beispiel für nachhaltige Stadtentwicklung. Ein Pionierprojekt für den Rest der Welt.

Erschienen in
LIVING 09/2024

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Heimo Rollett
Heimo Rollett
Print-Redakteur
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