Sie arbeiten bereits zum zweiten Mal mit Dead Centre, also mit Ben Kidd und Bush Moukarzel, zusammen. Was zeichnet die Arbeitsweise der beiden aus?

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Die beiden haben eine lange Phase der Recherche und schreiben dann ein Stück, das wir in der ersten Phase der Proben überprüfen und bearbeiten. Man probiert also einzelne Szenen und Strecken aus und die beiden setzten sich dann hin und schreiben es um. Beide Male, zuerst mit der Traumdeutung und nun mit dem Tractatus, war die Frage natürlich erst einmal, wie diese unspielbaren Werke auf die Bühne kommen können. Mit welcher ästhetischen Methode man sich ihnen nähert und wie daraus Theater werden kann.

Könnten Sie Ihre Rolle in „Alles, was der Fall ist“ etwas näher beschreiben?

Wie bei Wittgenstein und überhaupt in der Logik alles mit Annahmen funktioniert, arbeiten wir auch damit, mal anzunehmen, ich sei ein Schauspieler, der annimmt, Ludwig Wittgenstein zu sein. Und im Verlauf des Abends wird diese Annahme durch eine neue und wieder durch eine neue Annahme ersetzt. Wohin uns das führt, wird man erleben.

Welche Faktoren müssen für Sie zusammenstimmen, damit Sie sich in einer Produktion wohlfühlen?

Das Schöne und auch Schreckliche ist, dass man vor einer Produktion nie wissen kann, wie es wird. Nicht nur, was das Endresultat angeht, sondern auch wie die Arbeit sein wird. Die besten Voraussetzungen können sich ins Gegenteil verkehren. Und andersherum. Was hilft, dieser Unwägbarkeit zu begegnen, sind Vertrauen und Respekt und eine Hingabe an den Stoff. Und nicht zu vergessen, dass es um Spiel, Spiele, Spielen geht.

War die Arbeit an diesem Stück Ihre erste Auseinandersetzung mit dem Werk Ludwig Wittgensteins?

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Ja, ich habe um alle Logiker, und dazu zählte für mich Wittgenstein, einen großen Bogen gemacht. Und auch jetzt habe ich das Gefühl, einen Großteil seines Werkes nicht vollends zu begreifen. Thomas Bernhard hat so wunderbar geschrieben, Wittgenstein sei eine Frage, auf die er keine Antwort wisse. Gleichzeitig verspüre ich die Lust mit der Poesie des Tractatus und den so einfach daherkommenden Komplexitäten umzugehen, das Denken spürbar werden zu lassen.

Andrea Wenzl, Alexandra Henkel, Johannes Zirner, Tim Werths und Philipp Hauß gehören zum Ensemble von „Alles, was der Fall ist".

Foto: Marcella Ruiz-Cruz

Inwiefern besteht eine Verbindung zwischen den sprachphilosophischen Theorien Wittgensteins und den Kernelementen von Theater?

So wie Wittgenstein seine Welt mit Annahmen, Bildern, Schlüssen und Sprachspielen bevölkert, hat das sehr viel mit Theater zu tun. Alles, was auf der Bühne stattfindet, hat Zeichencharakter, sagt uns etwas, zeigt uns etwas, und wir schauen die Welt an und überprüfen, ob wir richtig liegen oder falsch. Und letztendlich liegt die Verbindung auch in Wittgensteins Schweigen, denn Theater passiert ja auch zwischen den Worten, irgendwo dort, wo das Sprechen nicht mehr möglich ist.

Was würden Sie Menschen sagen, die sich Sorgen darüber machen, dass sie das Stück nicht verstehen, weil sich ihnen Wittgenstein noch nie so wirklich erschlossen hat?

Der Abend ist weder ein Proseminar über Wittgenstein noch behaupten wir, ihn so weit verstanden zu haben, dass wir jetzt jemanden belehren könnten. Man könnte sagen, der Abend ist im besten Sinne voraussetzungslos. Ein Musikstück kann ich auch in Unkenntnis von Quintenzirkel, Kompositionstechnik und Akkordlehre anhören und etwas dabei erleben. Wir wollen eher Gedanken-Musik machen.

Die Premiere von „Alles, was der Fall ist“ findet am 8. Juni im Akademietheater statt. Am 7. Juni gibt es eine Voraufführung.

Foto: Irina Gavrich

Zur Person: Philipp Hauß

Philipp Hauß, 1980 in Münster geboren, studierte Schauspiel am Max Reinhardt Seminar in Wien sowie Philosophie und Kulturwissenschaften. Seit 2002 ist er Ensemblemitglied am Burgtheater in Wien. Hauß gastierte am Residenztheater in München, am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und am Maxim Gorki Theater in Berlin. 

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Termine und Infos auf der Website des Burgtheaters

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