Rote Lippen als Kampfmontur
Rote Lippen gelten als erotisches Signal par excellence, dabei können sie auch eine Kampfansage sein. Wir sind ja nicht auf den Mund gefallen!
Rote Lippen als Kampfmontur
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wann Sie roten Lippenstift tragen? Vielleicht ist das ohnehin nicht Ihr Ding, seit der Pandemie sowieso nicht mehr. Oder hängt es von Laune und Mutter Natur ab? Darüber nachzudenken, lohnt sich, für mich brachte es erstaunliche Erkenntnisse mit sich. Als bekennender Beauty-Junkie und sammelwütiger Lippenstift-Nerd brauchte ich allerdings ganz schön lange, um zu verstehen, wann und wie mich der Lippenstift umtreibt.
Kesse Namen als Mitstreiter:innen
Es war an einem dieser vermaledeiten Tage, als eine unglaublich zähe Budgetsitzung auf mich wartete. Ich wusste: Heute wird es knapp – für mich, für das Team, für alle. Es galt zu kämpfen und die passende Montur dafür zu wählen. Anstelle aber morgens nochmals die elendigen Listen durchzuexerzieren oder ein strenges Kostüm aus dem Kleiderkasten zu fischen (zugegebenermaßen besitze ich auch gar keines), wählte ich anderes fein säuberlich aus: »Darf es heute die Farbe ›You are buggin’, Lady‹ von MAC sein oder ›Eternal Cherry‹ von Maybelline?«, sprach das Kosmetikbuffet zu mir. Das Ergebnis dieser Wahl ist erstaunlich unerheblich für den Fortgang dieser Geschichte, wichtig ist nur: Mit perfekt geschminkten Lippen stürzte ich mich in die Schlacht. Es steht wohl außer Frage, dass ich das zähe Ringen gewann. Ganz ohne Farbe auf den Zähnen, obwohl ich diese an jenem besagten Tag oft zeigen musste.
Rotsehen als Morsecode
Abends, auf dem Heimweg in der Tram, traf ich dann zufällig T., ihres Zeichens PR-Dame unzähliger Beauty-Marken und Rote-Lippenfarbe-Bekennerin. Ihre erste Frage war erstaunlich: »Welchen Kampf musstest du denn heute ausfechten?« Sprachlos wie ich war, berichtete sie mir – zwischen Belvedere und Oper –, dass rote Lippen ein gängiges Schutzschild seien, ohne welches viele Frauen nicht aus dem Haus gingen. So fühlen sie sich besser gewappnet für den Tag. Paradoxerweise vergessen wir Frauen das gerne, die anderen sowieso. Rote Lippen, so trällerte schon zu Muttis Zeiten Peter Kraus aus dem Radio, »soll man küssen«. Ich frage mich manchmal, ob das andere Geschlecht das Konzept völlig missinterpretiert haben könnte. Oder heute einfach andere
Zeiten angebrochen sind. Denn: Wen wir küssen, entscheiden definitiv wir! Aber eventuell sollte sich das Gegenüber vor roten Lippen in acht nehmen. Die Trägerin mag mitunter auf Krawall gebürstet sein. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Heute trage ich nur mehr ganz selten Rot. Meist ist es eine sanfte Nuance, die dann heißt: »Illusion«.