Die beeindruckendsten Graffitis in Österreich
Wieviel Farbe verträgt die urbane Wand? Auftragsarbeiten für Murals & Co boomen und Graffiti hat den kommerziellen Raum längst erobert. Das kann man aktuell auch hierzulande deutlich sehen.
Es sind vor allem Superlative, die vermeldet werden. Mehr als 1.000 Quadratmeter Fläche, an die 500 Arbeitsstunden, bunt, bunter, Weltrekord. Es geht um Graffitis, genauer um Murals – denn, in Abgrenzung zur subkulturellen, oft illegalen Street Art, hat sich dieser Begriff im kommerziellen Bereich heute weitestgehend durchgesetzt. Fassadenkunst also, sie hat es längst in die Mitte der Gesellschaft geschafft. Der Markt floriert und auf ihm agieren neben den Artists unzählige Vermittlungsagenturen, Bauträger, Marketingagenturen und Werbekund:innen.
Drei Jahre Vorbereitungszeit
»Zu recht«, meint Jakob Kattner. Kattner ist Initiator des Calle Libre Street Art Festivals. Dabei kommt die internationale Szene seit 2014 Jahr für Jahr in Wien zusammen. Tours, Workshops und nicht zuletzt ausgewählte freie Flächen geben die Basis für das Event. Kattner versteht die Stadt als eine Art Organismus. Sie ist veränderlich, breitet sich aus und gibt Raum für kontinuierliche Umgestaltung. Das kann man aktuell beispielsweise in der Wiener UNO-City sehen, in Form des zurzeit größten (Superlativ!) Wandgemäldes der Stadt nämlich. Kattner gab den Anstoß, worauf drei Jahre Vorbereitungszeit folgten: »Innerhalb des Prozesses mussten vielfältige Hürden überwunden werden – die Genehmigungen, sicherheitstechnische Vorbereitung, Auswahl von Künstler und Design, nicht zuletzt die Finanzierung.« Drei Wochen arbeitete der australische Künstler Fintan Magee diesen Sommer schließlich auf der 1.000 Quadratmeter großen Fläche. Das Ergebnis heißt »Woman with a dove«, fällt durch seinen ungewöhnlichen Glasmustereffekt auf und thematisiert gekonnt die Fragilität des Friedens.
Indikator für Freiheit
»Graffiti hat schon früh Eingang in den Mainstream gefunden. Plötzlich tauchte die Ästhetik in Musikvideos, auf Plattencovers, in der Mode oder in Designstudios auf. Diese Kommodifizierung bietet den Künstler:innen aber auch endlich die Möglichkeit, mit ihrer Kunst Geld zu verdienen«, sagt Kattner. Einer, der das schon eine ganze Weile tut, ist Nychos. Der Steirer gilt als Österreichs erfolgreichster Street Artist, ist vor allem für seinen charakteristischen Röntgenstil und viele popkulturelle Bezüge in seinen Bildern bekannt. Heute lebt er in L. A., wenn er sich nicht gerade an der Umsetzung neuer Superlative versucht: So stand er in diesem Frühjahr etwa 65 Tage, bei Wind und Wetter, am »Mural Harbor«, dem Linzer Stadthafen, und setzte sein 80 Meter langes Werk »Liberation of the Soul« um – es gilt als das aktuell größte Graffiti der Welt. »Durch Graffiti kann man herausfinden, wie eine Stadt tickt«, sagt Leonhard Gruber, Initiator des Mural Harbors. »Es kann ein Indikator für Freiheit sein.«
In der Planungsphase mitdenken
Dass ein buntes Stadtbild in Linz gut ankommt, hat nicht nur das Linzer Stadtmarketing verstanden, das den »Mural Harbor« aktiv als touristische Attraktion vermarktet.Melbourne gilt als internationaler Vorreiter, seit den 70er-Jahren sammeln sich hier Werke der erfolgreichsten Protagonisten der Szene, Banksy inklusive. Auch das, vergleichsweise, kleinstädtische dänische Aalborg setzt den Schwerpunkt gezielt auf Graffiti. Im gesamten Stadtgebiet findet man Gemälde verschiedener Stilrichtungen, die einen spannungsgeladenen Kontrast zu den typischen kleinen, alten Backsteinhäusern der ehemaligen Handelsstadt bilden. Der Hamburger Stadtplaner Falco Richter macht Urban Art als ein häufiges Merkmal von Gentrifizierung aus, gerade aufwendige Murals werden dabei positiv aufgenommen, können eine Aufwertung des Viertels bedeuten. Richter: »Für die Stadtplanung kann ein offener und gestaltender Umgang mit Street Art nützlich sein. Es wirkt sich positiv auf die Entwicklung städtischer Räume aus.« Das denkt auch Kattner, der dabei noch viel Gestaltungsspielraum ausmacht: »Es wäre sinnvoll, wenn bei größeren Bauprojekten Street Art schon in der Planungsphase mitgedacht würde und Künstler:innen, Kurator:innen und Architekt:innen sich abstimmen könnten.«