Barocke Pracht: Der Blumenschmuck am Opernball
Während der großen Ballnacht erblüht die Oper Jahr für Jahr in den herrlichsten Farben. Heuer wird die Blumendekoration durch essbare Elemente ergänzt und ist, gemeinsam mit dem Ballfächer, eine Verneigung vor den holländischen Meistern der Barockmalerei.
Des einen Freud, des anderen Leid: Wiener Ballbegeisterte mussten heuer besonders lange ausharren, findet die Nacht der Nächte doch 2025 fast drei Wochen später statt als im vergangenen Jahr. Während aber die Gäste schon ungeduldig mit den Tanzschuhen scharren, ist der späte Termin für andere ein kleiner Segen – zum Beispiel für Emil Doll, der die Oper auch in diesem Jahr mit seinem Team erblühen lässt. Im Februar keine ganz einfache Aufgabe, befinden sich die meisten Pflanzen um diese Jahreszeit eigentlich noch im Winterschlaf. Umso erfreulicher, dass sie heuer ein paar Wochen mehr Zeit hatten, um sich von ihrer schönsten Seite zu zeigen. »Man glaubt es nicht«, erzählt der Juniorchef von Dolls Blumen, »aber diese paar Wochen machen einen riesigen Unterschied. Es gibt Anfang Februar ganz andere Blumen als am Monatsende.«
Während in den vergangenen beiden Jahren jeweils eine Farbe im Zentrum stand – 2023 setzte man auf Grün, im Vorjahr hatten Schattierungen von Rosa und Pink ihren großen Auftritt –, geht es bei der 67. Ausgabe der glamourösen Ballnacht bunt zu: Als Vorbild und Inspirationsquelle für den Blumenschmuck fungierten barocke Blumengemälde und Stillleben holländischer Meister. Diese widmeten sich im 16. und 17. Jahrhundert der detailgetreuen Darstellung opulenter Sträuße und Arrangements, die heute vor allem wegen ihrer vielschichtigen Symbolik und dem dargestellten Farben- und Artenreichtum geschätzt werden.
Fest der Farben
Als Paradebeispiel für all das gilt der »Kleine Blumenstrauß« von Jan Brueghel dem Älteren – und genau der ist deshalb auf dem Ballfächer zu sehen, der in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Museum entstand. Nicht ohne Grund, verfügt das Haus doch über die größte Brueghel-Sammlung der Welt. Auch den »Kleinen Blumenstrauß« kann man in den prunkvollen Sälen live und in seiner ganzen Schönheit bestaunen. Dabei wird die Besonderheit des Gemäldes sofort deutlich: Brueghel stammte nicht nur aus einer der bekanntesten und umtriebigsten flämischen Künstlerfamilien, sondern war auch ein wahrer Meister der Gattung. So greifen Blumenschmuck und der Fächer in diesem Jahr auf besondere Art und Weise ineinander.
Doch bis dahin war es ein weiter Weg, der vor exakt einem Jahr begann. Da bestellte Emil Doll auf den Tag genau am Balldatum alle Blumen, die zu diesem Zeitpunkt verfügbar waren: Ranunkeln, Rosen, Tulpen, Lilien, Wicken, Hyazinthen, in kräftigem Rot, tiefem Violett, leuchtendem Orange und sanften Pastelltönen für den Kontrast. Und dann wurde zunächst am lebenden Objekt experimentiert – aller Anfang sind Probegestecke, mit denen Stil und Richtung festgelegt werden.
Wenn die Werke der holländischen Maler auf die Gegenwart treffen sollen, bedeutet das: Opulente Arrangements in allen erdenklichen Farben, die das Schaffen der Künstler ebenso aufgreifen wie die Eigenheiten der Natur. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich alle Blumen schnurgerade und in exakt gleicher Länge in einem Gesteck drängen. Stattdessen setzt man im Jahr 2025 auf luftige, asymmetrische Kreationen, die die natürliche Wuchsform bestimmter Blumen in Szene setzen, statt sie zu verstecken.
Weil sich Dekoration in erster Linie immer in ihre Umgebung fügen muss, war der nächste Schritt die Probe aufs Exempel vor Ort. Mit den Probegestecken im Gepäck erfolgte deshalb gemeinsam mit dem Opernball-Organisationsteam ein Rundgang durch das ehrwürdige Haus. Denn dasselbe Gesteck kann mit verschiedenen Hintergründen und Platzierungen völlig anders wirken, wie auch Maryam Yeganehfar, die für Look and Feel der großen Ballnacht zuständig ist, bestätigt: »Wir müssen die Deko vorab in der Oper testen, denn nicht jedes farbliche und Blumen-Konzept, das wir als passend erachten, funktioniert in der Oper und in den Lichtgegebenheiten des Balls.« Mut zur Farbe lautete diesmal die Devise, und in Anlehnung an das künstlerische Vorbild fanden auch ungewöhnliche »Zutaten« ihren Weg in die Arrangements: Obst und Gemüse sorgen für außergewöhnliche Akzente.
Während der jedes Jahr neu gestaltete Opernball-Fächer aber längst ein begehrtes Sammlerstück ist, bleibt der Blumenschmuck nach dem Verklingen der letzten Melodie im Haus am Ring zurück – könnte man meinen. Denn die Wahrheit hat auch Emil Doll selbst einigermaßen erstaunt: »Als ich im Vorjahr am Freitag um 5.00 Uhr morgens zum Abbau gekommen bin, war ich ziemlich überrascht, dass ich dort keine einzige Blume mehr vorgefunden habe. Die Ballgäste nehmen alle Blumen mit, die sie erreichen können.« Schmunzelnd habe er sogar noch einige Nachtschwärmer dabei beobachtet, wie sie sich mittels Räuberleiter an die hohen Gestecke machten.
Ein amüsanter Anblick – und ein Kompliment für den Floristen: »Das bedeutet, dass den Leuten der Blumenschmuck gefallen hat, das freut uns natürlich.« Vor allem aber werde auf diese Weise auch Müll vermieden und die Blumen erhalten ein zweites Leben in den Wohnzimmern der Ballgäste. Dort fungieren sie, gemeinsam mit dem Fächer, wohl auch als lebendige Erinnerung an die schönste Nacht des Jahres – und als Symbol der Vorfreude darauf, dass die Oper auch im nächsten Jahr wieder erblüht.