Die Bregenzer Festspiele zeigen zum 75-Jahr-Jubiläum „Rigoletto“ auf der Seebühne, „Nero“ von Arrigo Boito, „Michael Kohlhaas“ mit Max Simonischek und mehrere Uraufführungen. Intendantin Elisabeth Sobotka stellt der „BÜHNE“ ihre Höhepunkte und Liebkinder vor.

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Was ist Ihr persönliches Highlight bei den heurigen Festspielen?

Elisabeth Sobotka: Für mich ist das größte Geschenk, dass die Festspiele zum 75-Jahr-Jubliläum stattfinden und dass wir aus dem Vollen schöpfen können, auch was die Zuschauer-Belegung betrifft. Wir waren ja sehr überrascht, als Ende Mai - aus unserer Sicht fast nebenbei – gesagt wurde, dass im Juli keine Einschränkungen mehr im Bezug auf die Anzahl der Zuschauer gelten. Wir hatten gottseidank von Anfang an damit geplant – auch wenn wir eigentlich damit rechneten, dass wir wieder verkleinern und Kartenverkäufe rückabwickeln müssen. Gottseidank kam es anders.

Gänsehautmomente

„Rigoletto“ kommt wie 2019 in der Regie von Philipp Stölzl auf die Seebühne, die von einem riesigen, mal fratzenartigen, mal friedlich wirkenden Clownskopf beherrscht wird. Was finden Sie an dieser Inszenierung besonders faszinierend?

Elisabeth Sobotka: Philipp Stölzl hat es geschafft, das Innere des Stücks ins Große zu übersetzen. Es ist ein lebendiges, farbiges Werk, das er in seiner ganzen Emotionalität für die Bühne übersetzt hat. Für mich ist faszinierend, wie der große Kopf untertags die Menschen, die vorbeigehen, erfreut, vor allem aber, wie er abends eine ganz eigene Magie bekommt und zur Verstärkung der Gefühle beiträgt. Außerdem muss ich sagen: Wer einmal „Caro nome“ mit Gilda im Riesenfesselballon erlebt hat, wird es nie vergessen. In dieser Situation ist ihre Liebe eine, die schwebt. Der Ballon trifft so sehr den Punkt, dass man Gänsehaut bekommt - ein einmaliger Moment.

Gänsehautmomente verspricht auch heuer wieder die Aufführung von „Rigoletto" auf der Seebühne bei den Bregenzer Festspielen.

Foto: Bregenzer Festspiele/Karl Forster

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Ein großer Schinken, der sich mit dem Bösen beschäftigt

Im Festspielhaus kommt Arrigo Boitos „Nero“ zur Premiere, wie kann man den Zuschauern darauf Lust machen?

Elisabeth Sobotka: Es ist, salopp gesagt, ein großer Schinken. Boito hatte die Idee, ein Gesamtkunstwerk zu schaffen. Es war die Zeit Wagners, wo das in der Luft lag. Dennoch wollte Boito es ganz aus Eigenem heraus kreieren. Das Faszinierende ist, wie er sich mit dem Bösen und der Macht beschäftigt. Er war ja Literat und Komponist gleichermaßen und versuchte, mit „Nero“ sein Opus Magnum zu schreiben – womit er sich allerdings übernahm. Fertigstellen konnte er das Werk nicht. Er schrieb vier Akte - und alle meinten, die Oper sei nun beendet. Boito jedoch war der Meinung, dass der fünfte Akt noch fehlte. Er starb, bevor er diesen fertigstellen konnte - und ist an seinem eigenen hohen Anspruch gescheitert.

Arturo Toscanini machte dann aus den vier Akten eine bühnentaugliche Version. Boitos Anspruch war es, die Psychologie Neros in ein Musikdrama zu übersetzen. Er setzt dort an, wo Nero den Muttermord begangen hat und auf der Suche danach war, wie er sich von seiner Schuld befreien könnte. Es geht aber auch um Machtfantasien. Fast könnte man es eine Übersetzung einer Psychose in ein Operndrama nennen – mit überraschenden Wendungen.

Diese Oper begleitet mich seit meinem Studium und ich freue mich wahnsinnig, dass sie nun im Rahmen der Bregenzer Festspiele zur Aufführung kommt. Besonders spannend finde ich, wie lange - nämlich Jahrzehnte - Boito mit diesem Werk gerungen hat. Man spürt so gut, wie sehr ihn der Schrecken und das Böse faszinierten, so wie viele von uns von Horrorfilmen in den Bann gezogen werden.

Bregenzer Festspiele zeigen Filmoper

Apropos Film: Hier ist ja auch etwas geplant?

Elisabeth Sobotka: Michael van der Aa hat auf Basis eines Kompositionsauftrags der Bregenzer Festspiele die Filmoper „Upload“ geschaffen, die wir zur Uraufführung bringen. Er ist ein multimedialer Komponist, der sein Werk zu einem spannenden Thema kreiert hat. Er hinterfragt, was es mit unserer Persönlichkeit macht, wenn es künstliche Intelligenz gibt und wir uns selbst auf einen anderen Träger überlagern könnten. Was ist Identität in einer digitalen Welt? Die Musik ist sehr suggestiv und sehr packend, auch filmisch gedacht, sehr eindringlich und bewegend.

Die beiden dem Festival eng verbundenen Orchester sind die Wiener Symphoniker und das Symphonieorchester Vorarlberg. Andrés Orozco-Estrada, der neue Chefdirigent der Symphoniker, leitet zwei Festkonzerte, darunter eine „halbszenische“ Version von „Rheingold“. Wie „halb“-szenisch, szenisch oder konzertant wird diese sein?

Elisabeth Sobotka: Am besten beschreibt man sie wahrscheinlich als Konzert mit szenischen Kommentaren und Videos, die sich aus der Musik ergeben. Ich finde es wahnsinnig schön, wenn der Chefdirigent der Wiener Symphoniker, also des Orchesters, das mit uns seit Jahrzehnten so eng verbunden ist, auch selbst unsere Einladung annimmt. Einerseits wird Andrés Orozco-Estrada Haydns „Die Schöpfung“ dirigieren, andererseits eben mit Wagners „Rheingold“. Was den Konzertbereich betrifft, freue ich mich auch sehr auf die Uraufführung der 3. Symphonie von Thomas Larcher, einem Komponisten, der uns sehr verbunden ist. Im Netz war sie schon zu hören, aber bei uns findet die erste Aufführung vor Publikum mit dem Symphonieorchester Vorarlberg statt.

Spannende Theateraufführungen

Maximilian Simonischek spielt im Theater am Kornmarkt die Titelrolle in „Michael Kohlhaas“ nach Kleist. Wie kam es zu dieser Besetzung und wie wurde adaptiert?

Elisabeth Sobotka: Diese Aufführung ist Teil einer langfristigen Kooperation der Bregenzer Festspiele mit dem Deutschen Theater Berlin, wobei die Premiere bei uns stattfindet. Andreas Kriegenburg wollte gerne „Michael Kohlhaas“ umsetzen und seine erste Idee für die Besetzung war auch Max Simonischek. Kriegenburg hat die Novelle auch nach seinen Vorstellungen adaptiert, ich möchte noch nicht viel verraten, aber es wird unter anderem zwei Frauen geben, die die Handlung kommentieren.

Davon abgesehen wird es auch im Schauspielbereich eine Uraufführung geben – mit einem Stück, das für uns geschrieben wurde und das bei einem Wettbewerb zum Thema „Arroganz des Kapitals“ entstand. Bernhard Studlar hat mit „Lohn der Nacht“ ein witziges Stück geschrieben und die Handlung schon im Hinblick auf unsere „Madama Butterfly“ im nächsten Jahr konzipiert, seine Hauptdarstellerin ist eine Opernsängerin.

Opernstudio mit jungen Sänger:innen

Elisabeth Sobotka: Welches Projekt liegt Ihnen außerdem besonders am Herzen?

Ein Liebkind beim Festival ist das Opernstudio von Brigitte Fassbaender, die mit jungen Sängern heuer an „L´italiana in Algier“ arbeitet. Sie macht dem Publikum in öffentlichen Meisterklassen eindrücklich klar, was es ausmacht, als Sänger zu arbeiten – dass es nicht nur um die Technik geht, sondern auch um das, was im Kopf vorgeht, die Frage, wie man zum richtigen Ausdruck kommt und wie man den Ton verändern kann. Uns war wichtig, dass das Publikum mitbekommt: Singen ist nicht nur gottgegeben, sondern es steckt viel Arbeit dahinter. Alles in allem ein Programm, das dem 75-Jahr-Jubiläum alle Ehre macht.

Weitere Informationen: Bregenzer Festspiele

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