Rachel Müller studierte Regie am Max Reinhardt Seminar in Wien. Mit ihrer Diplominszenierung „Noch ist alles asphaltiert“, für die sie auch den Text schrieb, wurde sie zum Körber Studio Junge Regie 2021 eingeladen. „Über Nacht“ ist ab 19. April in ihrer Regie im Vestibül zu sehen. Die BÜHNE hat ihr sieben Fragen gestellt.

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Was ist Ihnen beim Lesen des Stückes sofort aufgefallen?

Das Fantastische an der Geschichte – Ängste, Wünsche und Identitätsfragen sind personifiziert und drängen von außen an die Hauptfigur Sam, sie verlangen, gehört und gesehen zu werden. Und das Setting des Traums, das einem so viele Spielmöglichkeiten bietet!

Wie würden Sie Sam beschreiben?

Sie ist reflektiert, verantwortungsbewusst und realistisch – all diese Eigenschaften hat sie vielleicht zu früh lernen müssen; ihr Ausblick auf das Leben ist nüchtern, sie ist überzeugt davon, dass ihre Träume ihrer Realität unterliegen werden. Gleichzeitig lässt sie sich nicht unterkriegen und beharrt auf ihrer Freiheit, Entscheidungen autark zu treffen. Sie schreckt nicht davor zurück, ihre Familie und Freund*innen mit ihren Zweifeln zu konfrontieren und deren zuweilen leichtfertigen Umgang mit dem Leben infrage zu stellen. Dieser Trotz hat mich am meisten beeindruckt.

„Mir ist das Träumen wichtig“

Worauf möchten Sie sich besonders konzentrieren?

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Es gibt zwei Aspekte: auf die Klassenfragen, die das Stück aufwirft, sowie auf die fantastische Verpackung des Traums, in der sie daherkommen.

Theater bündelt die Träume verschiedener Menschen zu einem Abend. Was ist Ihnen in der Zusammenarbeit wichtig?

Mir ist es wichtig, dass wir ein Bewusstsein und eine Haltung entwickeln für die Geschichte, die wir erzählen, und für das Thema, das wir behandeln. Ich wünsche mir, dass wir behutsam und konzentriert vorgehen und einen Raum schaffen, in dem wir selbstverständlich miteinander arbeiten und kommunizieren können.

Viele Menschen sind mit dem Credo „Man kann alles schaffen, wenn man nur will“ großgeworden. Was ist daran problematisch?

Die gesellschaftlichen Umstände, in denen wir leben und die Hürden die sie mit sich bringen, werden außen vor gelassen. Vertrauen in das eigene Können und Tun sind zwar wichtig – ob ich etwas schaffe oder nicht schaffe, ist jedoch weiterhin abhängig von anderen Faktoren. Das Credo aber individualisiert Leistung und Erfolg, macht es alleine zu meiner Verantwortung etwas zu „schaffen“. Ebenso wird „es nicht schaffen“ zu meiner eigenen Schuld.

Ist „Dream big“ ein Motto, mit dem Sie persönlich etwas anfangen können?

Mir ist das Träumen wichtig – im Sinne von Alternativen spinnen und den Mut haben, sich die Zukunft anders auszumalen, als sie gerade möglich erscheint. „Dream big“ als Versprechen von Aufstieg und Wohlstand hingegen erscheint mir zynisch – Träume werden zur vermarkteten Illusion.

Wovon haben Sie zuletzt geträumt?

Von einem Bad in geschmolzenem Käse.

Zu den Spielterminen von „Über Nacht“ im Vestibül