Trendvorschau 2025: Kunterbunte Vielfalt
2025 macht Platz für mehr: Mehr Vielfalt, mehr Farbe, mehr Mut. Das macht die eigenen vier Wände zur Bühne und Experimentierfläche für die persönliche Kreativität und Individualität. Heraus kommen gepflegte Stil- und Konventionsbrüche, überraschende Materialienkombinationen und faszinierende Formensprache zwischen auffällig und zurückhaltend. Ein kleiner Einblick in die Trends des Jahres.
Ein Viertel des 21. Jahrhunderts ist (fast) geschafft. Da ist es durchaus angemessen, den Blick nicht nur in die Ferne, in die unmittelbare Zukunft schweifen zu lassen, sondern auch eine kleine Bestandsaufnahme zu machen. Denn: Noch nie war die Vielfalt an Stilen, Formen und Konzepten, die das Wohnen betreffen, so groß wie jetzt. Trends und Strömungen lösen sich nicht mehr wirklich ab, sondern existieren parallel zueinander, bevor sie schließlich abebben, um dann kurze Zeit später als Revival neu zu starten. Daraus resultiert eine Art Zeitalter der gestalterischen Freiheit.
Mehrsprachige Räume
Weil jeder gerne für sich Individualität, Kreativität und Persönlichkeit beansprucht, sind Interior-Konzepte mittlerweile in ihrer Formen-, Farb- und Materialsprache sehr abwechslungsreich. »2025 wird bestimmt vielfältig. Das Bewusstsein für individuelles Wohnen wächst noch weiter. Die Menschen möchten sich immer weniger von der ›Stange‹ einrichten und suchen individuelle Kombinationen, die sie mit ihren eigenen Geschichten füllen können«, fasst Carolin Kreidel zusammen. Gemeinsam mit Florian Vogel steht sie hinter dem deutschen Designlabel Victor Foxtrot. Sein zehn Jahren überzeugen die Entwürfe aus dem Hause mit ihren klassischen Formen sowie couragiertem Farbeinsatz und sorgen für frischen Wind in der Branche.
Für 2025 heißt dies aber auch, dass bereits eingeschlagene Designpfade konsequent weitergegangen werden. Runde, organische und geschwungene Designs herrschen vor und bilden das Gegengewicht zu den geradlinigen, schicken skandinavischen Konzepten, die in den letzten Jahren für viel Hyggeligkeit sorgten.
Abschreiben darf man diese aber keineswegs. Vielmehr bilden Minimalismus und Scandi-Chic eine solide Basis für kleinere und größere Formexperimente. Es werden Akzente und Statements gesetzt.
Neuerdings nicht selten mit wilden, bunten Mustern, aber auch surrealistischen Design-ideen, die mit optischen Sehgewohnheiten brechen. Wenn man so will, wird gegenwärtig das Bedürfnis nach Ruhe, Natürlich- und Gemütlichkeit mit der Sehnsucht nach mehr Fantasie und einer Grenzverschiebung in Richtung Unbewusstem kombiniert.

Hütchenspiel. Die gefeierte Hutmacherin Maryam Keyhani hat für Freifrau eine Serie an Kissen und/oder Poufs in Hutform kreiert.
freifrau.com

Spiegelreflex. Für den »Man Ray Glass Leaf Mirror« wurde ein celloförmiger Holzrahmen mit unzähligen handgefertigten Blättern aus Glas überzogen. Biophilie trifft Surrealismus.
coxlondon.com
Gegenstromanlage
Und das kann man dezent angehen oder auch in die Vollen greifen. Überraschend ist das nicht, wie Sebastian Schneider vom Studio Kaschkasch zusammenfasst. »Auf den Minimalismus der letzten Jahre folgt – wie so oft – nun eine Gegenbewegung, die eher das Gegenteil abbildet. Ich find’s gut und freue mich immer, neue Ideen und Ansätze zu entdecken«, so der Designer. Wobei das Studio, das Sebastian Schneider gemeinsam mit Florian Kallus gegründet hat, im Raum ohne viel Geschrei ihre Präsenz zeigt. »Ja, wir sind eher bekannt für zurückhaltende Gesten der Gestaltung und das wird auch in Zukunft so bleiben«, sagt Florian Kallus. Kollege Sebastian Schneider unterstreicht aber die Ergebnisoffenheit dieses Ansatzes. »Uns ist es wichtig, die Idee, die in dem Entwurf steckt, greifbar oder nachvollziehbar zu machen. Dadurch versuchen wir, unsere Entwürfe eben auf eine Idee zu reduzieren und nicht mit zu vielen Informationen zu überladen. Formal kann das dann in einem eher minimalen, aber durchaus auch in einem organischen Entwurf enden.«
Trotz aller Auf und Abs in der Trendwelt gibt es aber auch so etwas wie Immergültiges: »Zeitlose Formen und funktionale Ästhetik behalten immer ihre Relevanz. Sie schaffen Beständigkeit«, so Carolin Kreidel von Victor Foxtrot, und Florian Kallus ist überzeugt: »Nie aus der Mode kommen kluge Details, hochwertige Materialien und beste Verarbeitung.«
Womit man mitten im Materialdiskurs gelandet ist. Auch hier: Vielfältigkeit. Was dabei auffällt: Designer:innen scheinen verstärkt so etwas wie haptische Oberflächenwelten kreieren zu wollen und treiben dabei ein lustvolles Spiel mit den Materialien voran. Tapeten und Fliesen mit Strukturen, gut sichtbare Maserungen bei Holzarbeiten, Gipsoberflächen, die an Wand und Decke taktile Effekte erzeugen, gehämmertes Glas, Keramik oder geschickt gebürstete Metalle sieht man verstärkt. Haptiken und Texturen werden so zur Grundessenz einer gelungenen Raumgestaltung. Maßgeblich sind dabei übrigens auch Textilien. Aktuell hoch im Kurs stehen Bouclé, Cord und Teddy. Stoffe, die sich ausgezeichnet eignen, charakterstarke wie charmante Gegensätze zu kreieren, denn: »Materialien werden kontrastreich kombiniert: Metall trifft auf weiche Textilien, oder glatte Flächen werden durch strukturierte Oberflächen gebrochen. In der digitalisierten Welt wird das physische Erleben von Objekten wieder zentral. Taktilität verbindet uns auf einer emotionalen Ebene mit Materialien und Oberflächen«, so Kreidel.

Loch-Optik. Rundungen bleiben auch 2025 ein Thema. Das Sideboard »MY AMI« aus pulverbeschichtetem Stahl überzeugt mit schlanker Silhouette. Auch nicht übel. Die (Edelstahl-)Tischlampe »ALL ROUND« mit wollüberzogenem Lampenschirm.
victorfoxtrot.de
Die Mischung macht’s
Dass es dabei immer wieder zu kruden Materialkombinationen kommt, ist erwünscht und gewissermaßen auch vorprogrammiert. Man weiß, dass man in 2025 angekommen ist, wenn der Hochglanz-Couchtisch ein mit Fell bezogenes Innenleben offenbart. Oder der Hocker aus Alu so bearbeitet und lackiert wurde, dass er auf den ersten Blick wie ein aufblasbares Möbelstück wirkt. Warum? »Oberflächen, ob das Lacke, Beschichtungen oder Ähnliches sind, werden immer perfekter und lassen wenig Spielraum für Charisma. Strukturen machen Oberflächen wieder stärker haptisch erlebbar«, meint Sebastian Schneider vom Studio Kaschkasch. Kollege Kallus kennt übrigens auch die Dauerbrenner unter den Werkstoffen, die über jede Zeitgeisterscheinung erhaben sind: »Ehrliche Materialien wie Stein, Holz und Edelstahle sind und bleiben ein Trend, der sich auch 2025 halten wird.«
Zu dieser Ehrlichkeit zählt übrigens auch das Bekenntnis zu nachhaltigem Handeln. Eingesetzte Materialien – etwa recycelte Metalle, FSC-zertifiziertes Holz oder Keramiken, die aus regionalen Rohstoffen gefertigt werden – müssen heute nicht nur durch ihre Haptik, sondern auch durch ihre Umweltfreundlichkeit überzeugen. »Gutes Design erfüllt eine Funktion, schafft Erinnerungen und Begeisterung beim Betrachter. Für uns ist es selbstverständlich, dass gutes Design nachhaltig produziert und zeitlos ist«, sagt Carolin Kreidel.
Um dieses nachhaltige Denken noch sichtbarer zu machen, greift man 2025 auf ausgeklügelte Farbkonzepte zurück. Natürliche und erdige Farbtöne vermitteln dabei Ruhe und Beständigkeit. Wie die aktuelle Pantone-Farbe des Jahres »Mocha Mousse«, ein warmer, erdiger Braunton, der Eleganz mit Bodenständigkeit verbindet und die Nähe zur Natur widerspiegelt. Die Farbe erinnert an Erde, Kaffee und Kakaobohnen – Symbole für Geborgenheit und Authentizität. Aber wichtiger: Der Grundton schafft Ruhe und Harmonie, besonders in Kombination mit hellen Naturtönen und steht so farblich für einen Wertewandel hin zu nachhaltigem, zeitlosem Design.

Dancing Stars. Carolin Kreidel und Florian Vogel sind Victor Foxtrot. Sie liefern farbenfrohes, unkompliziertes und gut durchdachtes Design im 4/4-Takt.
victorfoxtrot.de

Dynamisches Duo. Florian Kallus (l.) und Sebastian Schneider bilden seit 2011 das Studio KASCHKASCH und überzeugen mit ihren ruhigen, form-vollendeten Entwürfen für Kunden wie Hay, Bolia, Blomus oder Villeroy & Boch.
kaschkasch.com
Die Kraft der Farben
Zum Glück gibt es auch bunte und laute Gegenstimmen. Eine davon ist die britische Designerin und Farbkünstlerin Bethan Laura Wood, die bewusst mit den gedeckten, natürlichen Tönen, die derzeit den Interior-Markt dominieren, bricht. Nicht aus Kalkül übrigens, sondern weil sie einfach nicht anders kann. Sie ist überzeugt, dass Farben Energie verleihen, Emotionen wecken und vor allem Individualität sichtbar machen sollen. »Dabei geht es vorwiegend nicht um einzelne Farben, sondern um mehrere Farben, die in ihrem Zusammenspiel größere Wirkung erzielen.« Wichtig ist es jedenfalls, eine gewisse Balance zu halten, wie sie erzählt: »Die größte Herausforderung bei meinen Arbeiten ist es, in einen guten Flow zu kommen und dabei Komplexität zu erreichen, ohne dabei optisch zu überfordern.« Das betrifft freilich auch Muster, die aktuell die Formensprache aufnehmen. »Wir haben nach wie vor einen Hype rund um sanfte Kurven und geschwungene, weiche Formen und Linien«, attestiert Wood, die fest davon überzeugt ist, dass alle Materialien und Designs kräftige Farben und auffällige Muster vertragen.
Lass kacheln
Fliesen zum Beispiel. Muster liegen hier regelrecht auf der Hand. Ein Grund für das beeindruckende Comeback der Fliesen, die robust, langlebig und pflegeleicht wie kaum ein anderes Material für Nachhaltigkeit und Zeitlosigkeit stehen. Und zwar nicht mehr nur als funktionale Wand- oder Bodenbeläge, sondern auch als zentrales Element im Interior-Design, aus denen etwa Sessel gemacht oder Möbelstücke verfliest werden. Die Fliese als Leinwand für Muster- und Farbexperimente, die nicht selten als handgefertigte Unikate daherkommen. Eine Wiederentdeckung, die zudem zeigt, wie eng Materialien, Farben und Muster ineinandergreifen können.
Ein Zusammenspiel aus Funktionalität, Design und Innovation lässt sich auch im Bereich der Beleuchtung beobachten. Licht ist schon lange nicht mehr nur ein praktisches Element, sondern wird als zentrales Gestaltungsmittel verstanden. »Lichtdesign hat immer eine Aufgabe. Diese Aufgabe gilt es zu erkennen und die beste Lösung zu finden. Dies passiert im Einklang des Raumes mit der Nutzung, um die architektonische, gestalterische Idee zu unterstützen. Licht sollte sich nicht in den Vordergrund spielen, sondern stets ein Werkzeug eines größeren Ganzen sein«, erzählt Andreas Klug. Gemeinsam mit Michael Vasku bildet er das Kreativdirektorduo bei Preciosa Lighting, einem der weltweit größten Hersteller von Kronleuchtern.
Ein Teil dieses größeren Ganzen ist die Art und Weise, mit welchen Lampen, Lustern und Leuchten Licht inszeniert wird. Das Designelement quasi. Und da demonstriert der Lichtsektor so ziemlich alle Trends in Sachen Formen, Material und Farben, die aktuell wichtig sind.

Ikone. Der Hocker »Plopp« ist ein Kultstück vom polnischen Designstar Oskar Ziętas. Zwei ultradünne Stahlbleche werden dafür an den Rändern zusammengeschweißt und unter hohem Druck aufgeblasen. 2025 kommt er in noch kräftigeren Farben.
zieta.pl

Alles fliest. Übrig gebliebene Fliesen, kunstvoll neu bearbeitet, werden bei diesem Projekt von Studio Rens und Cor-Unum zu einem Tisch. Mustergültige, fantasievolle Nachhaltigkeit.
studiorens.com

Aufbauarbeit. Fünfstöckiger Bücherturm aus Sechsecken, der nicht nur Leseratten in die kantige und bunte Welt von Bethan Laura Wood einführt.
bethanlaurawood.com

Revival. Cini Boeri hat den »Botolo« 1973 entworfen. Passt in Form, aber auch farblich perfekt in den erdtönig, karamelligen Mocha-Mousse-Zeitgeist.
loropiana.com
Schöner Schein
Die Designs 2025 setzen dabei – wenig überraschend – auf Vielfalt: Organische Formen treffen auf geometrische Klarheit oder skulpturale Gebilde an der Grenze zwischen Design und Kunst. Natürliche Materialien wie Holz und Keramik ergänzen edle Metalle, Aluminium und Glas.
Wie so etwas im Detail aussieht, zeigt die Produktdesignerin Kickie Chudikova, die an der Wiener Universität für angewandte Kunst studierte und mittlerweile ein Designstudio in New York betreibt. Die Slowakin wurde eben für ihr formvollendetes Besteck »Cutting Edge« mit einem German Design Award ausgezeichnet, hat sich aber auch intensiv mit Lampen auseinandergesetzt. »Pulpopolis« heißt die kleine Tischlampen-Serie aus Murano-Glas, die in den herrlichsten Farben schimmert und sich von Unterwasserwelten und Quallen inspirieren ließ. Und der tschechische Designer Boris Klimek hängt mit »Lollipop« überhaupt gleich eine Art überdimensionierte Lutscher in den Raum und zeigt, wie man ganz ohne Naivität kindlich, verspielt gestalten kann. Wohlwissend, dass Licht heute nicht mehr nur Licht ist, sondern nicht selten Teil eines smarten Ökosystems ist, das zu Hause Komfort, Effizienz und Ästhetik nahtlos miteinander verbindet. Smarte Technologien ermöglichen eine Beleuchtung, die sich präzise an Aktivitäten oder Stimmungen anpasst.
Denn: »Steuerungstechnologien und Smart-Home-Systeme finden zunehmend Verbreitung und geben Möglichkeiten, das Licht nicht nur auszuwählen, sondern auch reagieren zu lassen«, so Klug, der ergänzt, was beim Kreieren von Atmosphäre so alles möglich wird: »So können verschiedene Tageszeiten, Jahreszeiten, Wetterbedingungen, Musik und auch Verhalten von uns Menschen Impulse geben, wie sich das Licht entsprechend anpasst.« Diese Verbindung aus Design und Technologie zeigt, wie viel Potenzial in der Beleuchtung steckt.

Under the Sea. Für die Lampen »Pulpopolis« aus Murano-Glas der preis-gekrönten Designerin Kickie Chudikova dienten Unterwasserwelten als Inspiration.
kickiechudikova.com
Strahlend persönlich
Klug, der nicht nur berufsbedingt ein aufmerksamer Beobachter des Lichtmarkts ist, attestiert der Branche eine sehr starke Veränderung in den letzten Jahren. Vor allem die Gestaltung hat sich, wie so vieles, stark verändert, wie er pointiert zusammenfasst: »Seit vielen Jahren sehen wir eine Vielseitigkeit bei gestalterischen Trends im Design. Früher waren identitäts-stiftende Stile vorherrschend, die ganze Zeiten prägten. Mittlerweile ist aber eine liberale Designvielfalt entstanden, die den individuellen Wünschen ihrer Nutzer zu entsprechen versucht.« Daraus leitet Klug ein Fazit ab, das wohl nicht nur für die Lichtbranche alleine eine gewisse Gültigkeit hat: »Die Individualisierung ist wohl das große Thema des Interior-Designs unserer Zeit.«