„Ich bin ein schwerer, träger Mühlstein, und immer wieder hat es Leute gegeben, die dieses Mühlrad bewegt haben“, soll Otto Schenk einmal gesagt haben. Dass man ihm diese Trägheit ganz und gar nicht abkaufen möchte, liegt auch daran, dass sein Rollenrepertoire den Umfang dieses Artikels sprengen würde. Wenn wir hier von Rollen sprechen, sind nämlich nicht nur die zahlreichen Charaktere gemeint, die der heute 90-Jährige auf der Bühne verkörperte, sondern auch die unzähligen Funktionen, die er im Laufe seines Theater- und Opernlebens bereits innehatte. Ganz egal, um welche seiner Tätigkeiten es sich handelt, gilt stets folgender Grundsatz, der dem einleitenden Zitat eine weitere Dimension hinzufügt: In all seinen Rollen und Funktionen bewegte Otto Schenk die Menschen. Von ihren Wohnungen und Einfamilienhäusern in die Opernhäuser und Theater, aber in erster Linie natürlich emotional.  

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Abschied von der Bühne

Warum hier das Präteritum zum Einsatz kam? Otto Schenk nahm die Ausstrahlung von Amelie Niermeyers „Kirschgarten“-Inszenierung im Theater in der Josefstadt zum Anlass, um sich offiziell von der Bühne zu verabschieden. Aufgezeichnet wurde die Aufführung, die am 12. November auf ORF III gezeigt wurde, schon im vergangenen November, mit Otto Schenk in der Rolle des gebrechlichen Dieners Firs. Die Gebrechlichkeit, die die Rolle des Dieners kennzeichnet, spürt der Regisseur und Schauspieler, auch selbst. Wie der dem Magazin „News“ kürzlich erklärte, liegt darin auch der Grund für seinen Rückzug aus der Theaterwelt. „Ich kann ja nicht mehr gehen. Auf der Bühne muss man sich bewegen können, und das kann ich rein physisch nicht mehr. Nur noch hoppeln. In der Rolle hab ich das noch benützen können: durch eine Welt taumeln, die es für mich kaum mehr gibt“, so der 90-Jährige.

Otto Schenk im Bühnenbild von „Der Kirschgarten".

Foto: Astrid Knie

„Das Theater ist vorbei"

Die TV-Aufzeichnung war, wie er im Gespräch mit „News“ erläutert, „ein Test, ein Versuch, ob es überhaupt noch möglich ist“. Die Todesszene zeichnete das Team allerdings vorher schon auf. „Sterben auf der Bühne gelingt mir noch, aber das Risiko war, dass diese eine Szene wirklich erspielt werden muss. Die anderen Szenen hätte man noch während des Probens streichen können“, so Schenk. Auf die Doppeldeutigkeit des Theaterbegriffs verweisend, merkt der Publikumsliebling außerdem an, dass er es genieße, „dass das Theater vorbei ist". Und fügt hinzu: „So wie der Betrieb jetzt ist, das könnte ich nicht mehr mitmachen." Lesungen möchte Otto Schenk aber nicht ausschließen.

Sein Bühnendebüt feierte der 1930 in Wien geborene Otto Schenk 1947 als Gendarm in Karl Schönherrs „Karrnerleut“ im Theater der Jugend. Das Theater war damals noch in der Urania untergebracht. Nach einigen Stationen in kleineren Theatern wechselte der Max-Reinhardt-Absolvent Mitte der fünfziger Jahre über das Volkstheater an das Theater in der Josefstadt. Dort feierte er 1960 mit Eugene O’Neills „O Wildnis“ auch seinen Durchbruch als Regisseur. Auch in der Opernwelt musste er nicht lange auf Erfolge warten. 1962 inszenierte er „Lulu“ an der Wiener Staatsoper, acht Jahre später debütierte er mit „Fidelio“ an der New Yorker Met.

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