Der von Lorenzo Viotti dirigierte und von Calixto Bieito in einem Raum von Rebecca Ringst inszenierte Musiktheaterabend verbindet zwei Schlüsselwerke Gustav Mahlers. Auf die frühe Märchenkantate des 19-jährigen Das klagende Lied (1879/80) folgen die späten Kindertotenlieder aus der ersten Hälfte seines letzten Lebensjahrzehnts (1901/04).
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Das klagende Lied
Im Klagenden Lied, einem Hybrid aus Lied, Symphonik und Chorkantate, sind in schöpferischer Auseinandersetzung mit dem Musikdrama Richard Wagners auch eine Reihe nie realisierter Opernpläne des Konservatoriumsabsolventen aufgegangen. So knüpfte der junge Komponist an die beiden harmonisch und instrumentationstechnisch avanciertesten Ring-Partituren Siegfried und Götterdämmerung ebenso an wie an archaisierende Intonationen der Meistersinger, und schuf, auch als sein eigener Textdichter, einen weit ausgreifenden Märchenkosmos voll offener und versteckter Anspielungen auf Wagners Mythenwelt. Motive aus den Kinder- und Hausmärchen (1812—1858) der Brüder Grimm sowie aus Ludwig Bechsteins Neuem deutschen Märchenbuch (1865) verflicht Mahler zur Ballade »vom singenden Knochen«.
Im ersten Satz, dem Waldmärchen, wird berichtet, dass der Stolz der männerhassenden Königin nur durch den Fund einer roten Blume gebrochen werden kann. Zwei Brüder machen sich auf die Suche. Der jüngere glückliche Finder wird vom älteren im Schlaf unter einem Weidenbaum erschlagen. Im zweiten Satz, Der Spielmann, findet ein fahrender Spielmann einen Knochen des Toten, aus dem er eine Flöte schnitzt; als der Spielmann sie an seine Lippen setzt, beginnt sie, Klage und Anklage des Ermordeten zu singen:
Ach Spielmann, lieber Spielmann mein, das muss ich dir nun klagen Um ein schönfarbig Blümelein Hat mich mein Bruder erschlagen Im Walde bleicht mein junger Leib! Mein Bruder freit ein wonnig Weib!
Im dritten Satz, dem Hochzeitsstück, lässt der Spielmann den singenden Knochen sein Lied auf dem Hochzeitsfest der Königin mit dem älteren Bruder singen. Die Entlarvung des Mörders bringt die Mauern des glänzenden Schlosses zum Einsturz.
Mahler betrachtete das Klagende Lied als sein eigentliches, vollgültiges »Opus 1«, in dem er zu seinem unverwechselbaren Ton gefunden hatte und für dessen Aufführung er sich auch nach Ablehnung der Partitur durch die Jury des von der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde ausgelobten Beethoven-Preises nachdrücklich einsetzte:
Er überarbeitete seine Partitur in mehreren Angängen, bis er das solistisch, chorisch und instrumental gewaltig besetzte, ursprünglich unter anderem 6 Harfen und ein Fernorchester zum Einsatz bringende Werk — in einer um den ersten Satz gekürzten Fassung — am 17. Februar 1901 in Wien unter seiner persönlichen musikalischen Leitung zur Uraufführung bringen konnte. Im Rahmen unseres Projekts wird die vollständige einstündige Urfassung erklingen.
Kindertotenlieder
Auf den Zusammenbruch der auf Lüge und Mord errichteten Welt des Klagenden Lieds, der — anders als der Brand Walhalls in der Götterdämmerung — von keinem musikalischen Hoffnungsmotiv verklärt wird, folgt der Zyklus der Kindertotenlieder. Mahler wählte aus der gleichnamigen 428 Gedichte umfassenden Sammlung Friedrich Rückerts (1833 / 34) fünf Texte aus und verdichtete sie zur ebenso intimen wie erschütternden Klage eines Vaters um seine verlorenen Kinder. Diese ist in den ersten vier Liedern in abgründig-bohrender kammermusikalischer Reduktion gestaltet. Das fünfte und letzte Kindertotenlied, das einzige, das sich zu symphonisch-orchestraler Faktur aufschwingt, schlägt auch inhaltlich den Bogen zurück an den Anfang unseres Abends; »langsam, wie ein Wiegenlied« ist sein Schluss zu musizieren: als Versuch, die stolze, abweisende Königinnengestalt, deren Verweigerung symptomatisch war für eine todverfallene kalte Welt, abzulösen und wenigstens die Verstorbenen ruhen zu lassen »als wie in der Mutter Haus«. Ein Besuch der Vorstellung wird ab 16 Jahren empfohlen.
SchauspielerInnen
- Sopran
- Ileana Tonca
- Tanja Ariane Baumgartner
- Tenor
- Daniel Jenz
- Bariton
- Florian Boesch
Künstlerisches Team
- Musikalische Leitung
- Lorenzo Viotti
- Inszenierung
- Calixto Bieito
- Bühne
- Rebecca Ringst
- Kostüme
- Ingo Krügler
- Licht
- Michael Bauer
- Bühnenbildassistenz
- Annett Hunger
Fotos zur Verfügung gestellt von Wiener Staatsoper.
Inhalte zur Verfügung gestellt von Wiener Staatsoper.