Zum Inhalt springen
Foto: beigestellt

Heisse Ware: Die Kunst des Glasblasens

Glas
Kunsthandwerk
Trend

Glasblasen ist das neue Töpfern: Es ist erstaunlich, was sich aus dem spröden Material alles formen lässt, wenn man es erhitzt. Ein Besuch im Studio Comploj, wo Anfänger:innen  lernen, wie man Glas bearbeitet. Junge Designer:innen entdecken alte Techniken gerade neu.

In der Ankündigung zum Kurs hieß es: festes Schuhwerk und T-Shirt, trotz winterlichen Temperaturen. Wer zum ersten Mal mit dem Thema Glasblasen in Berührung kommt, weiß nicht so recht, was einen erwartet. Töpfern: Das kennt man mittlerweile. Aber Glasblasen? Der Tiroler Robert Comploj bietet Anfänger:innenkurse an. Sein Studio im 18. Wiener Gemeindebezirk ist weitläufig und hell. Man betritt es durch den Galerie-Raum, der mit riesigen Glasobjekten bestückt ist. Im nächsten Raum merkt man schnell, dass hier gearbeitet wird. Sogar die Greifzangen hängen geordnet an der Wand. 

IN BEWEGUNG BLEIBEN

Und dann geht es zum Herzstück der Anlage: einem Ofen, in dem das geschmolzene Glas gesammelt wird, »120 Kilogramm, das auf 1.100 Grad erhitzt und dadurch flüssig wird«, erklärt Robert Comploj. Der Ofen läuft ohne Pause, außer wenn er einmal im Jahr gereinigt wird. Wir lernen, wie man Glas mit einem Metallrohr aufnimmt und in Bewegung hält. Nur nicht an die heißen Stellen greifen! Die linke Hand dreht, die rechte bearbeitet das Material, das aber schnell wieder fest werden kann. Man bekommt definitiv Respekt für die Arbeit: das richtige Timing, die perfekten Handbewegungen und dann nur das Stück nicht fallen lassen auf dem Weg zur Kühlbox. Beim finalen Stück, einer Kugel, die innen hohl ist und perfekt auf den Christbaum passt, probieren wir aus, wie man Glas bläst. Man braucht einiges an Puste. Und natürlich muss man weiterdrehen, während man bläst. 

Hitzebeständig. Robert Comploj bei der Arbeit in seinem Wiener Studio, wo auch regelmäßig Kurse für Anfänger:innen stattfinden.
studiocomploj.com

©SERGIU ANDRES

So werden beide Gehirnhälften gefordert. Robert Comploj hat am renommierten Corning Museum of Glass in New York studiert. Nach Stationen in den USA, England und Dänemark kehrte er nach Österreich zurück. Obwohl es hierzulande eine lange Glas-Design-Tradition gibt, fehlt nach wie vor eine universitäre Ausbildung. Ein Problem, wenn es darum geht, dieses traditionsreiche Handwerk an eine jüngere Generation weiterzugeben. Während die Töpferkunst in Wien boomt, sieht es ums Glas schlechter aus. In Böhmen, Italien (Murano!) und Skandinavien sind die europäischen Zentren des Glasmachens. Das zeigt sich auch am Output, bestes Beispiel dafür sind die farbenfrohen Glasobjekte der Dänin Helle Mardahl. Sie machen gute Laune, weil sie an Süßigkeiten erinnern. Auch der schwedische Shootingstar Gustaf Westman hat chunky Vasen und Weingläser im Sortiment. Er lässt sie allerdings in Tschechien herstellen wie so viele. 

FLIESSENDE FORMEN

Auch das Wiener Label Ursula Futura von Kathrin Zelger lässt in einer kleinen Manufaktur in Tschechien produzieren. Zelger gehört zu einer Generation von jungen Designer:innen, die auf kräftige Farben setzt. Ihre Glasobjekte sind funktional, machen sich aber auch als Deko bestens. Sie spielen damit, dass jedes Stück individuell ist, weil es mit der Hand hergestellt wurde. In Kollaborationen werden neue Formen ausprobiert. So sind für den Getränkehersteller Vöslauer aus recycelten Glasflaschen organische Karaffen entstanden, die wirken, als wären sie aus zerdrücktem Plastik. Eine spannende Art, das harte Material weich und formbar aussehen zu lassen. Dieser spielerische Zugang macht zeitgenössische Glaskunst so faszinierend. Beim Kurs merkt man aber auch, wie schwer das ist. Immerhin lernt man im Fortgeschrittenen-Teil, sein erstes Trinkglas herzustellen. 

Genoppt. Der schwedische Design-Shootingstar Gustaf Westman hat auch klobige Weingläser, Tassen und Vasen im Sortiment.
gustafwestman.com

Foto: beigestellt

Kunst aus Glas. Objekt aus der Galerie von Glasprofi Robert Comploj. Die raffinierte Verspiegelung ist mittlerweile ein Markenzeichen.
studiocomploj.com

Foto: beigestellt

Erschienen in
LIVING 02/2025

Zum Magazin

Karin Cerny
Mehr zum Thema
1 / 11