Erst einmal ein paar Liegestütze. Gefolgt von lockeren Klimmzügen. Dazwischen Luftsprünge. Ziemlich hohe. Tobias Reinthaller macht aus dem Kulissenlager hinter dem Theater in der Josefstadt einen Turnsaal. Die Fotografin wünscht Dynamik, der 29-jährige Darsteller liefert ab. 

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Er spielt Fußball, ist ein sehr guter Skifahrer, beherrscht Kickboxen. Vor allem aber ist er Ausdauer- und Kraftsportler. Ist körperliches Leistungsvermögen, das meist auch mit visuell wahrnehmbarer Optimierung einhergeht, für einen Schauspieler heute unabdingbar? „Man braucht auf jeden Fall Fitness, denn man muss nicht nur die Aufführungen, sondern auch lange Probezeiten gut überstehen. Ob man dafür wie ich Kraftsportler sein muss, sei dahingestellt. Mir hilft es einfach, weil man dadurch automatisch eine gute Koordination hat.“ 

Berufliche Alternative wäre der Sport für den gebürtigen Wiener dennoch nicht gewesen. „Ich wusste schon sehr früh, dass ich Schauspieler werden wollte. Es hat mir als Kind Spaß gemacht, Leute zu unterhalten, indem ich ihnen etwas vorgespielt habe. Auf Anraten meiner Eltern habe ich mit 14 Jahren im Schultheater angefangen, um zu schauen, ob die Bühne tatsächlich etwas für mich wäre.“ War sie.

Mondmann

Nach dem Vorsprechen für das Märchen „Peterchens Mondfahrt“ sollte er zunächst einen Spielzeugroboter darstellen. Ohne Text, eine Statistenrolle. Doch dann sah der zuständige Herr Professor doch mehr in ihm und verpflichtete den Teenager als Mondmann. „Das war der Bösewicht im Stück. So würde man mich heute nicht mehr besetzen. Im Moment bin ich doch eher der junge Liebhaber, was aber auch okay ist, ich spiele den gerne“, meint er durchaus selbstironisch.

Sein Vater ist Sänger, sein Onkel Ulrich Reinthaller ebenfalls Schauspieler in der Josefstadt, die genetische Vorbelastung also evident. „Zumindest gibt es wohl einen Hang in der Familie zum Theatralischen, dahingehend, sich gerne auszustellen.“ Dass er sich nun wieder hinreichend „ausstellen“ darf, ist für Tobias Reinthaller ein Segen. Für ihn war die Zwangspause eine ziemliche psychische Belastung, das Loch, in das er fiel, groß. Tempi passati. Zum Glück. 

Er spielt aktuell in „Der ideale Mann“ den Vicomte de Nanjac, Attaché an der französischen Botschaft in London und, wie fast alle Männer bei Oscar Wilde, ein Dandy. Er verleiht der Figur des Demeter Stanzides, Oberleutnant und Jockey, in „Der Weg ins Freie“ nach Arthur Schnitzler ein glaubhaftes Profil. Und glänzt neben Johannes Krisch als dessen Sohn Hans in „Der Bockerer“. Eine Rolle, die ihm ganz besonders am Herzen liegt. 

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Tobias Reinthaller reicht eine Parkplatzmauer als Kulisse, um physische Präsenz zu zeigen.

Foto: Irina Gavrich

Kein Lernprozess

Hans ist überzeugter Nazi. Sein Vater Antifaschist. Ein Spannungsfeld, in dem die Darsteller Reinthaller und Krisch exzellent agieren. „Ich habe mir zur Vorbereitung Dokumentationen über die SA und Horst Wessel angeschaut, viel recherchieren musste ich aber nicht, da ich ohnehin einiges über diese Zeit weiß. Der Rolle dienlich war auch, dass ich selbst beim Bundesheer war und deshalb weiß, wie man sich als Soldat bewegt. Obwohl das schräg klingt, muss man auch schauen, wo es Gemeinsamkeiten mit der Figur gibt. Das heißt nicht, dass mir Hans sympathisch sein muss, aber ich muss verstehen, warum er so handelt.“ 

Das 1948 uraufgeführte Stück sei heute leider dermaßen aktuell, dass es Menschen im Publikum gegeben habe, die glaubten, man habe Textpassagen angefügt, weil sie gut zur heutigen politischen Lage passten. „Menschen verhalten sich immer gleich, sie lernen leider nichts aus der Geschichte. Wenn es lange genug her ist, vergessen sie alles“, gibt sich Tobias Reinthaller keinen Illusionen hin. 

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Alle fünf Produktionen zusammen­genommen, hat er allein in dieser Spielzeit 160 Aufführungen zu bewältigen. „Als ich den Plan bekam, habe ich mich ein wenig gefürchtet. Aber es geht eigentlich locker. Es ist viel, aber es ist eben Arbeit.“ Texte lernt er „meist zu Hause, immer in Bewegung. Es fällt mir ohnehin schwer, mich zu konzentrieren und ruhig zu sitzen. Also gehe ich lernend herum.“ 

Ohne Alternative

Das Theater in der Josefstadt, seit vier Jahren seine künstlerische Heimat, war für ihn stets die erste Wahl. „Hier findet schönes, qualitativ höchstwertiges Schauspiel und Theater statt. Ich habe immer gewusst, dass ich hier herwill, und mich nie an einem anderen Haus gesehen.“ Also hat er sich beworben. 

„Sicher dreimal. Irgendwann einmal wurde ich zum Vorsprechen eingeladen und bekam einen Ensemblevertrag angeboten.“ Die Traumerfüllung bleibt ihm wohl ewig in Erinnerung. „Das war im April 2017, und es hat geschneit.“ 

Heute zählt er mit Kolleg*innen wie Johanna Mahaffy, Paula Nocker, Tamim Fattal oder Julian Valerio Rehrl zur jungen Generation der Josefstadt. Eine, die das Theater nachhaltig prägen wird? „Das hoffe ich doch! Wir begegnen einander auf Augenhöhe, wir können uns messen. Und nur dadurch wird man auch besser.“ 

Zur Person: Tobias Reinthaller

Nach seinem Schauspieldiplom 2015 spielte der Wiener u. a. bei den Festspielen Reichenau, im Theater-Center-Forum und im Theater Akzent. Seit 2017 Ensemblemitglied im Theater in der Josefstadt. Aktuell zu sehen in „Der Bockerer“, „Der Weg ins Freie“ und „Der ideale Mann“, 2022 auch in „Der Wald“ sowie in der deutschsprachigen Erstaufführung von „Leopoldstadt“.

Zum Spielplan des Theaters in der Josefstadt